Strafzumessung I: Sexueller Missbrauch und geschaffenes „Klima sexueller Übergriffigkeit“

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In meinem Blogordner hängt einiges an Strafzumessungsentscheidungen. Daher heute mal wieder ein Strafzumessungstag, und zwar mit BGH-Entscheidungen zu der Problematik.

Ich eröffne mit dem BGH, Urt. v. 26.04.2017 – 2 StR 580/16, auf das ich ja schon mal hingewiesen hatte (Sex II: Mit einer Hand kurz unter den BH, oder: Sexuelle Handlung). Das LG hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung sowie wegen exhibitionistischer Handlungen in 22 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Im Rahmen der Strafzumessung hat das LG hinsichtlich aller dem Angeklagten zur Last gelegten Taten unter anderem straferschwerend berücksichtigt, dass dieser eine Vielzahl von Taten über einen langen Zeitraum hinweg begangen und hierdurch ein Klima „sexueller Übergriffigkeit“ geschaffen habe, in dem sich die Nebenklägerin zunehmend unwohl gefühlt habe.

Dazu der BGH:

„Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht im Rahmen der Erörterung der straferschwerenden Gesichtspunkte keine tatbezogene individuelle Strafzumessung vorgenommen, sondern betreffend aller Taten zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass er eine Vielzahl von Taten über einen langen Zeitraum hinweg begangen und hierdurch ein Klima sexueller Übergriffigkeit geschaffen habe, in dem sich die Nebenklägerin zunehmend unwohl gefühlt habe. Aus den bisherigen Feststellungen ergibt sich nicht, dass das durch das Landgericht bemühte „Klima sexueller Übergriffigkeit“ bereits bei Begehung der ersten Tat vorgelegen hat. Die Strafkammer geht vielmehr davon aus, dass der Angeklagte dieses erst durch sein Verhalten im Laufe der Zeit geschaffen hat. Ist das Klima sexueller Übergriffigkeit Folge aller oder einiger Taten, so kann dieses dem Angeklagten nur im Rahmen der Gesamtstrafenbildung oder nur in diesen Fällen, für die es festgestellt wurde, angelastet werden (vgl. Senat, Urteil vom 9. Juli 2014 – 2 StR 574/13, NStZ 2014, 701; Beschluss vom 12. April 2016 – 2 StR 483/15).

Auch dass die Taten sich über einen langen Zeitraum erstreckten, durfte nicht bei der Zumessung der Einzelstrafen zu Ungunsten des Angeklagten berücksichtigt werden. Dass einer ersten oder zweiten Tat weitere nachgefolgt sind, ist regelmäßig für deren Unrechtsgehalt ohne strafzumessungsrelevante Bedeutung. Dies mag anders sein, wenn von vornherein eine Mehrzahl von Taten geplant ist und darin die nach § 46 Abs. 2 StGB berücksichtigungsfähige „rechtsfeindliche Gesinnung“ des Täters zum Ausdruck kommt (Senat, Be-schluss vom 12. April 2016 – 2 StR 483/15, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatum-stände 23, mwN; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 46 Rn. 34a). Entsprechende Fest-stellungen hat das Landgericht jedoch nicht getroffen.

Dies führt zur Aufhebung aller Einzelstrafen und bedingt den Wegfall des Gesamtstrafenausspruchs……“