Archiv für den Monat: Dezember 2015

Videofotografie vom Fußballfan für das „Polizeialbum“ – so einfach geht das nicht…..

FootballMaßnahmen gegen Fußballfans sind in der Rechtsprechung angekommen. Nach dem OLG Bamberg, Beschl. v. 24. 11. 2015 – 3 Ss OWi 1176/15 betreffend das Vermummungsverbot (vgl. dazu Für Fußballfans: Vermummungsverbot auch im überdachten Tribünenbereich eines Fußballstadions?) bin ich vor einigen Tagen dann noch auf das VG Köln, Urt. v. 05.11.2015 – 20 K 3466/13 – gestoßen. Das betrifft die erkennungsdienstliche Behandlung eines Fußballfans, die vom VG Köln als teilweise rechtswidrig angesehen worden ist. Es ging um Vorfälle in Zusammenhang mit dem Bundesligaspiel zwischen Fortuna Düsseldorf und Eintracht Frankfurt am Abend des 30.11.2012 in Düsseldorf. Bereits im Vorfeld des Spiels war es im Rahmen der Fananreise zu Gewalttätigkeiten und Ausschreitungen sog. Problemfans aus Frankfurt u.a. in Zügen der DB gekommen. Die Landespolizei Düsseldorf setzte nach Spielende Shuttle-Busse ein, die die Frankfurter Fans zum Düsseldorfer Hauptbahnhof brachten und führte die Fans zum Eingang des Bahnhofsgebäudes. Im Hauptbahnhof wurden die Fans durch die Bundespolizei aufgefordert, einzeln ihren Ausweis so hochzuhalten, dass das Gesicht eines jeden einzelnen Fans zusammen mit seinem Ausweis videofotografiert werden konnte. Diese Maßnahme wurde auch beim späteren Kläger durchgeführt. Die Bundespolizei begründete die Anordnung mit zu erwartenden Ausschreitungen im Bereich der Bahnanlagen durch abreisende Frankfurter Fans. Der betroffene Fan hatte gegen diese Maßnahme der Bundespolizei Klage erhoben und wollte festgestellt wissen, dass es sich um eine rechtswidrige Identitätsfeststellung und um eine rechtswidrige erkennungsdienstliche Behandlung gehandelt habe. Denn er selbst habe sich noch nie an Ausschreitungen beteiligt und den Bahnhof an diesem Abend auch gar nicht aufsuchen wollen.

Das Ergebnis: Soweit der Fan die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Identitätsfeststellung beantragt hatte, hat das VG die Klage abgewiesen, weil keine Identitätsfeststellung erfolgt sei. Denn im Zeitpunkt ihrer Durchführung habe die Maßnahme nicht der Identifizierung der jeweiligen Person gedient, was aber eine Identitätsfeststellung charakterisiere. Vielmehr sei es von der Zielsetzung her um eine erkennungsdienstliche Maßnahme gegangen. Deren Voraussetzungen hätten jedoch nicht vorgelegen, weil der Kläger einer Straftat nicht verdächtig gewesen sei. Insoweit hatte die Klage daher Erfolg:

„Die von den Beamten der Beklagten im Hauptbahnhof Düsseldorf durchgeführte Maßnahme, von der der Kläger betroffen war, stellt der Sache nach ausschließlich eine erkennungsdienstliche Behandlung gegen eine Einzelperson dar.

Als Rechtsgrundlage kommt daher allein § 24 Abs. 1 BPolG in Betracht. Die Maßnahme ist jedoch im vorliegenden Fall von § 24 BPolG nicht gedeckt.

Nach § 24 Abs. 1 BPolG kann die Bundespolizei zu präventivpolizeilichen Zwecken erkennungsdienstliche Maßnahmen vornehmen, wenn 1.) eine nach § 23 Abs. 1 oder 2 zulässige Identitätsfeststellung auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten möglich ist oder 2.) dies zur Verhütung von Straftaten im Sinne des § 12 Abs. 1 erforderlich ist, weil der Betroffene verdächtig ist, eine solche Straftat begangen zu haben und wegen der Art oder Ausführung der Tat die Gefahr einer Wiederholung besteht.

