Ja, sie haben es getan.
Wer ist „sie“? Nun, kann man sich aussauchen? Die Bundesregierung mit dem allseits beliebten BMJV Heiko Maas, die Angeordneten der Regierungskoalition oder der Rechtsausschus, je nachdem, wie man es will. Ich habe mich für Heiko Maas entschieden.
Und was haben Sie getan? Nun, wie nicht anders zu erwarten, hat man am Ende der Legislaturperiode dann u.a. noch das „Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs, des Jugendgerichtsgesetzes,der Strafprozessordnung und weiterer Gesetz“ (vgl. BT-Drs. 18/11272) beschlossen.
Ja, das ist das Gesetzesvorhaben mit der Änderung des § 44 StGB, also des Fahrverbotes für alle oder besser: Fahrverbot auch für Straftaten ohne verkehrsrechtlichen Bezug. Gegen diese Maßnahme hatten sich – so weit ist das sehe – alle Stimmen in Schrifttum und Lehre ausgesprochen. Aber wenn interessiert das schon in Berlin. „Mia san mia“ und wir wissen es eben besser ( vgl. dazu auch„Reformen“ als Beschäftigungsprogramm für Verteidiger, oder: Er hat es getan).
In der Beschlussvorlage des Rechtsausschusses heißt es u.a.:
„Die Verhängung des Fahrverbots zur effektiveren Einwirkung auf den allein durch eine Geldstrafe nicht hinreichend erreichbaren Täter ist insbesondere in Fällen des § 47 StGB denkbar, da eine Freiheitsstrafe hiernach nurdann verhängt werden kann, wenn dies zur Einwirkung auf den Täter unerlässlich ist. An den Begriff der Unerlässlichkeit sind nämlich höhere Anforderungen zu stellen als an ein „Gebotensein“ im Sinne von § 56 Absatz StGB oder auch an ein bloßes „Erforderlichsein“ (MüKo/Maier, StGB, 3. Auflage 2016, § Rn. 30). Hierdurch kann eine Art „Sanktionslücke“ dann entstehen, wenn eine Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter zwarerforderlich, aber gerade noch nicht unerlässlich ist (vgl. zur Problematik bereits Drucksache 18/11272, a. a.O.).Diese „Lücke“ kann mit der Verhängung eines Fahrverbots geschlossen werden, das kombiniert mit der –im Interesse einer insgesamt schuldangemessenen Bestrafung abgesenkten – Geldstrafe als Hauptstrafe eine zusätzliche Einwirkungsmöglichkeit schafft.“
Schade, da ist die Pädagogik weiter als der Justizminister; dort weiß man, dass die Strafen immer in einem nachvollziehbaren Zusammenhang mit dem Stein des Anstoßes stehen müssen, damit sie einen präventiven Lerneffekt haben. Das „Vergehen“ bzw. die Verfehlung soll in einem logischen und zeitlichen Zusammenhang mit der Strafe stehen. Diesen Zusammenhang löst Herr Maas nun auf.
Sehr gerne, das betrifft mich ja nicht. In Gegenteil, davon kann man sogar profitieren (es ist ja statt einer Geldstrafe).
Ich habe zwar Füherschein und Auto, aber auch ein Monat Fahrverbot würde mich nicht sehr jucken.
Selbstständige auch weniger als angestellte Drohnen, und Reiche nehmen sich für den Mindestlohn von 8,x Euro die Stunde vorübergehend einen Fahrer…
Wenn Ich also kein Geld zahlen muss, und statt dessen ein Fahrverbot bekäme, würde Ich davon noch profitieren. Abgesehen von wenigen Terminen (die Ich aber auch selbst wähle, und vergl. selten über das Jahr) kann Ich mir die restlichen Termine frei wählen.
Vor Gericht kann man dann ja noch Angst vor einem Fahrverbot und den Folgen Schauspielern, nicht erwähnen dass es einem egal wäre…
Und in der Zeit des Fahrverbot kann Ich das Auto ja wie auch sonst bei Anfragen über Drivy und TaMayCa verleihen. Wenn Verleih von 4 Wochen und Fahrverbot von 4 WOchen gerade zusammenfiele bekäme Ich noch hunderte Euro Geld. Evtl. sogar 500, 600, 700… Euro, habe noch nie ein Angebot für 4 Wochen bekommen…
Der Verweis auf 47 StGB ist natürlich Unfug. Die entsprechenden Kandidaten verfügen nur im Ausnahmefall über eine Fahrerlaubnis.
Aber ich könnte mir vorstellen, dass die Vorschrift bei der Frage, ob noch eine bewährungsfähige FS von 2 Jahren verhängt werden kann, gelegentlich ausschlaggebend sein wird. Und Vermeidung von Freiheitsstrafe ist doch etwas positives.
FS auf 2 Jahre mit Bew. nur wegen Entzug der FE? Glaube ich nicht. Regelmäßig ist so oder so eine Sozialprognose fällig, und die fällt ohne FE häufig schon deshalb negativ aus, da ein Job nur MIT FE angetreten werden kann. Mich gruselt bereits jetzt vor den Entscheidungen, wo schlicht behauptet wird, dass der Entzug der FE ‚erforderlich‘ zur Einwirkung auf den Verurteilten sei.
Ich bin ja gespannt, wie sich das entwickelt!
Ohne jetzt ein Ohr in diversen rechtspolitischen Diskussionen zu haben würde ich hier ad hoc aus dem Stand vortragen wollen, dass eine solche Sanktion geeignet ist, ganze Familien in´s Unglück zu stürzen. Wenn dem Ernährer die Fahrerlaubnis entzogen wird oder ein Fahrverbot ausgesprochen wird führt dieses meist zwangsläufig zum Verlust des Arbeitsplatzes (sofern vorhanden) bzw. behindert massiv bei der Findung eines solchen. Nicht überall ist es mit dem Nahverkehr so gut bestellt wie in Berlin.
Man sollte eine solche Sanktion also nur mit viel Augenmaß anwenden!
Sehe ich ganz ähnlich. Fahrverbot kann den Job kosten (und daher auch den offenen Vollzug), aber Freiheitsstrafe muss (bei offenem Vollzug und der sollte in aller Regel vorliegen in Fällen, in denen die Freiheitsstrafe und Fahrverbot eine Alternative sein soll) nicht den Jobverlust bedeuten. Augenmaß, das hier gefordert wäre, ist leider nicht nur eine Fähigkeit, sondern auch eine Tätigkeit — eine unglückliche Kombination für die geplagte Justiz.
O tempora, o mores! Was dem Politiker in den Kram passt, sollte in jede Schublade Platz nehmen.
Der politische Diskurs über Fahrtverbot sollte dann aber auch für Politiker gelten…, mit Sanktionsandrohung ihrer Bezüge…
„mit Sanktionsandrohung ihrer Bezüge…“ Gute Idee 🙂
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