Archiv für den Monat: Juni 2016

Car-Glass, oder: Ein Autoglaser macht ggf. doch Abgasuntersuchungen

entnommen wikimedia.org Urheber Jojo659

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Ich hatte neulich über das VG Berlin, Urt. v 21.04.2016 – 10 K 296/13 – berichtet, in dem es um die Frage ging, ob die Fa. Car-Glass nach einem Frontscheibenaustausch Schadstoffplaketten anbringen darf. Das VG Berlin hatte das verneint (vgl. Car-Glass, oder: Ein Autoglaser macht keine Abgasuntersuchungen). Inzwischen gibt es das VG Düsseldorf, Urt. v. 10.05.2016 – 3 K 6622/13, das die Geschichte wohl anders sieht und die Ausgabe nach Erfüllung bestimmter Vorgaben als zulässig ansieht. Dazu aus der PM des VG Düsseldorf v. 08.06.2016:

Die Carglass GmbH darf ihre Fahrzeugglas-Reparaturwerkstätten in Nordrhein-Westfalen mit dem Ausfüllen und Anbringen von Feinstaubplaketten beauftragen, sobald sie an ihrem Hauptsitz in Köln eine Abgasuntersuchungswerkstatt eingerichtet hat und diese anerkannt worden ist. Dies hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf mit den Beteiligten nunmehr zugestelltem Urteil vom 10. Mai 2016 entschieden und damit der Klage von Carglass gegen das Land NRW, vertreten durch das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz, stattgegeben.

Die Carglass GmbH ist ein bundesweit agierendes Unternehmen, das auf die Reparatur und den Austausch von Fahrzeugglas spezialisiert ist. Abgasuntersuchungen nimmt sie bislang nicht vor. 77 ihrer sogenannten Service-Center befinden sich in Nordrhein-Westfalen. Sie möchte den Austausch von Windschutzscheiben mit der Anbringung einer neuen Feinstaubplakette verbinden und zu diesem Zweck an ihrem Hauptsitz in Köln eine Abgasuntersuchungswerkstatt einrichten und diese als solche nach der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) anerkennen lassen. Die einzelnen Reparaturwerkstätten sollen sodann mit dem Abringen und Befestigen der Feinstaubplaketten beauftragt werden. Das beklagte Land hält dieses Modell für unvereinbar mit der 35. Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV) und der StVZO.

Dem hat sich das Gericht nicht angeschlossen. Zur Begründung ihres stattgebenden Urteils hat die Kammer ausgeführt: Nach der 35. BImSchV dürfe die Carglass GmbH in ganz NRW Feinstaubplaketten ausgeben, wenn sie an ihrem Hauptsitz eine Abgas-untersuchungswerkstatt habe einrichten und anerkennen lassen. Mit den einschlägigen Regelungen und insbesondere auch dem Umweltschutz sei es vereinbar, wenn lediglich die fachliche Prüfung in Gestalt der Zuordnung zur jeweiligen Schadstoffgruppe eines Kundenfahrzeugs in der Abgasuntersuchungswerkstatt vorgenommen werde. Nur für diesen Arbeitsschritt seien emissionsspezifische Fachkenntnisse erforderlich. Die weiteren Arbeitsschritte einschließlich des Ausfüllens der von der Abgasunter­suchungswerkstatt bestimmten Feinstaubplakette seien an fachunkundiges Personal auch außerhalb (im Sinne von örtlich entfernt) der Abgasuntersuchungswerkstatt delegierbar. Entscheidend sei, dass das Handeln der mit dem Ausfüllen beauftragten Personen der Carglass GmbH rechtlich zugerechnet werde. Dieser Anforderung sei dadurch Rechnung getragen, dass in den Servicecentern weisungsunterworfene Mitarbeiter der als GmbH ohne Verwendung eines Franchise-Modells agierenden Klägerin beauftragt würden.“

Berufung zum OVG Münster ist zugelassen. Man trifft sich dann sicher in Leipzig beim BVerwG.