Erkennungsdienstliche Maßnahmen zielen auf die Erfassung äußerer körperlicher Merkmale einer Person.

Die Beamten der Beklagten haben – was zwischen den Beteiligten von Anfang an unstreitig war und ist – das Gesicht des Klägers zusammen mit seinem Ausweis videofotografiert. Sie haben dadurch eine erkennungsdienstliche Maßnahme im Sinne von § 24 Abs. 3 Nr. 2 BPolG (Aufnahme von Lichtbildern einschließlich Bildaufzeichnungen) beim Kläger vorgenommen.

Die Voraussetzungen für eine erkennungsdienstliche Behandlung lagen im vorliegenden Fall jedoch weder nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 noch nach Nr. 2 BPolG vor.

Erkennungsdienstliche Maßnahmen nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 BPolG müssen einer Identitätsfeststellungen nach § 23 Abs. 1 oder 2 BPolG dienen, solche nach Abs. 2 verschaffen der Polizei Unterlagen, um den Betroffenen bei späteren Anlässen wiederzuerkennen. Sie dienen folglich dazu, der Polizei vorsorglich – und zwar unabhängig vom bestehenden strafprozessualen Status einer Person – ein Hilfsmittel zur Verhütung von Straftaten zu Verfügung zu stellen.

Die erkennungsdienstliche Maßnahme der Beklagten diente im vorliegenden Fall nicht einer Identitätsfeststellung.

Unter einer Identitätsfeststellung wird die Erhebung und Überprüfung derjenigen Personalien einer Person verstanden, aus denen sich die Identität des Betroffenen ergibt. Die Identität einer Person ist vollständig und umfassend festgestellt, wenn Familienname, Vorname, Geburtsort, Geburtsdatum, Anschrift, Staatsangehörigkeit, Familienstand und ggf. Beruf aufgrund der durchgeführten Maßnahmen so feststehen, dass nennenswerte Zweifel ausgeschlossen erscheinen. Vgl. dazu Drewes, Malmberg, Walter, Kommentar zum BPolG, 5. Auflage 2015, § 23 Rn. 9

Eine solche unmittelbare und sofortige Feststellung der Identität des Betroffenen wurde nach Angaben der für den Einsatz verantwortlichen Polizeiführerin, der Zeugin POR L2., entsprechend ihrer Anordnung jedoch insgesamt nicht vorgenommen und auch nicht bezweckt. Die Zeugin POR L2. gab dazu auf Befragen unmissverständlich an, dass der konkrete Name des Ausweisinhabers im Zeitpunkt der Maßnahme keine Rolle gespielt habe und auch nicht festgestellt worden sei. Das betrifft auch das Herausfiltern von Problemfans; auch insoweit waren die Namen der Personen nicht relevant. Ziel der Maßnahme war danach hier vielmehr eine vorsorgliche Erhebung und Speicherung von Daten für den Fall der Begehung von Straftaten im Zuständigkeitsbereich der Beklagten, die aufgrund der von der Beklagten dargestellten Gesamtsituation – der Gegebenheiten bei der Anreise der Fans, insbesondere der sogenannten Problemfans, deren Verhalten in Düsseldorf sowie am und im Stadion – aus den Reihen der Frankfurter Fans erwartet wurden.“

Mit 173 km/h auf dem Motorrad durch den Pfälzerwald-… Fahrtenbuch, aber nur für das Krad

