So häufig sind die Entscheidungen von OLG zur rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung im Bußgeldverfahren nicht. Daher ist dann eine Entscheidung eines OLG zu den insoweit anstehenden Fragen schon von Interesse. Und daher jetzt der Hinweis auf den OLG Rostock, Beschl. v. 27.01.2016 – 21 Ss OWi 2/16 (B). Da hatte die Akte nach einem „Verwerfungsurteil“ (§§ 73, 74 OWiG) ein Jahr lang beim AG geschlummert. Das hat dem Betroffenen aber nichts gebracht, und zwar:
- Keine Verjährung, da durch den Erlass des Urteils 1. Instanz – auch im Falle der Verwerfung des Einspruchs nach § 74 Abs. 2 OWiG die Verjährung bis zum Ablauf des Verfahrens gehemmt wird (§ 32 Abs. 2 OWiG).
- Keine Verfahrenseinstellung, da die Verletzung des Beschleunigungsgebots – nach der Rechtsprechung des BVerfG – grundsätzlich nicht zu einem Verfahrenshindernis führt, und zwar auch nicht ausnahmsweise, denn:
„Eine danach nötige außergewöhnliche, besonders schwer wiegende Verfahrensverzögerung, die die Betroffene in unverhältnismäßiger Weise belastet hätte und auf die nunmehr nur noch durch Verfahrenseinstellung reagiert werden könnte, vermag der Senat indes nicht anzunehmen. Auch wenn der Großteil der Verfahrenschritte von der zeitlichen Abfolge her nicht zu beanstanden ist, ist der Verteidigung aber zuzugestehen, dass die Sache in der Zeit von August 2014 bis August 2015, mithin 1 Jahr lang, beim Amtsgericht nicht gefördert worden ist, ohne dass hierfür ein Anlass ersichtlich wäre. Andererseits sind auch von Seiten der Betroffenen keinerlei Schritte unternommen worden, die Sache voranzubringen, denn sie ist nicht nur unentschuldigt der amtsgerichtlichen Hauptverhandlung vom 22.05.2014 fern geblieben, sondern hat ausweislich des Schriftsatzes vom 28.05.2014 offenbar ihren Verteidiger nicht in die Lage versetzt, einen entschuldigenden Sachverhalt wenigstens vortragen zu können, und diese Einstellung auch nach der richterlichen Bitte in der Verfügung vom 16.07.2014 um nähere Ausführungen zum Wiedereinsetzungsgesuch augenscheinlich nicht geändert. Überdies wäre zu erwarten gewesen, dass die – von April 2010 bis August 2013 in wenigstens weiteren 8 Fällen straßenverkehrsrechtlich in Erscheinung getretene – Betroffene von sich aus gelegentlich bei Gericht nach dem Stand der Dinge fragt, wenn der offene Ausgang der Sache für sie eine „emotionale Belastung“ dargestellt hätte. Auch dies hat sie bezeichnenderweise über 1 Jahr hinweg nicht getan bzw. vornehmen lassen.“
- Und: Eine etwaige Kompensation der Verfahrensverzögerung auf der Rechtsfolgenseite kam auch nicht in Betracht. Denn:
„Da es sich bei einem – wie vorliegend – Verwerfungsurteil nach § 74 Abs. 2 OWiG um ein reines Prozessurteil handelt, welches keine Feststellungen zur Schuld- und Rechtsfolgenfrage enthält, hat sich die rechtliche Überprüfung des Rechtsbeschwerdegerichts im Rahmen der Sachrüge auf das Vorliegen von Verfahrensvoraussetzungen bzw. Verfahrenshindernissen zu beschränken (BGHSt 21, 242; 46, 230), für die vorliegend keine Anhaltspunkte ersichtlich sind. Es ist dem Senat verwehrt, eine inhaltliche Überprüfung der sich aus dem Bußgeldbescheid ergebenden Rechtsfolgen etwa unter dem Aspekt des Absehens von der Verhängung eines Fahrverbotes wegen überlanger Verfahrensdauer vorzunehmen (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 14.01.2009 – 2 Ss OWi 1538/08 – juris -).“
Im Ergebnis wohl richtig, allerdings habe ich so meine Bedenken, ob das, was das OLG zur Verfahrenseinstellung ausführt, so zutreffend ist. Denn seit wann muss der Betroffene im Bußgeldverfahren „Schritte unternehmen, um die Sache voranzubringen“ oder „wieso muss der Betroffene von sich aus gelegentlich bei Gericht nach dem Stand der Dinge fragen“? M.E. steht der Argumentation doch wohl der nem-tenetur-Satz entgegen. Ich hätte so jedenfalls nicht argumentiert. Denn es reicht m.E. schon, dass es „nur“ zu einer Verfahrensverzögerung von einem Jahr gekommen ist. Das wird im Bußgeldverfahren kaum ausreichen, um eine Verfahrenshindernis anzunehmen – wenn man sich mal die Rechtsprechung des BVerfG/BGH zur Verfahrensverzögerung und einem sich daraus ergebenden Verfahrenshindernis anschaut. Also in meinen Augen – auch im Rahmen der „Gesamtabwägung – völlig unnötig.