Bei der zweiten Entscheidung, die ich heute aus dem Strafzumessungsbereich vorstellen möchte, handelt es sich um den BGH, Beschl. v. 21.06.2018 – 4 StR 184/18. Sie richtet sich gegen ein Urteil des LG Münster und es geht um Verfahrensverzögerung. Der BGH stellt eine Verfahrensverzögerung fest, mehr ist aber nach seiner Auffassung nicht erforderlich:2. Zutreffend ist allerdings der Einwand der Revision, das Verfahren sei unter Verletzung des Rechts des Angeklagten auf Entscheidung innerhalb angemessener Frist (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) geführt worden.
„a) Zwar muss der Revisionsführer nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs regelmäßig eine Verfahrensrüge erheben, wenn er die unterbliebene oder unzureichende Kompensation einer konventionswidrigen Verfahrensverzögerung geltend machen will, sofern diese bis zum Ablauf der Revisionsrechtfertigungsfrist eingetreten ist (vgl. nur BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2003 – 1 StR 445/03, BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 19; Urteil vom 25. November 2004 – 2 StR 274/04, NStZ-RR 2005, 81 [Ls], jeweils mwN; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 46 Rn. 127). Dies gilt aber ausnahmsweise dann nicht, wenn sich die Umstände, die die Verfahrensverzögerung und ihre Konventionswidrigkeit belegen, in für das Revisionsgericht nachvollziehbarer Weise bereits aus den Gründen des angefochtenen Urteils und den von Amts wegen zu berücksichtigenden Aktenbestandteilen ergeben (BGH, Urteil vom 25. November 2004 aaO). So liegt der Fall hier. Dem Senat steht insoweit eine hinreichende Beurteilungsgrundlage zur Verfügung. Das Landgericht hat in den Urteilsgründen detaillierte Feststellungen zum Ablauf des Verfahrens insgesamt getroffen und dabei insbesondere die nicht zeitgerechte, den Strafverfolgungsbehörden zuzurechnende Sachbehandlung nach Wiedereinreise des Angeklagten in die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2014 eingehend nachvollzogen (UA 12/14).
b) Die im landgerichtlichen Urteil näher dargelegte mangelhafte Förderung des Verfahrens nach Erteilung des Auftrags zur Erstellung eines DNA-Gutachtens an das Landeskriminalamt N. am 1. Juli 2014 begründet einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK, den der Senat hiermit ausdrücklich feststellt.
Eine weiter gehende Kompensation rechtfertigt das Gewicht der Verzögerung im vorliegenden Fall jedoch nicht. Zwar erfolgte die erste Sachstandsanfrage der Staatsanwaltschaft beim Landeskriminalamt erst mit Verfügung vom 16. September 2016 und deshalb, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, mit Blick auf das Datum des Gutachtenauftrags (1. Juli 2014) unvertretbar spät. Der verstrichene Zeitraum ist jedoch schon angesichts der auch bei zeitgerechter Verfahrensförderung in Ansatz zu bringenden Bearbeitungszeit nicht mit einer konventionswidrigen Verfahrensverzögerung von entsprechender Dauer gleichzusetzen und damit deutlich geringer zu bemessen. Es kommt hinzu, dass das Landgericht die Dauer des Verfahrens schon bei der Strafzumessung in besonderem Maße ausdrücklich zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt und eine angesichts des verwirklichten Unrechts äußerst milde Freiheitsstrafe verhängt hat. Weitere, besondere Belastungen des zu keinem Zeitpunkt inhaftierten Angeklagten sind nicht ersichtlich.“
Mag so richtig sein – kann man letztlich ohne genaue Kenntnis der Akten nicht zu beurteilen. Allerdings frgat man sich schon, warum die Erstellung eines DNA-Gutachtens mehr als zwei Jahre braucht.