Eine Verurteilung wegen Vergewaltigung i.S. von § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfordert die Feststellung der Anwendung von „Gewalt“. Und die Feststellung hat der BGH im BGH, Beschl. v. 30.09.2015 – 5 StR 199/15 – vermisst. Das LG hatte wegen Vergewaltigung veurteilt. Dazu hatte es folgende Feststellungen getroffen: „Nach den Feststellungen übernachtete der damals 14- bis 15-jährige Geschädigte zwischen Juli 2001 und Frühjahr 2002 in der Wohnung des Angeklagten. Dieser „erzwang“ den vollendeten Oralverkehr, „indem er sich auf den Jungen setzte, mit der Hand seinen Mund öffnete und sein Glied einführte. Der Angeklagte kam zum Samenerguss im Mund des Jungen, der das Ejakulat schlucken musste“ (UA S. 5).“
Diese Sachdarstellung belegt nach Auufassung des BGH
„…..nicht, dass der Angeklagte den Geschädigten zur Duldung des Oralverkehrs im Sinne von § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB mit Gewalt genötigt hat. Ob das Setzen des Angeklagten auf das Tatopfer und das Öffnen dessen Mundes zur Überwindung erwarteten Widerstandes erfolgten, ist nicht ausdrücklich festgestellt. Gleiches gilt für einen körperlich oder verbal geäußerten entgegenstehenden Willen des Geschädigten. Dies versteht sich hier angesichts des Alters des Geschädigten und des Umstands, dass der Angeklagte schon zuvor über einen längeren Zeitraum – ohne Einsatz von Gewalt – sexuelle Handlungen an diesem vorgenommen haben soll, nicht von selbst.“
Na ja, kann man m.E. auch anders sehen….
siehe schon:
Thomas Fischer, NEIN heißt NEIN heißt NEIN- Was schief läuft bei der neuen Debatte über die Strafbarkeit von Vergewaltigungen, die Zeit vom 23. Oktober 2014
Ich denke, der 5. StS hat sich in dem Fall (m. E. zu Recht) daran gestört, dass die Strafkammer festgestellt haben will, dass das Opfer über längere Zeit ohne Gewaltanwendung solche Handlungen geduldet hatte und jetzt in diesem Fall Gewalt angewendet werden sollte. Ein solcher Spezialfall sollte nicht verallgemeinert werden.
Burhoff hat recht. Man kann das auch anders sehen. Ich sehe das aus der Perspektive eines männlichen Betroffenen. Mit 11 Jahren kam ich mehrfach in eine (ggf. nicht eins zu eins vergleichbare) Situation. Der Täter, der sich auch mit Mädchen traf, wurde verurteilt. Ich hatte das Privileg eines guten Elternhauses, die mit viel Fürsorge und fachlicher Begleitung darauf reagiert haben. Insofern habe ich keinen erkennbaren Schaden davon tragen müssen. Ich bin auch heute nicht auf einem „Rachetrip“. Aber bei allem Verständnis für den Täter, vielleicht ist er (sie) ja krank, hinterlässt das bei mir auch noch ein ungutes Gefühl. Bei mir ist das über 30 Jahre her. Und immer dann, wenn ich so etwas lese, bin ich sehr verwundert … Wenn ich einfach ungefragt über meine Frau herfallen würde, wäre das dann auch „Gewohnheit“? Weil man sich ja lange kennt …?
Ich pflichte Burhoff hier ebenfalls bei, dass man das anders sehen kann. Wie man den Mund eines anderen „öffnen“ können soll, ohne erhebliche Körperkraft (=Gewalt) anzuwenden, erschließt sich mir nicht. Angesichts dessen, dass der BGH in seinem Beschluss auch noch äußerstes Missfallen über eine dienstliche Äußerung des Vorsitzenden geäußert hat, entsteht bei mir der Verdacht, dass hier eine Strafkammer diszipliniert werden sollte.
Solche Urteile gießen m.E. unnötiges Wasser auf die Mühlen derjenigen, die eine Ausweitung des Sexualstrafrechts fordern.
Ohne den Fall zu kennen ist eine Beurteilung schwierig, aber die Sichtweise des BGH macht mir einige Bauchschmerzen.
Gewalt bedeutet ja nicht, dass man einen erkennbaren Schaden davon tragen muss. Mir missfällt die Sichtweise des BGH sehr.