Und als dritte OWi-Entscheidung weise ich dann hin auf den KG, Beschl. v. 03.05.2017 – 3 Ws (B) 102/17 – betreffend das Absehen vom Fahrverbot aus beruflichen Gründen. Das AG hatte nach einer Geschwindigkeitsüberschreitung von der Verhängung eines Fahrverbotes „abgesehen, weil es den Betroffenen, der bei einem großen Berliner Bäckereibetrieb beschäftigt ist, außergewöhnlich hart träfe. Der Betroffene arbeite in „vorgegebenen wechselnden Dienstschichten, die seine Anreise vor 5.30 Uhr, vor 13.30 Uhr bzw. vor 21.30 Uhr“ erforderten. Jedenfalls für die Frühschicht habe der Betroffene „keine alternative Anreisemöglichkeit“, und auch für die anderen Schichten sei es ihm nicht zuzumuten, anders als mit dem Auto zur Dienststelle zu fahren: Dies würde „zwei bis zweieinhalb Stunden pro Wegstrecke, mithin ca. fünf Stunden pro Tag in Anspruch nehmen“. Eine Mitnahmemöglichkeit durch Kollegen bestehe nicht, und auch Urlaub könne er „in den nächsten Monaten nicht nehmen“. Der Betroffene habe einen befristeten Arbeitsvertrag und müsse mit seiner Kündigung rechnen, wenn er „nicht mehr in der Lage wäre, pünktlich an seiner Arbeitsstelle zu erscheinen“ (UA S. 3).“ Dagegen das Rechtsmittel der StA. Das hat beim KG Erfolg. Das KG moniert u.a. nicht ausreichende Feststellungen des AG zu den „beruflichen Gründen“:
„Die Feststellungen ermöglichen es dem Senat nicht, die tatrichterliche Bewertung nachzuvollziehen, das Fahrverbot treffe den Betroffenen außergewöhnlich hart.
Das Urteil teilt schon nicht mit, wo sich die Arbeitsstelle des Betroffenen befindet, so dass der Senat die tatrichterliche Bewertung, der in Berlin wohnende Betroffene benötige für seine in Berlin gelegene Arbeitsstätte ohne Auto Wegezeiten von „ca. fünf Stunden pro Tag“, nicht auf seine Richtigkeit überprüfen kann. Auf die Mitteilung kann hier auch nicht verzichtet werden, denn die Richtigkeit dieser Einschätzung drängt sich keinesfalls auf. Auch die tatrichterliche Feststellung, der Betroffene könne „in den nächsten Monaten“ keinen Urlaub nehmen, lässt die mit verlängerten Wegezeiten verbundene Härte nicht als außergewöhnlich erscheinen. Diese unklare Formulierung lässt schon nicht erkennen, dass es dem Betroffenen nicht möglich sein soll, vier Monate nach Rechtskraft des Urteils Urlaub zu nehmen und das Fahrverbot anzutreten. Unklar bleibt auch, ob sich die Urlaubsbeschränkung aus betrieblichen, rechtlichen, persönlichen oder sonstigen Umständen ergibt, so dass der Senat nicht nachvollziehen kann, ob sie berechtigterweise zur Grundlage der Rechtsfolgenbemessung gemacht wurde. Schließlich kann der Senat auch nicht erkennen, dass die Behauptung des Betroffenen, er könne „in den nächsten Monaten“ keinen Urlaub nehmen, durch den Tatrichter kritisch hinterfragt oder gar überprüft worden sein könnte.“
Tja: „Außergewöhnlich hart“ ……
Ich frage mich wann man denn überhaupt mal ein Absehen vom Fahrverbot annehmen will wenn nicht hier?? Die Rechtsbeschwerde der StA ist im Grunde genommen schon ein Wahnsinn-kann man nicht mal die Kirche im Dorf lassen? Zumal der Staat ja auch eine höhere Geldbuße bekommt!
@ Maste: Es geht wohl weniger darum, dass die hier vorgetragenen Gründe keine außergewöhnliche Härte begründen würden (das würden sie m.E. sehr wohl, wenn sie denn zuträfen), sondern dass die Wischiwaschiformulierung nicht erkennen lässt, dass der Richter die Angaben des Betroffenen hinterfragt hätte. Wenn der Betroffene behauptet, dass der mit öffentlichen VKM nicht bzw. nicht unter Wegzeiten von 5 Stunden zur Arbeit kommt, dann muss der Richter zumindest mal nachfragen, wo denn die Arbeitsstätte ist und mal schnell eine Fahrplananfrage über bahn.de machen und in die HV einführen. Auch zu der Frage, warum der Betroffene keinen Urlaub nehmen kann (innerhalb von 4 Monaten), müsste zumindest der Grund näher mitgeteilt werden, ggf. eine Bestätigung des Arbeitgebers verlangt werden.
Ich habe vor einiger Zeit mal einen Härtefall durchbekommen, wo der Betroffene aus betrieblichen Gründen für den Rest des Jahres nicht länger als 2 Wochen am Stück Urlaub bekam (leitende technische Funktion, Vertretung nicht organisierbar), da hat das Gericht den Arbeitgeber sogar noch vorgeladen und als Zeugen vernommen.