Der zweite Beitrag zu BVerfG-Entscheidungen (zum ersten hier: Rechtsbeugung in Erfurt, oder: Wenn der OWi-Richter sauer ist….) betrifft mal wieder Verfahren mit einer Durchsuchungproblematik. In dem Bereich haben wir ja längere Zeit aus Karlsruhe nichts bzw. kaum etwas Neues gehört. Jetzt hat es aber vier Entscheidungen zur Durchsuchung in knapp 10 Tagen gegeben. Auf zwei dieser Entscheidungen hatte ich bereits hingewiesen. Das sind:
- BVerfG, Beschl. v. 14.07.2016 – 2 BvR 2474/14 – (dazu Fakten, Fakten, Fakten – alles muss in die Akten, oder: (Sonst) Rechtswidrige Durchsuchung),
- BVerfG, Beschl. v. 14.07.2016 – 2 BvR 2748/14, der eine Durchsuchungsmaßnahme im Bußgeldverfahren zum Gegenstand hatte (vgl. Durchsuchung im Bußgeldverfahren, oder: Klatsche aus Karlsruhe für den (zu) „wilden Süden).
Offen sind dann noch zwei weitere Entscheidungen aus dem zeitraum. und zwar:
- Der BVerfG, Beschl. v. 5. 07. 2016 – 2 BvR 1710/15. In ihm musste das BVerfG einen Durchsuchungsbeschluss als den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügend beanstanden, weil konkrete Angaben zu dem zugrundeliegenden Sachverhalt und zu der dem Beschuldigten vorgeworfenen Tat vollständig fehlten, obwohl sie nach dem Ergebnis der Ermittlungen ohne Weiteres möglich und den Zwecken der Strafverfolgung auch nicht abträglich gewesen wären. Das BVerfG weist zudem darauf hin, dass im Beschwerdeverfahren Mängel bei der Umschreibung des Tatvorwurfs und der zu suchenden Beweismittel nicht mehr heilbar sind.
- Im BVerfG, Beschl. v. 15.07. 2016 – 2 BvR 857/14 – ging es schließlich um die Frage der Verletzung des Anspruchs des Beschuldigten auf rechtliches Gehör im Beschwerdeverfahren. Das BVerfG hat dies bejaht, wenn dem Beschuldigten vor der Entscheidung über seine Beschwerde gegen einen Durchsuchungsbeschluss die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft nicht zur Kenntnis gegeben worden ist. Dies gelte unabhängig davon, ob die Stellungnahme im konkreten Fall Einfluss auf das Entscheidungsergebnis gewinnen konnte oder nicht. Der Gehörsverstoß wird nach Auffassung des BVerfG jedoch durch die Entscheidung über eine Anhörungsrüge des Beschuldigten geheilt, wenn das Beschwerdegericht dabei dessen weiteres Vorbringen berücksichtigt.
Innerhalb von 10 Tagen also vier Entscheidungen des BVerfG zur Durchsuchung. Das zeigt, dass bei dieser die Beschuldigten i.d.R. besonders belastenden Zwangsmaßnahme dann in der Praxis doch wohl einiges im Argen liegt.
„einiges im Argen“ ist aber extrem beschönigend …
Besonders erstaunlich ist 2 BvR 1710/15, dass Entscheidungen des BVerfG (oder eigentlich auch eines Rechtsmittelgerichts) über solche Fälle immer noch notwendig sind. Was hatten wir Ende der 90ger Jahre darüber gelacht, als „wegen einer Straftat“ ein Durchsuchungsbeschluss erfolgte und auch die aufzufindenden „Beweismittel“ über diesen Begriff hinaus nicht spezifiziert wurden. Trotz klarer langjähriger Rechtsprechungslage – wenn einem als Ermittlungsrichter/Staatsanwalt die grundlegenden hier wirkenden Rechtsprinzipien nicht aus dem Studium bekannt sein sollten – kommt es immer wieder zu solchen Kapriolen. Im Lichte dessen sind Forderungen um Richtervorbehalte Rechtsromantik, so lange der Richter nicht überprüfbar zu einer Lektüre und Prüfung der Akte und des Antrags gezwungen werden kann (sonderbar, wieso fällt mir jetzt der Eröffnungsbeschluss ein?).
und ganz aktuell zur notwendigen Eingrenzung des Tatzeitraums im Durchsuchungsbeschluss:
2 BvR 2551/12