Die zweite Entscheidung des heutigen Tages kommt auch aus Bayern – das lässt schon nichts Gutes vermuten. Und dann auch noch vom OLG München, das mal wieder zum Längenzuschlag des Pflichtverteidigers Stellung genommen hat. Konkret ging es im OLG München, Beschl. v. 24.05.2018 – 6 St (K) 8/17 – ergangen im NSU-Verfahren – um die Fragen der Berücksichtigung von längeren Pausen, insbesondere von (Mittags)Pausen, bei der Berechnung der für den Längenzuschlag maßgeblichen Hauptverhandlungsdauer.
Nun die Rechtsprechung des OLG München dazu ist bekannt: Die Zeit der Mittagspause wird nicht in die Dauer der Teilnahme an der Hauptverhandlung eingerechnt (vgl. hierzu Beschl. v. 23.10.2008, 4 Ws 150/08; Beschl. v. 12.11.2007, 2 Ws 807809/07; Beschl. v. 01.02.2007 – 1 Ws 117/07; Beschl. v. 21.11.2011, 6 Ws 20/11).Und wir wissen: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als das das OLG München seine Rechtsprechung ändert.
So auch hier. Aber das macht den Beschluss nicht berichtenswert. Das Besondere liegt vielmehr in Folgendem:
„Soweit der Erinnerungsführer darauf abstellt, der Vorsitzende habe bei Beratungsbedarf auf die Mittagspause verwiesen, ändert dies nichts an der oben getroffenen Einschätzung. Es liegt hier allenfalls eine Anregung des Vorsitzenden vor, keinesfalls aber die verbindliche Anordnung, die Mittagspause in einer bestimmten Weise zu nutzen. Überdies wäre auch keine Ermächtigungsgrundlage für den Vorsitzenden zu einer derartigen Anordnung ersichtlich.
Soweit Unverständnis geäußert wird, weshalb auch andere längere Unterbrechungen nicht abgezogen werden, ist auf die obigen Ausführungen zur Prozessneutralität zu verweisen. Der Einzelrichter hat selbst an der gesamten bisherigen Hauptverhandlung teilgenommen. Es sind ihm in diesem Zusammenhang keine Pausen außerhalb der Mittagspause aufgefallen, die nicht durch Regenerations- und/oder Besprechungsbedarf gerechtfertigt gewesen wären. Die Argumentation mit den „aufgezwungenen“ Pausen schließt im Ergebnis an die nicht überzeugende Argumentation des Oberlandesgericht Brandenburg mit der Vorbemerkung Teil 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG an. Folge einer einheitlichen Betrachtung aller Unterbrechungen müsste im Übrigen nicht denknotwendig die Einbeziehung aller Pausen in die Verhandlungsdauer sein, sondern sie könnte sich auch im Abzug sämtlicher Pausen manifestieren.
Die vom Erinnerungsführer geltend gemachte Nutzung der Mittagspause zu Mandanten- und Verteidigergesprächen im Einzelfall steht einer Bewertung der Mittagspause als prozessneutrale Zeit nicht entgegen, weil aus Gründen der Vereinfachung bei zahlreichen Verfahrensbeteiligten ein einheitlicher Schlüssel zur Berechnung gelten muss. Hier aber bietet die Absetzung der einstündigen Mittagspause jene Lösung, die der tatsächlichen Nutzung der Pause durch den überwiegenden Teil der Beteiligten, insbesondere die Nebenklägervertreter entspricht, deren Mandanten zumeist nicht für Gespräche zur Verfügung standen. Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht geboten, dem Antrag des Erinnerungsführers am Ende seines Schriftsatzes vom 27. April 2018 näher zu treten, weil Einzelfälle in der Person des Erinnerungsführers nicht geeignet sind, das bewährte System der Bestimmung der Verhandlungsdauer unter pauschalem Abzug der Mittagspause in Frage zu stellen. Dem Erinnerungsführer ist dieses System seit Jahren bekannt. Es hätte damit die Möglichkeit gehabt, den Vorsitzenden bei gegebenem Anlass auf die aus seiner Sicht bestehende Problematik hinzuweisen und ggf. längere Unterbrechungen zu beantragen.“
Wenn man es liest, fragt man sich: Lachen oder Weinen? Der Vorsitzende weist auf die Mittagspause hin, wenn Beratungsbedarf besteht. Wird die Mittagspause dann dazu genutzt, soll die Zeit dem Verteidiger aber dennoch nicht bei der Berechnung der Hauptverhandlungsdauer „gut geschrieben“ werden. Diese Argumentation zeigt m.E. als deutlich, dass die Entscheidung des OLG falsch ist.