© Thaut Images - Fotolia.com

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Mit 173 km/h auf dem Motorrad durch den Pfälzerwald? Ja, aber es war nicht der Weihnachtsmann, der es eilig hatte – Vorfallszeitpunkt war der 14. 06.2015 – sondern ein unbekannt gebliebener anderer Fahrer. Daher wurde die OWi dann später (auch) Gegenstand eines verwaltunsgerichtlichen Verfahrens, in dem es um eine Fahrtenbuchauflage gegen den Halter des Motorrades ging. Das (Eil)Verfahren ist inzwischen durch den VG Neustadt, Beschl. v. 04.11.2015 – 3 L 967/15 – abgeschlossen. Im Bußgeldverfahren war beim Halter, der bestritten hatte, zum Vorfallszeitpunkt Fahrer gewesen sein, die Wohnung duchsucht worden. Man wollte den auf dem Messfoto ersichtlichen Motorradhelm sowie die zum Vorfallszeitpunkt vom Fahrer getragene Motorradkleidung finden. durchgeführt wurde. Die Wohnungsdurchsuchung blieb jedoch ergebnislos. Das Bußgeldverfahren ist eingestellt worden. Nach Einstellung des Bußgeldverfahrens hat der zuständige Landkreis dem Halter unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Führung eines Fahrtenbuches für die Dauer von 12 Monaten für das Motorrad und die beiden Pkws auf. Der hat im dagegen gerichteten Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz geltend gemacht: Die Polizei sei ihrer Ermittlungspflicht nicht ausreichend nachgekommen, da sie ihn im Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht als Zeugen sondern als Betroffenen angehört habe. Ferner sei die Anordnung der Fahrtenbuchauflage für die beiden Pkws rechtswidrig, weil nicht zu befürchten sei, dass mit diesen Fahrzeugen verkehrsrechtliche Zuwiderhandlungen begangen würden. Das VG sieht das teilweise anders:

Hinsichtlich der Ermittlungspflicht folgt es dem Landkreis: Der für die Begehung des Verkehrsverstoßes verantwortliche Fahrzeugführer habe nicht ermittelt werden können. Die Bußgeldstelle habe durch Anhörung des Halters versucht, den Fahrer des Kraftrades zu ermitteln. Der Halter habe seine Fahrereigenschaft bestritten und die bei ihm durchgeführte Wohnungsdurchsuchung zum Auffinden des auf dem Messfoto ersichtlichen Motorradhelms sowie der im Tatzeitpunkt getragenen Motorradkleidung habe keine Anhaltspunkte auf den Fahrer ergeben. Damit habe es keine Ansatzpunkte für weitere Ermittlungen hinsichtlich des Täters gegeben.

Als unverhältnismäßig hat das VG aber die Erstreckung der Anordnung auf die Kfz des Fahrers angesehen: Eine solche Anordnung bedürfe einer ihre Auswirkungen berücksichtigenden Verhältnismäßigkeitsprüfung. Die Behörde müsse eine Prognose darüber anstellen, ob über das Fahrzeug, mit dem die der Fahrtenbuchauflage zugrunde liegende Verkehrszuwiderhandlung begangen worden sei, hinaus Verkehrsverstöße mit anderen Fahrzeugen des Halters ebenfalls nicht aufgeklärt werden könnten. Das war hier von der Verwaltungsbehörde nicht begründet worden. Bei der Einschätzung, ob sich das Verhalten des Halters in dieser Form bei einem der anderen auf ihn zugelassenen Personenkraftwagen auch so zutragen könnte, seien nicht nur der Fahrzeugbestand, sondern auch die Handlungsweise des Halters in den Blick zu nehmen. Hinsichtlich der Fahrweise sei zu berücksichtigen, dass der Tatort auf einer bei Motorradfahrern äußerst beliebten Fahrstrecke liege, was allgemein bekannt sei. Aus einer Geschwindigkeitsüberschreitung mit einem Kraftrad speziell auf dieser Strecke könne daher zur Überzeugung der Kammer nicht zwangsläufig geschlossen werden, dass auch mit den auf den Antragsteller zugelassenen Personenkraftwagen Verkehrsverstöße wie d festgestellte begangen würden und anschließend der Fahrer nicht benannt würde.

Ich habe da mal eine Frage: Staatskasse will Gebühren zurück haben, geht das?

