Archiv für den Monat: April 2016

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Wird in der Beratungshilfe eine (vorbereitende) Akteneinsicht bezahlt?

© haru_natsu_kobo Fotolia.com

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Die Antwort auf die Frage vom vergangenen Freitag: Ich habe da mal eine Frage: Wird in der Beratungshilfe eine (vorbereitende) Akteneinsicht bezahlt?, hat dann vor kurzem das OLG Bamberg im OLG Bamberg, Beschl. v. 08.02.2016 – 4 W 120/15 gegeben. Und das OLG hat: Nein, gesagt:

„Die Beantragung und die Einnahme von Akteneinsicht durch den Anwalt führt nicht zur Entstehung der Geschäftsgebühr gemäß VV RVG Nr. 2503, wenn die Akteneinsicht – wie hier – ausschließlich zur Beratung dient und es zum Betreiben eines Geschäfts, also zu einer über die Beratung hinausgehenden Tätigkeit, z. B. zur Stellung eines Antrags in der Sache selbst oder zum Ergreifen eines Rechtsbehelfs, nicht kommt. Die Akteneinsicht wird dann durch die Beratungsgebühr gemäß VV RVG Nr. 2501 abgegolten. Denn die Beratungsgebühr deckt sämtliche mit der Beratung zusammenhängenden Tätigkeiten und damit auch eine vorbereitende Akteneinsicht ab (ebenso OLG Oldenburg, B.v. 13.10.2014, 12 W 220/14 <juris>; vgl. auch Lissner JurBüro 2013, 564/567 m. w. N.; ähnlich Mayer/Kroiß <Pukall> RVG, 5. Aufl., RN 1 zu Nr. 2503 VV).

Richtig ist zwar, dass die Akteneinsicht der Information dient und eine Vertretung durch einen Anwalt erfordern kann. Erfolgt diese aber noch im Vorfeld oder im Zuge der Beratung, kommt ihr nicht selbst der Charakter des Betreibens eines Geschäfts zu. Die Akteneinsicht ist dann lediglich „vorbereitende Maßnahme“ der Beratung und keine „Vertretung“ (Lissner a. a. O., S. 567). Es macht in Bezug auf die Beratung keinen wesentlichen Unterschied, ob sich der Anwalt aus den vom Mandanten zur Verfügung gestellten Unterlagen informiert oder aus eingesehenen Gerichts- oder Verwaltungsakten, um sodann sachgerecht beraten zu können. Die Informationseinholung ist sogar notwendige Voraussetzung einer sachgerechten Beratung und damit selbstverständlicher Teil einer jeden Beratungstätigkeit. Dies setzt der Vergütungstatbestand von VV RVG Nr. 2501 voraus. Wäre die Information durch Akteneinsicht damit nicht abgegolten, so müsste in allen Beratungsfällen, die einen Zusammenhang mit behördlichen oder gerichtlichen Verfahren aufweisen, regelmäßig die wesentlich höhere Geschäftsgebühr gemäß VV RVG Nr. 2503 anfallen, weil eine Akteneinsichtnahme dann immer gerechtfertigt werden kann und diese dann auch im Vergütungsinteresse des Anwalts läge. Dies kann nicht Zweck des Gesetzes sein. Der Gesetzgeber geht vielmehr davon aus, dass die Beratung im Grundsatz genügt und nur als „ultima ratio“ auch eine Vertretung in Betracht kommt, wenn diese „erforderlich“ ist (Lissner a. a. O., S. 568 m. w. N.).

Die vom Anwalt herangezogene Entscheidung des OLG Naumburg vom 14.12.2012, 2 Wx 66/12 (diesem folgend AG Halle, B.v. 06.03.2013, 103 II 211/13 <juris>, ähnlich bereits AG Rostock, B.v. 04.03.2011, 41 II B 1434 <juris>), steht damit letztlich nicht in Widerspruch. Denn ausweislich der dortigen Entscheidungsgründe erfolgte die Gewährung der Beratungshilfe für die „Durchführung eines Widerspruchsverfahrens“; der dort Beratungshilfe gewährende Rechtsanwalt legte am 22.12.2011 auch tatsächlich Widerspruch gegen einen sozialrechtlichen Bescheid ein und beantragte Akteneinsicht. Wird ein Geschäft betrieben, dann fällt nur die Geschäftsgebühr gemäß VV RVG Nr. 2503 an, wobei in Ziffer 1 zu VV RVG Nr. 2503 klargestellt ist, dass auch die Information dann durch diese Gebühr mit abgegolten ist („… einschließlich der Information pp.“).“

