„Reformen“ als Beschäftigungsprogramm für Verteidiger, oder: Er hat es getan

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Die Legislaturperiode neigt sich dem Ende zu. Das ist immer die Zeit, zu der dann noch mehr oder weniger sinnvolle Gesetzesvorhaben schnell in den Bundestag eingebracht und – in meinen Augen – durchgepeischt werden. Das geschieht m.E. in der Hoffnung, dass die juristische Öffentlichkeit nicht so genau hinschaut, wenn es schnell geht, und: Schwups ist das neue Gesetz/die Neuregelung da und keiner hat es so richtig gemerkt. Das Letzte gilt für zwei Gesetzesvorhaben, die jetzt noch im Bundestag abschließend beraten werden müssen und wohl auch noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden sollen, nicht ganz, da darüber schon viel diskutiert worden ist. Aber: Auch sie werden durchgepeitscht.

Das ist einmal die Reform (?) der StPO durch das „Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ (BT-Drs. 18/11277). Mir sträuben sich die Nackenhaare, wenn ich das lese – „effektiv“ und „praxistauglich“ bedeutet in meinen Augen nämlich meist das Drehen an Verfahrensschrauben, und zwar i.d.R. zu Lasten des Angeklagten. Und was dahintersteht sieht man, wenn man in die Gesetzesbegründung schaut. Es geht darum, angesichts der hohen Belastung der Strafgerichte „eine funktionstüchtige Strafrechtspflege zu gewährleisten, ohne die der Gerechtigkeit nicht zum Durchbruch verholfen werden kann“. Ziel soll die Entlastung der Gerichte und Staatsanwaltschaften bei Wahrung und teilweiser Stärkung der Rechte von Beschuldigten sein. Das sehe ich so nicht, denn letztlich macht man nur neue Felder auf, auf denen es Streit geben wird (zu dem Ganzen dann auch schon hier: StPO-Reform: Da ist der Regierungsentwurf, oder: Was man dann doch (lieber) geändert hat).

Das zweite Gesetzesvorhaben ist das „Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs, des Jugendgerichtsgesetzes,der Strafprozessordnung und weiterer Gesetz“ (vgl. BT-Drs. 18/11272). Der Entwurf enthält die in meinen Augen „unselige“ Änderung des § 81a Abs. 2 StPO durch den Wegfall des Richtervorbehalts für die Blutentnahme bei den Verkehrsdelikten und die Einführung des Fahrverbots (§ 44 StGB) als Nebenstrafe nicht nur bei Verkehrsdelikten. Beides m.E. unnötig wie ein Kropf, aber im ersten Fall sind es wohl die Länder, die es wollen – Stichwort: Personalknappheit – und im zweiten Fall der „Bundesheiko“, der sich an der Stelle offenbar ein (weiteres) Denkmal setzen will. Was bei diesem Teil des Entwurfes besonders ärgert und auffällt: Die Änderung wird durchgepeischt gegen die Stimmen der versammelten Literatur und des 55. VGT. Der Minister weiß es eben besser, oder: Er hat es getan. Und Streit um die Auslegung der Neuregelung ist vorprogrammiert, wenn man die Regelung der Zuständigkeiten sieht. Wer denn nun? Staatsanwalt vorrangig vor der Polizei oder gleichrangig. Die Länder schreien in ihrer Stellungnahme schon. Das hatten wir übrigens alles schon mal bei dem Gesetzesentwurf zu der Frage, der 2010 von Niedersachsen in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht worden ist. M.E. ein „Putsch im Strafverfahren“ 🙂

In meinen Augen ist zumindest das zweite Vorhaben ein Arbeitsbeschaffungsprogramm/Beschäftigungsprogramm für Verteidiger. Denn, wenn nun alle Angeklagten ggf. mit einem Fahrverbot nach § 44 StGB rechnen müssen, dann wird der Kampf in den Hauptverhandlungen zunehmen und auch die Zahl der Rechtsmittel. So viel also zur Entlastung der Justiz. Oder: Mit der einen Hand gegeben – siehe BT-Drs. 18/11277 -, mit der anderen Hand genommen BT-Drs. 18/11272. Dazu passt dann, dass sich schon die ersten Verteidiger in offenen Briefen bei der Politik bedanken (siehe hier der Kollege Lanz „Das Fahrverbot als allgemeine Nebenstrafe – Ein „Dankschreiben“ an die Bundesregierung„.

Beide Gesetzesvorgaben standen übrigens gestern schon auf der Agenda des Bundestages für die 1. Lesung, und zwar zu später Stunde. Ob tatsächlich gelesen worden ist? Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich nicht, denn es sollte gegen 00.00 Uhr gelesen werden. Nun ja, was man im Bundestag so lesen/beraten nennt. Wahrscheinlich hat man die Reden wieder als Anlage zu Protokoll gegeben, wie man das ja gerne tut. Ist aber auch nicht schlimm. Denn viel Vernünftiges wird man zu den beiden Vorhaben kaum sagen können.

Es bleibt nur die Hoffnung, dass der Rechtsausschuss vielleicht noch etwas richtet. Groß ist die Hoffnung aber nicht.

Ein Gedanke zu „„Reformen“ als Beschäftigungsprogramm für Verteidiger, oder: Er hat es getan

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