Heute dann mal ein Fahrverbotstag, oder auch ein Tag der Entscheidungen des KG. Denn alle drei Entscheidungen, die ich vorstellen möchte stammen vom KG. Zunächst ist das der KG, Beschl. v. 06.03.2018 – 3 Ws (B) 73/18 – zum Absehen von einem Fahrverbot beim Berufskraftfahrer.
Das AG hatte wegen einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften von dort 60 km/h um 52 km/h eine Geldbuße von 560,00 € festgesetzt, von der Verhängung eines Fahrverbots aber abgesehen, weil dessen Verhängung zu einer massiven Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Betroffenen führen würde, weshalb eine „existenzvernichtende“ außergewöhnliche Härte vorliege, und zur Begründung insoweit Folgendes ausgeführt:
„Der Betroffene ist als Krankentransportfahrer zwingend auf seine Fahrerlaubnis angewiesen, um seine Tätigkeit ausüben zu können. Ausweislich des in der Hauptverhandlung verlesenen Schreibens des Arbeitgebers des Betroffenen vom 26.1.2017 hat dieser angekündigt, das Arbeitsverhältnis mit dem Betroffenen für den Fall des Führerscheinentzuges zu beenden. Daraus folgt, dass seitens des Arbeitgebers auch keine Bereitschaft besteht, den Betroffenen für die Dauer des Fahrverbotes anderweitig zu beschäftigen. Ausweislich des in der Hauptverhandlung verlesenen Arbeitsvertrages wäre es dem Betroffenen zudem unter Berücksichtigung seines jährlichen Urlaubsanspruches nicht möglich, das Regelfahrverbot von zwei Monaten durch Urlaub zu überbrücken. Darüber hinaus scheiden aufgrund der Art der Tätigkeit des Betroffenen auch grundsätzlich in Betracht zu ziehende Alternativmaßnahmen wie die Beschäftigung eines Fahrers durch, den Betroffenen für die Zeit des Fahrverbotes hier naturgemäß aus. In einer Gesamtwürdigung liegen damit zur Überzeugung des Gerichts besondere Umstände vor die es rechtfertigen hier ausnahmsweise von der Verhängung eines Fahrverbotes abzusehen.“
Das reicht dem KG nicht:
„….. In solchen Fällen kann die Anwendung der Regelbeispielstechnik des Bußgeldkataloges nur dann unangemessen sein, wenn der Sachverhalt zugunsten des Betroffenen so erheblich abweicht, dass er als Ausnahme zu werten ist. Dem tatrichterlichen Beurteilungsspielraum sind jedoch der Gleichbehandlung und der Rechtssicherheit wegen enge Grenzen gesetzt und die gerichtlichen Feststellungen müssen die Annahme eines Ausnahmefalles nachvollziehbar erscheinen lassen (vgl. KG, VRS 108, 286 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall. Das Amtsgericht hat von der Verhängung eines Fahrverbotes mit der Begründung abgesehen, dass bei Anordnung eines Fahrverbots eine „existenzvernichtende“ außergewöhnliche Härte vorliege. Den allein maßgeblichen schriftlichen Urteilsgründen sind die tatsächlichen Voraus-setzungen für eine solche Härte indessen nicht zu entnehmen. Der Arbeitgeber des Betroffenen hat hiernach nur angekündigt, das Arbeitsverhältnis mit dem Betroffenen für den Fall des Führerscheinentzuges zu beenden. Vorliegend geht es indessen nur um ein zweimonatiges Fahrverbot, nicht um den Entzug der Fahrerlaubnis. Den Urteilsgründen ist auch nicht zu entnehmen, warum es dem Betroffenen nicht möglich sein soll, das Fahrverbot unter Inanspruchnahme seines jährlichen Urlaubsanspruches zu überbrücken, denn zu dessen Höhe verhalten sich die Urteilsgründe nicht. Ebenso bleibt unerörtert, ob der Betroffene über seinen Urlaubsanspruch hinaus Mehrarbeit durch Freizeit ausgleichen und ggf. auch unbezahlten Urlaub nehmen könnte. Denn es ist einem Betroffenen zuzumuten, durch – gegebenenfalls unbezahlten – Urlaub die Zeit eines Fahrverbots zu überbrücken und für die finanziellen Belastungen notfalls einen Kredit aufzunehmen (vgl. KG, Beschluss vom 5. November 2014 – 3 Ws (B) 528/14 – 122 Ss 150/14 -). An das Vorliegen einer den Wegfall des Regelfahrverbotes rechtfertigenden Härte ganz außergewöhnlicher Art ist nach der Einführung des § 25 Abs. 2a StVG mit der Möglichkeit, den Beginn der Wirksamkeit des Verbotes innerhalb eines Zeitraums von vier Monaten selbst zu bestimmen, zudem ein noch strengerer Maßstab als in der Vergangenheit anzulegen (vgl. KG, Beschluss vom 23. Dezember 2008 – 3 Ws (B) 478/08 – 2 Ss 320/08 -).“
Der Betroffene hat großes Glück, dass das Amtsgericht trotz 112 km/h innerorts (!) und einer Überschreitung um fast 90% von einer Fahrlässigkeitstat ausgegangen ist. Ein Hinweis auf eine mögliche Vorsatzverurteilung hätte der Einspruchsbeschränkung entgegen gestanden. M.E. wäre hier auch noch zu erörtern gewesen, ob es nicht selbst bei einer wirtschaftlichen Existenzgefährdung gleichwohl der Verhängung eines Fahrverbots bedurft hätte.
Moooment…
Im Originaltext steht:
„Mit Bußgeldbescheid vom 22. Dezember 2016 hat der Polizeipräsident in Berlin gegen den Betroffenen wegen einer am 7. November 2016 um 20:19 Uhr in 13503 Berlin beim Befahren der Bundesautobahn 111 (Fahrtrichtung Nord zwischen Anschlussstelle S und L) begangenen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften von dort 60 km/h um 52 km/h eine Geldbuße von 280,00 Euro sowie ein Fahrverbot von zwei Monaten verhängt.“
Bin jetzt etwas irritiert über die Wertung „Innerhalb geschlossener Ortschaften“ beim Befahren einer Autobahn…
@Briag: Das mit der Beschränkung macht das OLG FFM. M.E. Aber falsch. Ergibt sich auch nicht aus dem OWiG.
M.E. gibt es gute Argumente für beide Seiten. Mir ist aber auch keine vom OLG Frankfurt abweichende Entscheidung bekannt. Wahrscheinlich wird das einer der Fallgruppen werden, die niemals dem BGH vorgelegt werden.
Ich meine , OLG Oldenburg. Suche ich zu Hause raus.