Ich habe gerade erst über das AG Stralsund, Urt. v. 07.11.2016 – 324 OWi 554/16 – berichtet (vgl. Mal wieder TraffiStar S 350, oder: „Du bist nicht mehr standardisiert“), da werde ich auf den etwa zeitgleich ergangenen OLG Schleswig, Beschl. v. 11.11.2016 – 2 SsOWi 161/16 (89/16) – aufmerksam gemacht, den ich dann heute hier gleich vorstelle. Auch er hat eine Messung mit Traffistar S 350 zum Gegenstand. Das OLG hebt wegen nicht ausreichender Feststellungen auf. Es geht in der Entscheidung dann aber den Weg, den auch schon andere OLG gegangen sind, nämlich: Zulassung durch die PTB ist ein antizipiertes Sachverständigengutachten (vgl. dazu z.B. hier:OLG Bamberg: Mit „Klauen und Zähnen“ für Riegl FG21-P, oder: Die PTB als „antizipierter Sachverständiger“). Aber es vermisst ausreichende Feststellungen des AG:
„Zwar stellt das Urteil fest, dass das Gerät Jenoptik Robot Traffistar S 350 durch den Landesbetrieb Mess- und Eichwesen NRW am 28. August 2015 mit Gültigkeit bis Ende 2016 geeicht worden ist (UA S. 3), dass die Inbetriebnahme der Messanlage entsprechend den Richtlinien des Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Braunschweig (PTB) sowie entsprechend der derzeit gültigen Gebrauchsanweisung des Herstellers durch geschultes Bedienpersonal erfolgte (UA S. 4) und, dass bei einer gemessenen Geschwindigkeit von 129 km/h ein Toleranzabzug von 4 km/h vorgenommen wurde (UA S. 3).
Allerdings wird weder mitgeteilt, mit welchem Messverfahren die Geschwindigkeitsüberschreitung festgestellt worden ist, noch lässt sich dem Urteil entnehmen, ob der Amtsrichter angenommen hat, es handele sich dabei um ein standardisierten Messverfahren im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHSt. 39,291 ff).
Insbesondere wird weder aus den Urteilsgründen selbst noch den weiteren in Bezug genommenen Unterlagen deutlich, ob der Amtsrichter angenommen hat, Gerät und Messverfahren seien von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) zugelassen, wofür einiges spricht (vgl. den Internetauftritt der PTB https://www.ptb.de/cms/ptb/fachabteilungen/abt1/fb-13/ag-131/geschwindigkeitsueberwachungsgeraete.html Stichpunkt Laserscanner).
Ist dies der Fall, dann hat die PTB mit der Zulassung im Wege eines Behördengutachtens (antizipiertes Sachverständigengutachten) zugleich erklärt, dass bei dem zugelassenen Gerät ein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren vorliegt, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind (sog. „standardisierte Messverfahren“; ständige Rspr. der Obergerichte vgl. OLG Düsseldorf Beschluss vom 14.07.2014 – IV-1 RBs 50/14, 1 RBs 50/14 m.w.N.). Die Zulassung erfolgt dabei nur, wenn das Messgerät die umfangreichen Testreihen erfolgreich durchlaufen hat, bei denen die PTB das Messgerät auch unter atypischen Verkehrsszenarien auf seine Störungsresistenz prüft. Die Art der Verwendung und der zulässige Verwendungsaufbau werden von der PTB bei der Zulassung vorgegeben (OLG Frankfurt, Beschluss vom 04. Dezember 2014 – 2 Ss-OWi 1041/14, 2 Ss OWi 1041/14 -, Abs. 15, 16, juris).
Ist ein Messgerät von der PTB zugelassen und ist das Messgerät im Rahmen der Zulassungsvorgaben verwendet worden, ist das Tatgericht grds. von weiteren technischen Prüfungen, insbesondere zur Funktionsweise des Messgeräts, enthoben. Die Zulassung durch die PTB ersetzt diese Prüfung. Damit soll erreicht werden, dass bei den Massenverfahren im Bußgeldbereich nicht jedes Amtsgericht bei jedem einzelnen Verfahren die technische Richtigkeit der Messung jeweils neu überprüfen muss. Ist die Messung im Rahmen der Zulassung erfolgt, – derzeit nach Maßgabe der PTB-Anforderungen (PTB-A) 18.11 vom Dezember 2013 -, kann ein Gericht daher grundsätzlich von der Richtigkeit der Messung ausgehen OLG Frankfurt aaO.).
Nur wenn im Einzelfall konkrete Tatsachen dem Gericht gegenüber vorgetragen werden, die geeignet sind, Zweifel an der Richtigkeit des zur Verhandlung stehenden konkreten Messergebnisses aufkommen lassen, kann das Tatgericht sich veranlasst sehen, diese Zweifel durch die Bestellung eines Sachverständigen nach §§ 73 ff StPO zu verifizieren, der dann die konkrete Messung zu überprüfen hat (OLG Frankfurt aaO, Abs. 18; Senat, Beschluss vom 10. Oktober 2014 – 2 SsOWi 162/14 (75/14) -, SchlHA 2015, 344; Senat, Beschluss vom 14. November 2013 – 2 SsOWi 145/13 (65/13)).“
Was man vermisst in dem Beschluss? Eine – ausdrückliche – Stellungnahme des OLG zu der Frage, ob nachdem es eine PTB-Zulassung nunmehr nicht mehr gibt, sondern nach § 6 Abs. 3 Satz 1 MessEG die Konformitätsbewertung/-erklärung maßgebend ist – was hier bei diesem Messverfahren der Fall ist – das Auswirkungen auf das standardisierte Messverfahren hat. Der 54. VGT hatte im Januar 2016 dazu übrigens empfohlen, bei Inverkehrbringen neuer oder veränderter Geschwindigkeitsmessgeräte die Rechtsprechung zum „standardisierten Messverfahren“ vorerst nicht anzuwenden.
Na ja, vielleicht äußert sich dann ja doch mal irgendwann der BGH dazu.
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