Kein Rücktritt vom „Widerspruchsverfahren“, aber: Keine Regel ohne Ausnahme

© Orlando Florin Rosu - Fotolia.com

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Mit der Zustimmung zum Widerspruchsverfahren des § 72 OWiG ist das so eine Sache. Wer sich einmal damit einverstanden erklärt hat, ist an dieses Einverständnis – i.d.R. – gebunden und kann davon später nicht wieder abrücken. Daher muss man sich die Zustimmung gut überlegen.

Aber, wie so oft: Keine Regel ohne Ausnahme. Die Bindung entfällt, wenn sich im weiteren Verfahren neue tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte ergeben, deren Berücksichtigung bei der Entscheidung über den Widerspruch nicht möglich war. So das OLG Brandenburg im OLG Brandenburg, Beschl. v. 01.04.2016 – 53 Ss-OWi 16/16. Da hatte der Betroffene der Entscheidung im Beschlussweg – Absehen vom Fahrverbot gegen Erhöhung der Geldbuße auf 300 € – zugestimmt. Das AG hatte so entschieden. Der Betroffene hatte das mit der Rechtsbeschwerde beanstandet und hat Recht bekommen:

„Mit der zulässig erhobenen Rüge der Verletzung formellen Rechts macht der Betroffene zu Recht geltend, dass das Amtsgericht Zehdenick nicht (mehr) im Beschlusswege auf eine Geldbuße in Höhe von 300,- Euro hätte erkennen dürfen.

Zwar hatte der Betroffene mit Schriftsatz vom 14. April 2015 zunächst einer solchen Verfahrensweise zugestimmt und ist an diese Erklärung grundsätzlich auch gebunden.

Wie die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg in ihrer Stellungnahme vom 25. Januar 2016 zutreffend ausführt, gilt dies jedoch nur für eine unveränderte Prozesslage, nicht jedoch, wenn sich im weiteren Verfahren neue tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte ergeben, deren Berücksichtigung bei einer Entscheidung nach Lage der Akten von dem Verzicht auf den Widerspruch nicht gedeckt ist (vgl. Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 72 Rn. 43). So liegt der Fall letztlich auch hier, denn nach dem Verzicht aber noch vor der angefochtenen Entscheidung waren die das Fahrverbot gemäß § 4 Abs. 2 BKatV und die Erhöhung der Regelgeldbuße begründenden Voreintragungen des Betroffenen tilgungsreif, worauf der Betroffene mit am 02. Juli 2015 beim Amtsgericht angebrachtem Schreiben zu Recht und noch rechtzeitig hingewiesen hatte.“

Vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung?, oder: Belehrt wird nicht durch Akteneinsicht des Verteidigers

© pedrolieb -Fotolia.com

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Auf den ersten Blick nichts Besonderes scheint der KG, Beschl. v. 13.04.2016 – 3 Ws (B) 140/16 zu enthalten. Aber beim zweiten Hinschauen entdeckt man dann doch eine (kleine) Besonderheit, die ein Posting hier lohnt. Es geht um eine Geschwindigkeitsüberschreitung. Zur Last gelegt wird dem Betroffenen zunächst Fahrlässigkeit, die Amtsrichterin möchte aber wegen Vorsatz verurteilen und hat das dann auch getan. Dagegen die – erfolgreiche – Verfahrensrüge, mit der der Betroffene folgende geltend gemacht hatte:

„Nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers ergibt sich folgender Verfahrensablauf: Nach rechtzeitiger Einspruchseinlegung beraumte die zuständige Richterin eine Termin zur Hauptverhandlung für den 26. August 2015 an und verfügte, dass der Ladung an den Betroffenen und dem Verteidiger folgender Zusatz beizufügen ist: „Es wird gemäß § 265 StPO darauf hingewiesen, dass bei der gemessenen Geschwindigkeitsüberschreitung von über 50% auch eine Ahndung als vorsätzliche Ordnungswidrigkeit in Betracht kommt. Die Buße könnte also ggf. deutlich erhöht werden.“

Des Weiteren ordnete sie die Ladung von zwei Zeugen an.