Ich habe da mal eine Frage: Wiederaufnahmeantrag der StA in „Schmierzettelform“, welche Gebühren bei Rücknahme?

© AllebaziB - Fotolia

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Es ist schon etwas länger her, dass die nachfolgende Frage von einem Kollegen im gebührenrechtlichen Forum auf meiner Homepage Burhoff-Online gestellt worden ist. Sie war in der „RVG-Rätsel-Datei“ leider ganz nach unten gerutscht. Der Kollege hatte ein Problem mit den Gebühren im Wiederaufnahmeverfahren:

„Die StA reicht in „Schmierzettelform“ einen einseitigen Wiederaufnahmeantrag ein, da die Mandantin wegen des früher angeblich lügenden Ex-Ehemanns freigesprochen wurde, dieser nach der Trennung natürlich dann eine „Lebensbeichte“ ablegte und für seine Falschaussage verurteilt wurde. (Dies entspricht in etwa auch in Originallänge der Originalbegründung des „Wiederaufnahmeantrags“!)

Amtsgericht stellt den Schmierzettelantrag in Kopie zur „Kenntnis- und Stellungnahme“ zu, ohne über den Verfahrensstand, sprich Zulässigkeit/Begründetheit des Antrags nachzudenken oder sich darüber einzulassen.

Ich werde für die Mandantin mit unbeschränktem Verteidigungsauftrag tätig, das übliche Procedere mit Akteneinsicht, Stellungnahme, Antrag Wiederaufnahme abzulehnen und der Anregung an die StA, den Antrag wegen Sinnlosigkeit gleich selbst zurückzunehmen, wobei meine Begründung schon mal deutlich länger ausfällt, als der sogen. Wiederaufnahmeantrag der StA.

Die StA nimmt tatsächlich (endgültig, nicht etwa zur Nachbesserung) zurück und begründet die Rücknahme nun deutlich länger, als den ursprünglichen Antrag selbst.

Gericht stellt wieder mal die Kopie davon zu, keine Kostenentscheidung o.ä. (Amtsgericht, Strafrichter…).

Kostenentscheidungsantrag meinerseits bereits an das AG raus.

Bei einer erwarteten Kostenentscheidung zu Lasten Staatskasse stellt sich nun die Frage, welche Gebühren bei dieser Konstellation (gesetzlich) angefallen sind….“

 

Na bitte, geht doch: Grundsätzlich immer Mittelgebühr, oder: Nix Pauschale

© SZ-Designs - Fotolia.com

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Nach dem eher traurigen OLG Köln, Beschl. v. 03.05.2016 – 2 Ws 138/16 – zur Abrechnung des Zeugenbeistands (vgl. dazu Auch du mein Sohn Brutus, oder: Was andere falsch machen, machen wir auch falsch) zur Stimmungsaufhellung kurz vor dem Wochenende zwei schöne Entscheidungen des LG Chemnitz zur Abrechnung im straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren. Auf die eine hatte mich der Kollege Schillo aus Dreden hingewiesen und ich habe sie mir dann vom LG Chemnitz besorgt, die andere hatte der Kollege Suska aus Dresden erstritten und mir übersandt. Fazit: Im Bezirk des LG Chemnitz geht man jetzt auch in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren immer von der Mittelgebühr aus und schaut dann, ob ggf. Reduzierungen oder Erhöhungen erforderlich sind, so der LG Chemnitz, Beschl. v. 23.02.2016 – 2 Ws 159/15:

