Der BGH, Beschl. v. 30.11.2017 – 5 Str 455/17 – befasst sich mit einer Frage, die in der Praxis immer wieder eine Rolle spielt. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde. Das LG hatte die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Dagegen das Rechtsmittel des Beschuldigten, das der am 04.07.2017 in russischer Sprache gefertigt hatte und das am 07.07.2017 beim LG einging. Eine richterlich angeordnete Übersetzung des Schreibens ging am 26.07.2017 beim LG ein. Aus der Übersetzung ergab sich die Forderung des Beschuldigten, die Sache an das „Oberste Gericht“ zu übergeben und die Unterbringung zu widerrufen. Der BGH hat das Rechtsmittel als unzulässig, weil verspätet, angesehen:
Das Schreiben des Beschuldigten, das als die Einlegung eines Rechtsmittels angesehen werden kann, ist erst mit dem Eingang der Übersetzung für das Verfahren beachtlich geworden, da gemäß § 184 GVG die Gerichtssprache deutsch ist (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Mai 2000 – 4 StR 110/00, NStZ 2000, 553). Die Wochenfrist des § 341 StPO ist damit nicht eingehalten.
Eine von Amts wegen zu gewährende Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt nicht in Betracht. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt:
„Der Beschuldigte war nicht ohne Verschulden gehindert, die versäumte Frist einzuhalten. Der Beschuldigte wurde – unter Hinzuziehung eines Dolmetschers (vgl. BGH, Urteil vom 16. Septem-ber 1980 – 1 StR 468/80, GA 1981, 262, 263) – über die zulässigen Rechtsmittel und die dafür vorgeschriebenen Formen und Fristen belehrt. Ihm wurde auch eine schriftliche Rechtsmittelbe-lehrung ausgehändigt.
Ihm stand überdies ein Pflichtverteidiger, den er mit der fristgemäßen Einlegung der Revision hätte beauftragen können, zur Seite (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 1984 – 4 StR 715/84, DAR 1985, 199).
Letztlich rechtfertigt auch der festgestellte psychische Zustand des Beschuldigten keine andere Entscheidung. Er ist nicht völlig desorientiert, seine ‚Einsichtsfähigkeit‘ ist nicht beeinträchtigt.“
Dem folgt der Senat und bemerkt ergänzend: Der Europäische Gerichtshof hat den Grundsatz eingeschränkt, dass schriftliche Eingaben in fremder Sprache unbeachtlich sind (EuGH, NJW 2016, 303, 304 f. Rn. 43 mit Anm. Böhm; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 184 GVG Rn. 2a). Danach kommt es für die Frage, ob ein fremdsprachig abgefasstes Schreiben von Amts wegen zu übersetzen und zu beachten ist, gemäß Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2010/64/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 über das Recht auf Dolmetscherleistungen und Übersetzun-gen in Strafverfahren (ABl. Nr. L 280, S. 1) darauf an, ob es sich um ein für das Verfahren wesentliches Dokument handelt. Diese Entscheidung betrifft indes nur den nichtverteidigten Beschuldigten (BGH, Beschluss vom 9. Februar 2017 – StB 2/17, NStZ 2017, 601, 602; vgl. zur besonderen Stellung nichtverteidigter Beschuldigter auch schon BVerfG [Kammer], NVwZ-RR 1996, 120, 121 mwN).