Die Verfügung der Richterin wurde nicht ordnungsgemäß ausgeführt. Der Ladung des Betroffenen und des Verteidigers fehlte der förmliche Hinweis auf eine Ahndung wegen Vorsatzes. Auch zu einem späteren Zeitpunkt des gerichtlichen Verfahrens erfolgte ein solcher rechtlicher Hinweis nicht.

Die eingeholten dienstlichen Stellungnahmen der Richterin und der Justizbeschäftigten ergaben nicht das Gegenteil. Vielmehr wurde der Vortrag des Betroffenen im Grundsatz bestätigt.

Das KG sieht einen Verstoß gegen § 265 Abs. 1 StPO, und zwar:

„Hat das Gericht seiner Entscheidung eine vom Bußgeldbescheid abweichende rechtliche Beurteilung der Ordnungswidrigkeit — wie im vorliegenden Fall — zugrunde gelegt, ist es erforderlich, dem Betroffenen während des gerichtlichen Verfahrens besonders auf die Veränderung dieses rechtlichen Gesichtspunktes nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 265 Abs. 1 StPO hinzuweisen, so dass er Gelegenheit hat, seine Verteidigung darauf einzustellen. Dies ist durch ein im Bereich des Gerichtes liegendes Missverständnis nicht geschehen. Der von der Richterin verfügte Zusatz ist versehentlich in die Ladung der beiden Zeugen aufgenommen worden, wie sich aus dem Vordruck StP 22 (Aktenvermerk bei Ladungen u.a. in Bußgeldsachen) ergibt. Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft ist dieses Kanzleiversehen auch nicht durch die Akteneinsicht des Verteidigers geheilt worden. Denn Adressat dieses förmlichen Hinweises ist der Betroffene, der persönlich und individuelle zu informieren ist (BGH NStZ 2013, 248). Es kann dahinstehen und muss hier nicht entschieden werden, ob die durch den Verteidiger genommene Akteneinsicht dieses Versäumnis kompensieren kann, wenn der Verteidiger als schriftlich Bevollmächtigter für den vom persönlichen Erscheinen entbundenen Betroffenen auftritt. Denn der Betroffene hat an der Hauptverhandlung teilgenommen.

Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf diesem Rechtsfehler beruht. Der Rechtsmittelführer hat nachvollziehbar ausgeführt, dass er sich im Falle eines rechtlichen Hinweises des Gerichts, dass auch eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung in Betracht kommt, anders verteidigt hätte. Er hätte den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid des Polizeipräsidenten in Berlin vom 29. April 2015 zurückgenommen.“

Recht hat das KG 🙂 .

Sonntagswitz: Heute Kurioses/Nachlese zum Blitzmarathon 2016

© Teamarbeit - Fotolia.com

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Am vergangenen Donnerstag war Blitzmarathon 2016 (vgl. dazu auch hier Blitzmarathon 2016 – Wie bereite ich mich vor?. oder: Blitzer-Bibel). Inzwischen sind ja einige Meldungen über kuriose Fälle über den Ticker gelaufen. Ich habe mal ein bisschen gesucht und biete dann heute hier eine kleine Zusammenstellung (u.a. von hier entnommen).