„Der Rechtsanwalt bestimmt hierbei im Einzelfall die Gebühr gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 RVG nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers. Zu beachten ist, dass die Rahmenmittelgebühr den durchschnittlichen Fall erfasst; so sieht es die Gesetzeslage vor. Ausgangspunkt der Bemessung der Gebühr für die Tätigkeit des Rechtsanwaltes ist daher auch in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren grundsätzlich die Mittelgebühr, wenn diese nicht im Einzelfall unbillig hoch ist. Anhand der Gesamtumstände und Besonderheiten des konkreten Einzelfalles ist in jedem Fall in einer Gesamtwürdigung die Gebühr innerhalb des Rahmens auf ihre Angemessenheit zu prüfen (vgl. LG Saarbrücken, 2 Qs 30/14, zitiert nach juris). Es ist daher ohne pauschale Reduzierungen und Festsetzungen mit der Hälfte der Mittelgebühr jeweils eine Einzelfallprüfung vorzunehmen. Die Kammer hat auch in ihren früheren Entscheidungen immer eine Einzelfallprüfung für jede einzelne Gebühr vorgenommen, wird jedoch aufgrund eines bei der Rechtsanwaltskammer Sachsen gemäß § 14 Abs. 2 RVG eingeholten Gutachtens der Rechtsanwaltskammer Sachsen zukünftig regelmäßig die Mittelgebühr zugrundelegen, sofern nicht Abweichungsgründe vorliegen:

Die in Teil 5 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG vorgesehenen Gebührenrahmen stellen den Rahmen für die Vergütung der Bearbeitung sämtlicher Bußgeldsachen dar. Dies sind neben Verkehrsordnungswidrigkeiten auch solche aus den Bereichen des Bau-, Gewerbe-, Umwelt- und Steuerrechts etc., die häufig mit Bußgeldern im oberen Bereich des Bußgeldrahmens bis 5.000 Euro geahndet werden und oft mit rechtlichen Schwierigkeiten und/oder umfangreicher Sachaufklärung verbunden sind (vgl. LG Hannover, RVGreport 2008, 182). Verkehrsordnungswidrigkeiten können im Einzelfall einen gleich hohen, einen höheren oder auch einen geringeren Aufwand als andere Ordnungswidrigkeiten verursachen. Soweit sie einfache Sach- und Rechtsfragen, relativ niedrige Geldbußen, selbst mit einem Fahrverbot und wenigen Punkten im Verkehrszentralregister, aufweisen, können (aber nicht – pauschal – müssen) sie in einer Einzelfallprüfung als unterdurchschnittlich anzusehen sein, wenn die Gesamtwürdigung mit weiteren Besonderheiten des Einzelfalles dies zuläßt.“

Also eine klare Absage an die pauschalen Reduzierungen, die von anderen LG teilweise gemacht werden. Und das LG hat Recht mit seiner Auffassung. Also, es geht doch…

Bei dem anderen – genau so schönen – Beschluss handelt es sich um den LG Chemnitz, Beschl. v. 09.06.2016 – 2 Qs 76/16.

Danke für den Hinweis und den Beschluss 🙂 .

Auch du mein Sohn Brutus, oder: Was andere falsch machen, machen wir auch falsch

Copyright: canstockphoto

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Auch du mein Sohn Brutus, oder: Nun hat also auch das OLG Köln im OLG Köln, Beschl. v. 03.05.2016 – 2 Ws 138/16 – seine bisherige zutreffende Ansicht, dass der Zeugenbeistand nach Teil Abschnitt 1 VV RVG abrechnet, aufgegeben und speist den Zeugenbeistand in Zukunft dann nur noch mit einer Gebühr für eine Einzeltätigkeit nach Nr. 4301 Ziff. 4  VV RVG ab. Dass das falsch ist, habe ich schon so oft ausgeführt, dass ich es nun nicht noch einmal wiederholen will. Es bringt nichts.

