Klein, aber fein ist das AG Landstuhl, Urt. v. 27.07.2015 – 2 OWi 4286 Js 5892/15, das eine Zustellungsproblematik enhält. Nein, keine „Verjährungsfalle“ oder ein „Vollmachtstrick“ oder sonst so ein (schlimmes) Verhalten des Verteidigers, das dann die Wogen immer hoch schlagen lässt. Nein, einfach nur eine Versehen/eine Unachtsamkeit oder was auch immer des Zustellers, die dann aber die Folge hat: Nicht wirksam zugestellt, daher keine Verjährungsunterbrechung. Zugestellt worden war nämlich weder dem Betroffenen noch dem zustellungsbevollmächtigten Verteidiger, sondern der Bußgeldbescheid war einer Kanzleikraft als „gesetzlichen Vertreter“ des Verteidigers übergeben worden . Dazu das AG: Das ist keine wirksame Ersatzzustellung:
„c) Jedoch wurde nach dieser ersten Unterbrechungshandlung danach keine weitere Unterbrechungshandlung fristgerecht vorgenommen. Insbesondere wurde der Bußgeldbescheid nicht nach §§ 26 Abs. 3 StVG, 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 OWiG innerhalb von 3 weiteren Monaten erlassen und an den bevollmächtigten Verteidiger oder den Betroffenen zugestellt.
aa) An den Betroffenen selbst wurde ausweislich der Akte nicht formell zugestellt. Eine Postzustellungsurkunde befindet sich jedenfalls nicht in der Akte.
bb) An den Verteidiger persönlich zugestellt wurde ebenfalls nicht. Denn ausweislich der Postzustellungsurkunde vom 24.04.2015 wurde der Bußgeldbescheid nicht dem Verteidiger selbst ausgehändigt.
cc) Auch fand keine zulässige und ordnungsgemäße Ersatzzustellung statt. Denn eine solche Handlung ist nicht auf der Postzustellungsurkunde vermerkt (Bl. 68 d.A.). Diesbezüglich entfaltet die Postzustellungsurkunde die ihr innewohnende Beweiskraft, die vorliegend nicht widerlegt wurde oder werden konnte.
dd) Stattdessen wurde ausweislich der Postzustellungsurkunde der Bußgeldbescheid „einem Vertretungsberechtigten (gesetzlichen Vertreter/Leiter)“, einer Frau …, …, übergeben. Dem Gericht ist dabei zum einen aufgrund von Telefonaten in anderen Sachen bekannt, dass es sich bei dieser Frau um die Sekretärin einer Anwältin aus der Kanzlei des Verteidigers des Betroffenen handelt, was zudem auch aus öffentlich zugänglichen Quellen, etwa der Homepage des Verteidigers, unproblematisch ersichtlich ist. Keinesfalls aber handelt es sich bei der empfangenden Person um die gesetzliche oder sonstige Vertreterin des Verteidigers, weder als Person noch in seiner Stellung als Organ der Rechtspflege. Eine solche „Zustellung“ kann aber die Verjährung nicht unterbrechen, denn eine ordnungsgemäße Zustellung lag hier nicht vor.“
Ergebnis: Einstellung durch Urteil.
Nur mal interessehalber nachgefragt: Offenbar gilt nach der Entscheidung des AG kraft Verweisung des RhPf VwzG das (Bundes)VwZG, das in § 3 Abs. 2 auf die ZPO §§ 177 bis 182 verweist. Gilt dann nicht 178 I Nr. 2 ZPO (Aushändigung an die Beschäftigte) ?
Die PZU hat wohl keine Beweiskraft hinsichtlich der Stellung „gesetzlicher Vertreter“ (s. BGH IV ZB 43/03) dann müsste es ja reichen, wennn gerichtsbekannt die Empfängerin Beschäftigte ist?
@ meine5cent: So ist es.
(Die BGH-Entscheidung hat das Az. IX ZB 43/03 [= NJW 2004, 2386].)
@Gast:
Danke für die AZ-Korrektur. Dann ist die Entscheidung des AG Landstuhl wohl nur klein, aber nicht fein …
Hätte ich jetzt auch so gesehen. Für die Wirksamkeit der Zustellung kommt es ja nicht darauf an, ob diese richtig beurkundet wurde. Entscheidend ist doch, ob sie tatsächlich dem Gesetz entsprechend bewirkt wurde.
Hier ist sie einer im Geschäftsraum des Verteidigers Beschäftigten übergeben worden. Dies genügt als Ersatzzustellung. Man könnte sich allenfalls fragen, ob man davon ausgehen kann, dass der Verteidiger selbst, an den vorrangig zuzustellen ist, tatsächlich nicht anwesend war. Dafür dürfte aber aufgrund der PZU trotz der fehlerhaften Beurkundung einiges sprechen.
Ich hätte es daher wohl anders entschieden.
Die amtsgerichtliche Entscheidung lässt indes die Auffassung des BGH in seinem Beschluss vom 04. Februar 2015 – III ZR 513/13 – außer Acht, wonach in der widerspruchslosen Entgegennahme des zustellenden Schriftstücks durch eine in den Geschäftsräumen beschäftigte Person (§ 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) zugleich die (konkludente) Erklärung liegt, dass der Zustellungsadressat abwesend beziehungsweise an der Entgegennahme der Zustellung verhindert ist und weitere Nachforschungen des Zustellers dann regelmäßig nicht veranlasst sind.
Krenberger merkt in ZfSch 2015, 290-292 an, dass die Entscheidungen auch Auswirkung auf OWi-Verfahren hat und die Verjährungsvariante i. S. d. Entscheidung des AG Pirmasens, Urt. v. 26.6.2008 – 4287 Js 2509/08.2 OWi künftig nicht mehr möglich sei.
RiAG Dr. Benjamin Krenberger ist Richter am AG Landstuhl und zuständiger Dezernent für Bußgeldsachen.