Wenn der Verteidiger sich nach Terminsende oder vor Beginn des Termins mit dem Mandanten berät, wird das ja auch nicht eingerechnet in die Dauer des HV-Termins. Das ist Vor- und Nachbereitung der HV. ME ist es ja einigermaßen großzügig, dass nicht auch die längeren Unterbrechungen etwa „zur Prüfung, ob ein unaufschiebbarer Antrag gestellt wird“ oder zur Vorbereitung der Begründung eines solchen Antrags abgezogen werden. Denn der Vorstitzde könnte ja auch weiter verhandeln (nach alter Rechtslage soll es möglich gewesen sein, dem potentiellen Antragsteller zu erlauben, „ohne Rechtsverlust“ seinen Antrag später zu stellen und nach neuer Rechtslage kann er auf schriftliche Begründung unter Fristsetzung verwiesen werden). Wenn also erfreulicherweise der Vorsitzende die laufende HV für eine Stunde unterbricht, läuft die Uhr weiter und es gibt den Längenzuschlag, wenn er das nicht tut, hat der RA Pech, weil er die Arbeit dann außerhalb des Termins machen muss.
Abgesehen davon: beim NSU-Verfahren sollen ja doch ohnehin fast (?) alle RAe eine Pauschvergütung bekommen (wurde irgendwann mal im Zusammenhang mit den Kosten des Verfahrens berichtet, kann aber auch eine Zeitungsente sein) , da wird ihnen ein versagter Längenzuschlag kaum wehtun.
1: Es geht doch gar nicht um die Frage einer Pauschvergütung, bei der im Übrigen – was Sie vielleicht nicht wissen – die Höhe der gesetzlichen Gebühren schon eine Rolle spielt, weil sie Ausgangspunkt/Grundlage für die Höhe der Pauschgebühr ist.
2. Im Übrigen erschließt sich mir nicht, was Gebührenrecht bzw. Pflichtverteidigervergütung mit „Großzügigkeit“ zu tun hat. Es handelt sich doch nicht um Almosen, die „großzügig“ von den Gerichten verteilt werden.
Allmählich wird für mich die Gesundbeterei solcher Entscheidungen unverständlich. Aber was tut man nicht alles, um das zu halten, was nicht zu halten ist.
ad 1: war mir klar.
ad 2: Nein, es geht darum, welche Tätigkeit der RA als „terminsbedingt“ in die Terminsdauer einrechnen kann, wenn gerade keine Verhandlung ist.
Warum soll es denn einen Unterschied machen, ob er mit seinem Mandanten eine halbe Stunde vor Terminsbeginn in der Haftzelle oder der Cafeteria spricht oder aber in der Mittagspause oder nach Terminsende (ggf. vor einem Fortsetzungstermin) , einmal soll es einzurechnen sein (- Mittagspause – so Burhoff, aA OLG München), im anderen Falle (Beratung unmittelbar vor /nach Terminsbeginn/ende, und da gänzlich unstreitig) aber nicht. Wenn der Bedarf nach Beratung da ist und der Anwalt Arbeitszeit hierfür aufwendet, gibt es einma ganz unstreitig (vor/nach HV) also keinen Zuschlag.Warum etwas anderes gelten soll, nur weil die Beratung in einer (Mittags)pause stattfimdet? Weil es so schön wäre oder gibt es einen sachlichen Grund für diese Privilegierung der Mittagsberatung?
Schon mal daran gedacht, dass Vorbereitungs- und Nachbereitungszeit Zeit(räume) sind, die der Verteidiger selbst bestimmt, bei der Pause deren Dauer aber vom Gericht vorgegeben wird und der Verteidiger sich i.d.R. zur Verfügung halten muss.
Aber lassen wir es: Entweder will man für (gute) Verteidigung auch gutes Geld zahlen oder man will nicht. Ich habe den Eindruck, man will es nicht und sucht Verteidigung zum Nulltarif. Und jetzt kommen Sie mir nicht mit dem „Sonderopfer“.