Und: Mich überzeugen die Gründe des OLG Köln nicht bzw. das OLG argumentiert sich bei der Begründung seiner Rechtsprechungsänderung – warum eigentlich? – „in einen Knüpp“. Denn einerseits betont es die „gesetzgeberische Intention“ bei Einführung der Regelung in Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG durch das RVG 2004. Andererseits sei diese Intention „indes im Gesetz nicht (vollständig) umgesetzt, da es in der amtlichen Vorbemerkung zu Teil 4 VV RVG in Ziffer 1 heißt, die Vorschriften des 4. Teils seien für die Tätigkeit als Beistand eines Zeugen „entsprechend“ anzuwenden.“ Ach so? Selbst wenn man daran Zweifel haben will, obwohl der Gesetzgeber doch gerade den Zeugenbeistand angemessen honorieren wollte, ist doch wohl spätestens durch den Regierungsentwurf zum 2. KostRMoG klar, was der Gesetzgeber wollte. Von daher passt der Hinweis auf die „gesetzgeberischen Aktivitäten“ nun mal gar nicht. Die sprechen eher dafür, die frühere richtige Auffassung beizubehalten und nicht hinter den anderen OLG, die es schon falsch gemacht haben, her zu ziehen. Und dass die Länder „diesen Vorschlag jedoch explizit abgelehnt und unter anderem ausgeführt [haben], es sei nicht sachgerecht, für den Zeugenbeistand die gleichen Gebühren anzusetzen wie für einen Verteidiger (BR-Drucksache 517/1/12 S. 94/95; vgl. auch OLG München a.a.O.).“ ist erst recht kein Argument. Die denken eh nur an die eigenen Kassen.

Man kann nur hoffen, dass der Bund diese Geschichte nun bald endlich klarstellt.

Wenn es im Auto laut wird, fährt man vorsätzlich zu schnell?

© psdesign1 - Fotolia

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Die Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Geschwinduiigkeitsüberschreitung ist tödlich für das Absehen vom Fahrverbot. Man muss also als Verteidiger versuchen, die Verurteilung wegen Vorsatzes zu vermeiden. Aber so einfach ist das nicht, vor allem nachdem die OLG zunehmend das Maß der Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit „relativ“ bestimmen und davon ausgehen, dass ab einer 40%-igen Überschreitung von Vorsatz auszugehen ist. So auch das OLG Hamm im OLG Hamm, Beschl. v. 10.05.2016 – 4 RBs 91/16, zwar nur in einem Zusatz, aber immerhin:

„Ergänzend zur Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft merkt der Senat an, dass die Verurteilung wegen vorsätzlichen Geschwindigkeitsverstoßes keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet. Bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung handelt vorsätzlich, wer die Geschwindigkeitsbeschränkung kannte und bewusst dagegen verstoßen hat. Der Grad der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit kann ein starkes Indiz für vorsätzliches Handeln sein, wobei es auf das Verhältnis zwischen der gefahrenen und der vorgeschriebenen Geschwindigkeit ankommt. Es ist von dem Erfahrungssatz auszugehen, dass einem Fahrzeugführer die erhebliche Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit aufgrund der Fahrgeräusche und der vorüberziehenden Umgebung jedenfalls dann nicht verborgen bleibt, wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit  um mehr als 40 % überschritten wird (KG Berlin, Beschl. v. 25.03. 2015 – 3 Ws (B) 19/15, 3 Ws (B) 19/15162 Ss 4/15 –, Rn. 5 – juris m.w.N.; vgl. auch: OLG Hamm NZV 2007, 263 und Krenberger jurisPR-VerkR 15/2015 Anm. 3). So verhält es sich hier. Dem Betroffenen war die innerörtliche Geschwindigkeit aufgrund der im angefochtenen Urteil festgestellten Beschilderung bekannt. Er überschritt die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h – ein anderes Fahrzeug überholend – sogar um deutlich mehr als 50%. Näherer Feststellungen zum Fahrzeugtyp bedarf es – entgegen der Rechtsbeschwerde – nicht, da eine derartige Geschwindigkeitsüberschreitung immer anhand der o.g. Merkmale erkennbar ist.2

Ob allerdings der Ansatz, „dass einem Fahrzeugführer die erhebliche Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit aufgrund der Fahrgeräusche und der vorüberziehenden Umgebung jedenfalls dann nicht verborgen bleibt, wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit  um mehr als 40 % überschritten wird“ zutrifft, wird man m.E. diskutieren können. Denn da dürfte es sicherlich auch auf den gefahrenen Pkw ankommen.