Es war Katja Ebstein, die in den 70-iger Jahren den Song „Wunder gibt es immer wieder“ gesungen hat. Nun gestern war ich es – zumindest im übertragenen Sinn -, als ich von der Kollegin Mehner-Heurs aus Schwelm den AG Schwelm, Beschl. v. 23.12.2015 – 50 Ds 500 Js 454/14 – übersandt bekommen habe. Es ging dabei um die Frage des Umfangs der Pflichtverteidigerbestellung, nämlich darum, ob die sich auch ohne weiteres auf die Tätigkeiten im Adhäsionsverfahren erstreckt. Und damit darum, ob für den Pflichtverteidiger auch die Gebühr Nr. 4143 VV RVG angefallen ist. Die Frage ist in Rechtsprechung und Literatur höchst streitig, die Mehrheit der OLG lehnt die automatische Erstreckung ab. Dazu gibt es ellenlange OLG-Beschlüsse, die m.E. falsch sind. Das AG Schwelm braucht da nicht so viel Platz, um es anders, aber damit auch richtig zu machen. Es führt recht kurz und zackig aus:
„Die Bestellung zum Verteidiger gemäß § 140 StPO ist umfassend. Sie erfasst insbesondere auch die Verteidigung des Angeklagten im Adhäsionsverfahren (so auch OLG Rostock, Beschl. v. 15. 6. 2011 —1 Ws 166111; OLG Dresden. Beschl. v. 13. 6. 2007 —1 Ws 155/06; OLG Köln, Beschl. v. 29. 6. 2005 —2 Ws 254/05; OLG Hamm, Beschl, v. 31. 5. 2001 — Sbd 6-87/01, OLG Schleswig, NStZ 1998, NStZ 1998. 101; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 140 Rdnr. 5).
Es sind keine entgegenstehenden Rechtsnormen erkennbar. Soweit in der obergerichtlichen Rechtsprechung aus den §§ 404, 397a und 406g StPO Anleihen genommen werden, werden diese durch verschiedene Obergerichte unterschiedlich ausgelegt (vgl. Darstellung in OLG Hamm, Beschluss vom 08.11.2012 — 111-3 Ws 139/12). Insoweit kann eine eindeutige Regelung nicht angenommen werden, aus der sich ergibt, dass sich eine Pflichtverteidigerbestellung ohne weitere Erklärung nicht auf das Adhäsionsverfahren bezieht.
Vielmehr muss aufgrund des Charakters der Pflichtverteidigerbestellung, die schon wegen des Grundsatzes des effektiven Rechtsschutzes und dem Grund für die Existenz dieser Norm, umfassend ausgestaltet sein muss, angenommen werden, dass gerade auch das Adhäsionsverfahren von der Bestellung erfasst ist. Soweit dies in Beschlüssen ausdrücklich festgestellt wird, dient dies lediglich der Klarstellung.“
Also: Geht doch 🙂 . Ich bin allerdings mal gespannt, ob die Staatskasse – wenn sie denn ein Rechtsmittel hat – es hinnimmt. Im Zweifel wahrscheinlich nicht.