Ein Kollege hat mir vor einigen Tagen den OLG Oldenburg, Beschl. v. 14.08.2015 – 2 Ss (OWi) 200/15 – geschickt und dazu bemerkt, er sei ratlos. Ich muss gestehen, ich auch.
Worum geht es? Nun, das OLG Oldenburg hatte eine Rechtsbeschwerde des Kollegen nicht zugelassen. Dessen Mandant war wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 100 € verurteilt worden. Dagegen hatte man dann Rechtsbeschwerde eingelegt und deren Zulassung beantragt (§ 80 OWiG). Den Zulassungsantrag hatte der Kollege mit der Verfahrensrüge und der Sachrüge begründet. Zur Verfahrensrüge ist vorgetragen worden, dass weder dem Verteidiger noch dem Betroffenen in der Hauptverhandlung das letzte Wort (§ 258 StPO) gewährt worden ist. Vorgetragen worden ist außerdem, was geltend gemacht worden wäre, wenn das letzte Wort gewährt worden wäre.
Damit war m.E – wenn mich meine Erfahrung aus 13 Jahren OLG-Tätigkeit nicht täuscht – die Rechtsbeschwerde ausreichend begründet, jedenfalls hätte es mir gereicht. Zwar nicht für die Verfahrensrüge, denn die gibt es nach § 80 Abs. 2 OWiG nicht bei den sog. Bagatellgeldbußen. Aber für die Rüge der Verletzungen des rechtlichen Gehörs nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG, bei der eine Wertgrenze nicht vorgesehen ist. Dazu war – auch im Hinblick auf den insoweit ebenfalls geltenden § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO – ausreichend vorgetragen.
Dem OLG Oldenburg hat es hingegen nicht gereicht. Es hat mit dürren Worten die Rechtsbeschwerde verworfen:
„Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Weil gegen ihn nur eine Geldbuße von 100,00 € verhängt worden ist, käme eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nur in Betracht, wenn geboten wäre, die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des materiellen Recht zu ermöglichen (§ 80 Abs. 1. Nr.1, Abs. 2 Nr. 1 OWG) oder das Urteil wegen Versagung rechtlichen Gehörs aufzuheben (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG). Beide Zulassungsgründe liegen jedoch nicht vor. Auf die zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 11.08.2015, die anliegend übersandt wird, wird Bezug genommen.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 80 Abs. 4 S. 3 OWiG abgesehen.“
„Nicht geboten“? Ich meine schon, dass die Aufhebung i.S. des § 80 Abs. 1 OWiG geboten gewesen wäre, nämlich um eine Verfassungsbeschwerde zu ersparen. Jedenfalls meine ich, dass man dem Betroffenen hätte mitteilen können, warum man anderer Ansicht ist. Aber vielleicht hat das ja in den „zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 11.08.2015“ gestanden. Nur: Die kennt der Betroffene auch nicht, weil sie ihm nämlich nicht – entgegen „anliegend“ übersandt worden ist.
Geboten vor allem auch deshalb, weil der Betroffene mit dem abschließenden Hinweis des OLG sonst nun gar nicht umgehen kann. Da heißt es:
„Der Senat sieht abschließend Anlass zu folgendem Hinweis: Die Tatrichterin wird zukünftig darauf zu achten haben, dass die wesentlichen Förmlichkeiten der Hauptverhandlung eingehalten werden. Dazu gehört insbesondere das dem Betroffenen gern. § 258 Abs. 2 StPO zu gewährende letzte Wort und die gemäß § 258 Abs. 1 StPO dem Verteidiger zu gewährende Möglichkeit zum Schlussvortrag. Beides ist grundsätzlich unverzichtbar und sichert den verfassungsrechtlichen Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör.“
Ah ha. Also „Verletzung des rechtlichen Gehörs“ Aber warum ist dann die Aufhebung nicht geboten? Ich verstehe es nicht, der Kollege versteht es nicht. Und der rechtsunkundige Betroffene versteht es erst recht nicht. Er fühlt sich sicherlich ein wenig (?) veräppelt mit diesem „Ätsch-Effekt“, der in dem „Du, du“ gegenüber der Tatrichterin steckt. Muss das sein? M.E nicht.
Ziemlich viel nutzloses Gewese dafür, dass der „ratlose“ Kollege doch nur die Geschäftsstelle bitten müsste, die in Bezug genommene und offenbar versehentlich nicht beigefügte Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft nachzureichen (um in dieser mutmaßlich die Antwort auf alle seine Fragen zu finden).
Geht am Kern der Sache vorbei. Alles immer „versehntlich.“
Solche OLG-Beschlüsse beschädigen den Ruf der Justiz und der Juristerei insgesamt. Falls es da einen guten Ruf überhaupt noch gibt.
Solche Beschlüsse sind in Gesetz klar definiert, nämlich im StGB unter § 339 (Rechtsbeugung).
Nun ja, ich gehe mal davon aus, dass der Senat ein Beruhen ausschließen konnte, weil das was zum letzten Wort vorgetragen wurde, die Entscheidung nicht beeinflusst hätte. Liegt nach der Schilderung eigentlich auf der Hand.
ah, bei der Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Versagung des letzten Wortes. Da muss aber viel drin gestanden haben in der Stellungnahme der GStA, wenn ich die BGH-Rechtsprechung richtig verstehe
Nein, wenn der Schlussvortrag in der Rechtsbeschwerdebegründung vollständig wiedergegeben ist, dann geht das. Wenn etwa der Betroffene geständig war und im letzten Wort nur das Geständnis wiederholen wollte und der Verteidiger auf eine milde Geldbuße plädieren wollte und eine solche verhängt wurde. Wie soll da das Urteil auf diesem Verfahrensfehler beruhen? So lag der Fall ja hier, wie die Generalstaatsanwaltschaft bestätigen kann.
Was Sie alles wissen – oder besser: Meinen zu wissen. Woraus entnehmen Sie, dass der Betroffene geständig war.
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Habe schlicht nachgefragt.
Aber offenbar an der falschen Stelle. Nach der mir vorliegenden Rechtsbeschwerdebegründung hat der Betroffene bestritten und wollte das Bestreiten auch wohl aufrecht erhalten.
@Gast
Blöd gelaufen 😉
Hehe, da missbraucht jemand meinen guten Namen! Der angebliche Herr Gast vom 17.9. ist ein Fake und mit mir weder identisch noch verwandt oder verschwägert! (Auch, wenn er womöglich recht hat …)
Das kommt eben dabei heraus, wenn man anonym kommentiert. Mit Klarnamen wäre das nicht passiert.
Wieso? Mit Klarnamen geht das auch.