Nach dem Posting zum AG Mettmann, Beschl. v. 25.01.2017 – 32 OWI 174/16 (vgl. dazu: (Keine) Verjährungsunterbrechung, oder: Bloß keine Vollmacht vorlegen) eine weitere Entscheidung mit einer Vollmachtsproblematik, und zwar der OLG Hamm, Beschl. v. 24.11.2016 – 5 RVs 82/16 und 5 Ws 360/16. Er behandelt noch einmal die Frage der Vertretung des Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung und/oder die der Anforderungen an die schriftliche Verteidigervollmacht bei Nichterscheinen des Angeklagten.
Es geht in dem Beschluss um die Verwerfung der Berufung des Angeklagten nach § 329 Abs. 1 StPO. Der Angeklagte hatte dagegen u.a. Revision eingelegt – den Wiedereinsetzungsantrag lassen wir mal außen vor – und mit der Verfahrensrüge geltend gemacht, dass § 329 StPO verletzt worden sei. Das hatte beim OLG keinen Erfolg:
„Mit der Revision wird zwar eine Verletzung des § 329 Abs. 1 StPO gerügt und insoweit beanstandet, dass der abwesende Angeklagte durch einen mit schriftlicher Vertretungsvollmacht ausgestatteten und vertretungsbereiten Verteidiger vertreten gewesen sei. Jedoch ist die Rüge insoweit nicht in der von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO geforderten Form ausgeführt und daher unzulässig (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 21.11.2013 – III – 5 RVs 95/13 – m.w.N.). Danach muss eine Verfahrensrüge so ausgeführt werden, dass das Revisionsgericht allein aufgrund der Revisionsrechtfertigungsschrift prüfen kann, ob der geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen zutreffen. Da sich die Rüge dagegen richtet, das Berufungsgericht habe die Berufung des Angeklagten verworfen, obwohl ein Verteidiger mit schriftlicher Vertretungsvollmacht in der Berufungsverhandlung erschienen sei, hätte es des Vortrages bedurft, dass eine solche schriftliche Vollmacht für den Verteidiger in der vorliegenden Strafsache erteilt worden sei. Dies ist nicht der Fall. Der Angeklagte trägt in der Revisionsbegründung lediglich vor, dass sein Verteidiger in der Berufungsverhandlung die schriftliche Vollmacht zu den Akten gereicht habe. Nach dem Vortrag des Angeklagten lautet der Wortlaut der Vollmacht auszugweise: „… wird hiermit in der Strafsache gegen L Prozessvollmacht erteilt …“ (Bl. 210 d. A.). Damit wird zwar deutlich, dass sich die Vollmacht auf eine bestimmte Angelegenheit beziehen soll, offen bleibt aber bereits, auf welche Strafsache, so dass die Rüge nicht in der gebotenen Form ausgeführt und daher unzulässig ist.“
Tja, das war es dann – das Wiedereinsetzungsgesuch hatte nämlich auch keinen Erfolg. Allerdings weiß ich nicht so recht, wie ich mit dem Beschluss umgehen soll. M.E. überspannt das OLG die Anforderungen, zumindest dann, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass noch weitere Starfsachen gegen den Beschuldigten laufen. Und was bitte schön möchte das OLG: Nur den Vortrag, dass die vorliegende/vorgelegte Vollmacht in der anhängigen Strafsache erteilt worden ist – das liegt m.E. durch die Bezugnahme auf den Auffindeort auf der Hand? Oder will man noch weitere Erläuterungen wie Aktenzeichen – war das bei Erteilung der Vollmacht denn überhaupt shcon bekannt? – oder den Verfahrensgegenstand?
Meines Erachtens ist ein derartiger Umgang mit § 344 I 2 StPO an der Grenze zur Rechtsbeugung und jenseits der Grenze zur Willkür.
Demnächst kommt, daß die Revision nicht mitgeteilt hat, daß der Verteidiger auch wirklich den Angeklagten Max Mustermann, nämlich ausgewiesen durch Geburtsurkunde seiner Eltern Erika und Hans Mustermann, Personalausweisnummer xx, geboren dann und dort, Steuer-ID xyz, verteidigte und nicht möglicherweise einen anderen Max Mustermann, so daß die Rüge leider unzulässig erhoben worden ist….
Ich bedauere den oder die Kollegen(in), der seinem Mandanten das erklären muß, denn nach den Ausführungen von GenStA oder Revisionsgericht muß der Mandant ja immer davon ausgehen, sein Verteidiger hätte das nicht richtig gemacht und hätte es besser machen können. Denn m.E. ist kein Mensch in der Lage, derartige Boshaftigkeiten, die sich findige Staatsanwälte ausdenken, um Revisionen oder Rechtsbeschwerden den Boden zu entziehen, zu antizipieren.
Natürlich gehört zum Revisionsschreiben auch vertieftes Wissen von § 344 I 2 StPO und seinen bekannten Auswüchsen. Aber meines Erachtens wird mittlerweile vielfach mehr als „nur“ überspannt.
Bitte nicht mit mir schimpfen 🙂
Nicht doch, an Ihnen wird´s nicht gelegen haben, Sie haben ja ein gutes Alibi für Entscheidungen des OLG Hamm aus 2016… 🙂 Aber vielleicht sollten Sie mal Ihren Nachfolgern etwas ins Gewissen reden, irgendwann hört´s wirlich auf.
Ich glaube nicht, dass das helfen würde….. 🙂
Spannend jedenfalls, dass es im Falle einer vorgelegten Vollmacht, die auf eine zu große Anzahl von Verteidigern lautet, konkludent möglich sein soll, diese durch bloße Teilnahme an der Hauptverhandlung oder Abgabe von Erklärungen zu konkretisieren, dies aber nicht hinsichtlich des Gegenstandes der Vollmacht funktionieren soll. Leuchtet mir nicht ganz ein.
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