Entscheidungen zu Pauschgebühren sind in den letzten Jahren rar geworden. Das ist eine vom Gesetzgeber gewollte Folge der 2004 in das RVG neu aufgenommenen Gebührenvorschriften. Und es ist eine Folge des Begriffs der „Unzumutbarkeit“ in § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG. Und was Gerichte Verteidigern teilweise zumuten, das wissen wir alle. Und das zeigt m.E. auch mal wieder der OLG Stuttgart, Beschl. v. 18.03.2016 – 4 ARs 91/15, mit dem eine Pauschgebühr von 7.500 € – immerhin – in einem Verfahren bewilligt worden ist, in dem der Verteidiger sich kurzfristig in einer Staatsschutzsache in einen Aktenbestand von rund 50.000 Blatt hat einarbeiten müssen. Mehr als die 7.500 € gibt es aber nicht, das OLG will es offenbar nicht übertreiben:
„Unter Zugrundelegung der genannten Maßstäbe sind die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschgebühr nach § 51 RVG jedoch lediglich hinsichtlich des dem Antragstellers im ersten Rechtszug außerhalb der Hauptverhandlungstermine entstandenen besonderen Arbeits- und Zeitaufwands, insbesondere auch seiner Tätigkeiten, mit denen er die Hauptverhandlungstermine z. B. im Hinblick auf die Stellung von Anträgen wie z. B. Besetzungsrügen, Befangenheitsanträge, Anträge auf Aussetzung des Verfahrens, vorbereitet hat, nicht jedoch bezüglich seiner Tätigkeit in der Hauptverhandlung, erfüllt. Der große Aktenumfang sowie die relativ kurze Einarbeitungszeit in das komplexe Verfahren haben den Antragsteller zu Beginn seiner Tätigkeit überdurchschnittlich stark in Anspruch genommen. Dazu wurden im weiteren Verlauf des Verfahrens von der Staatsanwaltschaft neue Aktenbestandteile mit einem Umfang von ca. 25.000 Seiten nachgereicht, in die sich der Antragsteller ebenfalls einarbeiten musste. Da die Hauptverhandlung nach nur vier jeweils unter fünf Stunden dauernden Hauptverhandlungsterminen durch Beschluss der Staatsschutzkammer vom 2. Dezember 2010 ausgesetzt wurde, hielt sich diese überdurchschnittliche Inanspruchnahme des Antragstellers allerdings in zeitlichen Grenzen und es ist nicht ersichtlich, dass er deshalb gehindert war, andere Mandate anzunehmen und zu betreuen, zumal in der Folgezeit bis zur endgültigen Verfahrenseinstellung im August 2014 keine außergewöhnliche, den üblichen Rahmen anwaltlicher Beratung und Betreuung sprengende Tätigkeit des Antragstellers ersichtlich ist. Dasselbe gilt für die Verteidigertätigkeit in den vier Hauptverhandlungsterminen, die jeweils nur zwischen einer Stunde 33 Minuten und vier Stunden 56 Minuten dauerten. Warum für diese Tätigkeit in der Hauptverhandlung und im Rahmen deren konkreten Vorbereitung nicht einmal die „Wahlverteidigerhöchstgebühr“ ausreichend sein sollte und deshalb eine zusätzliche Vergütung hierfür in Höhe von 6.000 € sowie eine weitere Vergütung in Höhe von 2.000 € für Tätigkeiten, die nicht über die Termingebühren abgegolten werden, angemessen sein sollte, wird auch unter Berücksichtigung der vom Antragsteller in den vier Hauptverhandlungsterminen gestellten Anträge und prozessualen Aktivitäten, nicht ersichtlich.“
Gut, die Hauptverhandlungen waren nicht besonders lang. Aber 50.000 Blat Akten. Das hat der Verteidiger sich auch gedacht und Gegenvorstellung erhoben und darin auf die „500-Blatt-Rechtsprechung“ des OLG Düsseldorf verwiesen (vgl. u.a. den OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.06.2015 – III-3 AR 65/14 und dazu: Wie viel Seiten muss ein (Pflicht)Verteidiger für eine Grundgebühr lesen?). Gebracht hat es nichts, denn die macht das OLG Stuttgart, wie es dem Verteidiger dann im OLG Stuttgart, Beschl. v. 04.07.2016 – 4 ARs 91/15 – mitgeteilt hat, nicht mit:
„Auch soweit der Antragsteller eine deutlich höhere Pauschvergütung im Hinblick auf seine entfaltete anwaltliche Tätigkeit im Rahmen der Einarbeitung in die umfangreichen Akten beansprucht, ist die Indienstnahme des selbstständig tätigen Antragstellers als bestellter Verteidiger im Verfahren zu öffentlichen Zwecken durch die festgesetzte Pauschvergütung auf noch zumutbare Weise ausgeglichen.
Eine gleichsam mathematische Berechnung des Aufwands anhand eines sich aus einem aus der Anzahl der Blatt Ermittlungsakten ergebenden Faktors wie vom Oberlandesgericht Düsseldorf in Beschlüssen vom 23. Juni und 5. August 2015 praktiziert, entspricht weder der gefestigten langjährigen Rechtsprechung des Senats oder der anderen Senate des Oberlandesgerichts Stuttgart noch erscheint eine solche Vorgehensweise allgemein sachgerecht und im Regelfall für die Findung eines an sämtlichen Gesichtspunkten und am Gesamtgepräge eines konkreten Falles orientierten billigen und zumutbaren Ausgleichs für die entfaltete anwaltliche Tätigkeit nicht hinreichend geeignet.“
Man könnte zu beiden Beschlüssen noch eine Menge schreiben, aber dazu ist hier nicht der Platz. Mehr dazu daher im RVGreport.