© AllebaziB - Fotolia

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Ich hatte am 04.12.2015 den LG Dortmund, Beschl. v. 25.11.2015 – 31 Qs 83/15 gepostet (und dazu Nachahmenswert: Rücknahme der StA-Berufung – Verfahrensgebühr für den Verteidiger). Den Beitrag hatte ich dann auch bei FB geteilt, woraus sich dann für einen Kollegen eine – m.E. interessante – Nachfrage ergab:

Der Kollege fragte, ob man die Entscheidung des LG Dortmund auch entsprechend auf die Rücknahme der Revision anwenden könne. das habe ich bejaht, allerdings darauf hingewiesen, dass die Rechtsprechung der OLG an der Stelle noch restriktiver ist. In dem „Gespräch“ ergab sich dann, dass die Staatskasse wohl in einem Verfahren, in dem die StA ihre Revision vor der Begründung zurückgenommen hatte, dem Kollegen die Verfahrensgebühr Nr. 4130 VV RVG erstattet und auch gezahlt hatte. Nun war aufgefallen – wem auch immer und warum erst jetzt – dass man die Gebühr vielleicht doch nicht hätte festsetzen sollen/dürfen (?). Und da hatte der Kostenbeamte den Kollegen um Rückzahlung gebeten. Der war eine wenig verwirrt und fragte sich und dann mich, ob das denn so einfach gehe und was man da tun könne.

Nun: Wer hat eine Idee?

Pflichti: Den Pflichtverteidiger nicht einfach so nach Hause schicken

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Heute dann mal nichts von OLGs usw., sondern vom anderen Ende der „Fahnenstange“. Also eine AG Entscheidung, klein aber fein 🙂 . Es geht um die Frage der Entpflichtung des nach § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO bestellten Rechtsanwalts, wenn der Angeklagte zwei Wochen vor dem Hauptverhandlungstermin aus der Haft entlassen wird. Da gibt es ja den § 140 Abs. 3 Satz 1 StPO, der die Entpflichtung zulässt, was schnell zu einem Automatismus führt. Nicht so beim AG Halle (Saale) im AG Halle (Saale), Beschl. v. 09.11.2015 – 302 Cs 561 Js 2840/15:

„Die Beiordnung wird — da laut dem vorliegenden. Vollstreckungsblatt – das Haftende auf dem 03.01:2016, somit mehr als zwei Wochen vor dem abgesprochenen Hauptverhandlungstermin – notiert ist — auch auf § 140 Abs. 2 StPO gestützt. Aus rechts staatlichen Gründen erscheint es unter dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens trotz § 140 Abs. 3 S. 1 StPO kaum angängig, dem Angeklagten einen einmal bestellten Verteidiger wieder zu entziehen. Es kann nicht, von der Zufälligkeit, ob der Angeklagte zwei Wochen vor dem Hauptverhandlungstermin entlassen wird, abhängen, ob der Angeklagte einen Verteidiger hat oder nicht.“

Machen die Obergerichte ja zunehmend auch bzw. lehnen den Automatismus: Entlassung des Angeklagten – Entpflichtung des Pflichtverteidigers, ab.

Ta, ta, ta – Tusch: Wir sind nun zu Viert – Nachsorge-Buch ist da….!!

EV_HV_NachsorgeTa, ta, ta – Tusch: Wir sind nun zu Viert – Nachsorge-Buch ist da….!!, oder auch:

Es hat dann doch vor Weihnachten geklappt, so wie es der Verlag voraus gesagt hat. Heute ist dann nämlich das „Handbuch für die strafrechtliche Nachsorge„, das aus dem Trio: „Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren„, „Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung“ und „Handbuch für die strafrechtlichen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe„, ein Quartett macht, erschienen. Wir sind dann jetzt also zu Viert. Kleiner Wermutstropfen. Leider gibt es auf meiner Homepage noch keine Leseproben, das ging dann jetzt etwas zu schnell 🙂 .

Abgebildet auf dem Bild sind auch nur drei Mitglieder des Quartetts, und zwar die im neuen Gewande, also der 2015-er Jahrgang (hoffentlich ein guter 🙂 . Das vierte – „Handbuch für die strafrechtlichen Rechtsmittel und Rechtsbehelf“ kommt dann im nächsten Jahr dazu.  Deshalb: Los geht es. Wer rastet, rostet.

Ach so: Bestellen kann man hier.

Werbemodus aus 🙂 .

Nachtrag vom 12.12.2015: So, Leseproben sind dann auch drin 🙂 .