Manche Fragen sind in der Rechtsprechung so „ausgepauckt“, dass es dazu an sich keine obergerichtlichen Entscheidungen mehr geben dürfte. Und man fragt sich dann, warum gibt es sie doch? Fahrlässige Unwissenheit der Tatrichter oder bewusste Negierung der obwergerichtlichen Rechtsprechung. Hoffen wir, dass es der ersten Grund, der ist schon schlimm genug.Und auf dem Feld bewegt man sich, wenn es um die Frage der Entbindung des Betroffenen von seiner Anwesenheitspflicht in der Hauptverhandlung des Bußgeldverfahrens geht. Da ist es einhellige Meinung, dass dann, wenn der Betroffene seine Fahrereigenschaft zum Tatzeitpunkt ausdrücklich einräumt und erklärt, dass er sich in der Hauptverhandlung nicht weitergehend zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen oder zur Sache einlassen werde, er auf seinen Antrag von der Pflicht zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung des Bußgeldverfahrens zu entbinden ist.
Das hatte ein Amtsrichter beim AG Potsdam dann anders gesehen. Sein Verwerfungsurteil ist dann psotwendend auf die Rechtsbeschwerde des Verteidigers hin durch den OLG Brandenburg, Beschl. v. 22.02.2016 – 1 53 Ss-OWi 617/15 304/15 aufgehoben worden:
„b) Die Verfahrensrüge ist auch begründet. Mit ihr trägt die Verteidigung zutreffend vor, dass die Vorgehensweise des Tatgerichts, den Betroffenen nicht von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, gegen § 73 Abs. 2 OWiG verstößt. Das Bußgeldgericht hatte dem Antrag vom 02. Juli 2015 zu entsprechen, weil die Voraussetzungen für eine Entbindung erfüllt waren. Der Verteidiger hatte in der Antragsschrift ausgeführt, dass der Betroffene seine Fahrereigenschaft zum Tatzeitpunkt ausdrücklich einräume, sich in der Hauptverhandlung aber nicht weitergehend zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen oder zur Sache einlassen werde. Eine wirksame Vertretungsvollmacht befand sich bereits bei den Gerichtsakten.
In der Nichtberücksichtigung der Einlassung des in der Hauptverhandlung abwesenden Betroffenen aufgrund fehlerhafter Ablehnung des Entbindungsantrags und in der Verwerfung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid ohne Verhandlung zur Sache liegt eine Verletzung des Grundrechts des Betroffenen auf Gewährung rechtlichen Gehörs, Art 103 Abs. 1 GG. Der Betroffene hat ein Recht darauf, dass das Gericht seine Ausführungen zur Kenntnis nimmt und in seiner Abwesenheit zur Sache verhandelt und entscheidet, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen eines Abwesenheitsverfahrens vorliegen (Senatsbeschluss vom 18. Februar 2015 — 1 Ss-OWi 351 Z/15 m. w. N.).“
Kann man m.E. nicht mehr viel zu sagen, außer: Wenn nicht „unfassbar“, dann aber zumindest „unverständlich“.