  • Hauptsache nicht geblitzt – aber zweimal über Rot. Ein Autofahrer aus Bochum war den Beamten aufgefallen, weil er gleich zweimal die Ampel ignorierte. Er entschuldigte sich nach Angaben der Polizei mit der Begründung, sehr intensiv auf den Tacho geschaut zu haben, um nicht zu schnell zu fahren – dabei habe er die roten Ampeln einfach übersehen. Dem Mann drohen nun mindestens ein Monat Fahrverbot, Führerscheinentzug und ein Bußgeld bis zu 360 Euro.
  • Ein Warnanruf seines Chefs ist einem Lastwagenfahrer zum Verhängnis geworden. Mit dem Handy am Ohr wurde der Mann in Mönchengladbach während der Fahrt erwischt. Als die Polizisten ihn mit seinem 40-Tonner stoppten, erfuhren die Beamten den Grund: „Gerade hat mein Disponent angerufen, der mir sagte, ich solle vorsichtig fahren, weil in NRW Blitzmarathon ist!“
  • In Gießen wurde ein Transporter geblitzt. Er war 9 km/h zu schnell. Das war allerdings nicht das Auffallende. In dem Kleintransporter, in dem nur drei Menschen sitzen dürfen, waren 18 Leute untergebracht, wie die Polizei Mittelhessen mitteilte. Der Fahrer hatte darüber hinaus noch nicht einmal einen Führerschein. 
  • In Hagen wurden zwei Linienbusse geblitzt: Sie waren laut Polizei in einer 30er-Zone zu schnell unterwegs. Eine peinliche Belehrung vor Ort blieb den Fahrern erspart. „Der Halter wird angeschrieben, weil Fotos vorliegen“, sagte ein Polizeisprecher. Das Knöllchen kann für die Busfahrer dennoch teuer werden: Für Linienbusse gelten nach Angaben der Polizei höhere Tarife, weil die Fahrgäste nicht angeschnallt sind und geschützt werden müssen.
  • Besonders kräftig aufs Gaspedal getreten hatte ein 35 Jahre alter Autofahrer, den die Polizei auf der B54 im Kreis Borken (Westfalen) erwischte: Die Laserpistole zeigte 179 km/h statt der erlaubten 100 an. Der Fahrer hatte zudem keinen Führerschein – und zusätzlich noch eine offene Strafe wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis. 
  • In Neuss hat die Polizei einen älteren Autofahrer geblitzt, der mit Tempo 62 statt erlaubt 50 unterwegs war. Bei der Kontrolle sahen die Beamten dann, dass der Mann sich sogar einen Aufkleber auf den Tacho geklebt hatte: „Vorsicht Blitzmarathon“ stand drauf. Das hat offenbar nicht viel genützt.
  • Auf der B 17 wurde ein Autofahrer mit 142 statt der erlaubten 100 Stundenkilometern geblitzt. Als die Polizei das Fahrzeug näher in Augenschein nahmen, wunderten sie sich über dessen technische Ausstattung: Es handelte sich um ein Messfahrzeug einer kommunalen Verkehrsüberwachung. Die Begründung der Verkehrsüberwacher für den Tempoverstoß habe nicht viel anders wie bei sonstigen Verkehrssündern geklungen: Man habe irgendwie komplett übersehen, dass nur 100 gefahren werden darf.

Und meine Nummer 1, der Tagessieger ist

  • der Fahrer eines italienischen Sportwagens. Der wurde mit 71 km statt erlaubter 50 km geblitzt. Eine Dreiviertelstunde später kam er aus der anderen Richtung an der Messstelle vorbeigefahren, grüßte die Beamten freundlich winkend und gab dann Gas. Was er nicht bedacht hatte. Gemessen werden kann auch bei sich entfernenden Pkws, was die Beamten dann auch sofort gemacht haben. Das Messgerät zeigte dann 99 km. Damit ist auch noch ein Fahrverbot fällig. 🙂

Wochenspiegel für die 16. KW., das war Roman Reusch, die Papstsau Franz, Pflegebanden und das BKA-Gesetz

© Aleksandar Jocic - Fotolia.com

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Das war dann die erste Woche nach Böhmermann, es ist/war zu dem Thema merklich ruhiger, aber vielleicht kocht es nun nach der „Entschuldigung“ der Kanzlerin ja wieder hoch. Für den Wochenspiegel kann man sich dann also entspannt anderen Themen zuwenden, nämlich:

  1. Die Ernennung des Vorstandsmitgliedes des Landesverbandes der AfD in Brandenburg Roman Reusch zum Leitenden Oberstaatsanwalt, der bei der GStA Berlin die Abteilung „Auslieferung ausländischer Straftäter, Internationale Rechtshilfe“ als Chef übernimmt.

  2. „Die Papstsau Franz umbringen…“,

  3. OLG Naumburg: Geschwindigkeitsmessgerät „häu­fig re­pa­riert und neu ge­eicht“ – Zuverlässigkeit zwei­fel­haft,

  4. Droht Prozess gegen mutmassliche Terrorhelfer in Stuttgart zu platzen?, gehört das in die Abteilung „Kurioses“, Sonstiges oder merkwürdig?

  5. Klassenlisten – Eltern erhalten alle Kontaktdaten der Mitschüler,

  6. Alles Betrüger BKA ermittelt gegen russische Pflegebanden,

  7. Verkehrsrecht – Beteiligung Privater Dienstleister am OWi-Verfahren,

  8. § 22 Abs. 1a BPolG – Polizeikontrolle einer dunkelhäutigen Familie im Zug,

  9. BKA-Gesetz teilweise verfassungswidrig,

  10. Gesetzgebung: Prostituiertenschutzgesetz vorgelegt.