Und als letzte der (quasi)vollzugsrechtlichen Entscheidungen des heutigen Tages (vgl. vorhin schon den OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.10.2015 – III-3 Ws 231/15 und dazu Der Besuch der eigenen Ehefrau/Mittäterin im Knast…) nun noch der OLG Hamm, Beschl. v. 17.03.2016 – 5 Ws 88/16. In ihm geht es um die Frage, ob die Zwangsmedikation eines in U-Haft Inhaftierten, der der als gefährlich und unberechenbar eingestuft wird, auf der Grundlage des UVollzG NRW erfolgen darf oder nicht. Das OLG sagt: Nein. Erforderlich ist vielmehr eine besondere gesetzliche Grundlage, die die Zulässigkeit des Eingriffs klar und bestimmt regelt.
Im Verfahren gin es um einen 27-jährigen Angeklagten, gegen den beim LG Arnsberg unter strengen Sicherheitsauflagen die Hauptverhandlung wegen Totschlages lief. Dem sollten in einem Justizkrankenhaus wegen einer psychischen Erkrankung und damit verbundenen Aggressionen zwangsweise Neuroleptika verabreicht werden.
Das haben LG und OLG aber abgelehnt. Das OLG weist in seinem Beschluss darauf hin, dass eine Zwangsmedikation nicht allein mit Gefahrenabwehr gerechtfertigt werden könne. Das NRW-Gesetz erfülle nicht die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für einen so schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte wie die Verabreichung von Medikamenten gegen den Willen des Betroffenen. Aus der Begründung:
„Die Vorschrift des § 28 UVollzG lässt bereits eine Regelung der Eingriffsvoraussetzungen in Gestalt einer gegenwärtigen Lebensgefahr oder einer schwerwiegenden Gefahr für die Gesundheit des Inhaftierten oder anderer Personen (vgl. hierzu etwa § 78 Abs. 1 Satz 1 SVVollz NRW) vermissen. Des Weiteren fehlt es an einer – soweit möglich – näheren Beschreibung durchzuführender Zwangsmaßnahmen (medizinische Untersuchung und Behandlung, ggfs. Ernährung). Weder sind Einzelheiten zur Feststellung noch zur Dokumentation der krankheitsbedingten Einwilligungsunfähigkeit geregelt. Gleiches gilt für eine Ankündigung der beabsichtigten Maßnahme gegenüber dem Inhaftierten und deren Verhältnismäßigkeit einschließlich der geplanten Dauer sowie des zu erwartenden Nutzens. Insbesondere sieht § 28 UVollzG NRW – wie bereits vom Oberlandesgericht Köln bemängelt – keine von der Vollzugsanstalt unabhängige ärztliche Prüfung der Eingriffsvoraussetzungen vor. Diese unabhängige ärztliche Überprüfung muss sich zugleich dazu verhalten, dass die Maßnahme nicht mit einer erheblichen Gefahr irreversibler Gesundheitsschäden verbunden ist. Schließlich beinhaltet § 28 UVollzG NRW keine Regelung zur notwendigen Dokumentation der Eingriffsvoraussetzungen, der ergriffenen Maßnahmen, einschließlich ihres Zwangscharakters, der Durchsetzungsweise, der Wirkungsüberwachung sowie auch des Untersuchungs- und Behandlungsverlaufs.“