Umstritten ist derzeit in Rechtsprechung und Literatur die Frage, ob dem Beschuldigten gegen die Verweigerung von Akteneinsicht durch das Gericht ein Rechtsmittel (dann die Beschwerde) zusteht, oder ob dem § 305 Satz 1 StPO entgegensteht. Während die Rechtsprechung das früher bejaht hat, mehren sich inzwischen die Stimmen, die den Beschuldigten insoweit auf die Revision verweisen. Und das zut seit einiger Zeit auf Meyer/Goßner/Schmitt. Dieser Auffassung angeschlossen hat sich das OLG Nürnberg im OLG Nürnberg, Beschl. v. 18.05.2015 – 1 Ws 189/15:
Die grundsätzlich nach § 304 Abs. 1 StPO statthafte Beschwerde ist aufgrund § 305 S. 1 StPO unzulässig, § 305 S. 2 StPO greift nicht.
Zu den im Sinne von § 305 S. 1 StPO nicht beschwerdefähigen Entscheidungen zählen auch die Verfügungen des Strafkammervorsitzenden, wenn diese der Urteilsvorbereitung dienen, bei der Urteilsfällung der nochmaligen Überprüfung unterliegen und vom Revisionsgericht unter bestimmten Voraussetzungen überprüft werden können (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 305 Rn. 1 und 3 m. w. N.).
Eine derartige Entscheidung ist vorliegend gegeben. Der Vorsitzende der Strafkammer behandelte den Antrag vom 04.03.2015 auf Zugang zu auf zwei verfahrensgegenständlichen externen Festplatten gesicherten Daten zutreffend als Beweisermittlungsantrag. Die Zurückweisung dieses Antrags durch den Vorsitzenden steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens mit Urteil vom 17.04.2015. Das Urteil konnte nur ergehen, da die Strafkammer die Auswertung des auf den beiden Festplatten gespeicherten Mailverkehrs nicht veranlasst sah, also die Entscheidung des Vorsitzenden vom 10.03.2015 prüfte und für tragfähig erachtete.
Die Verweigerung von Akteneinsicht und von Einsicht in Beweismittel in der Zeit zwischen Eröffnungsbeschluss und Urteilsfällung können vom Angeklagten aufgrund § 305 S. 1 StPO nicht mit der Beschwerde angegriffen werden (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss des 3. Strafsenats vom 27.02.2003, StV 2004, 362, 363 m. w. N). Dies würde zu einer unnötigen Aufspaltung des Rechtsweges und zu einem unzulässigen Eingriff in die Prüfungskompetenz des Revisionsgerichts führen. Die Frage, ob es erforderlich gewesen wäre, die auf den beiden externen Festplatten enthaltenen Daten zu überprüfen und in die Hauptverhandlung einzuführen, ist alleine im Revisionsverfahren im Rahmen einer Verfahrensrüge zu klären.
Die Entscheidung des Vorsitzenden betraf in der vorliegenden Konstellation lediglich den Angeklagten, da die Ablehnung des Antrags auf Einsichtnahme in den Inhalt der Festplatten sich nur auf den Fortgang seines Verfahrens auswirkte und Rechte Dritter gewahrt blieben. § 305 S. 2 StPO ist somit nicht einschlägig.
Anders gelagert war insoweit die Entscheidung des 2. Strafsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 11.02.2015 (StraFo 2015, 102 ff.), da dort die Rechte der am Verfahren nicht beteiligten Telefongesprächspartner betroffen waren, so dass § 305 S. 1 StPO der Zulässigkeit der dortigen Beschwerde der Staatsanwaltschaft wegen § 305 S. 2 StPO nicht entgegenstand. Auch die in der Beschwerdebegründung erwähnte Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe (NJW 2012, 2742, 2743) befasste sich mit den Persönlichkeits- und Datenschutzinteressen Dritter, so dass entsprechendes gilt.“
Für mich ist die Auffassung im Hinblick auf das verfassungsrechtlich geschützte Recht auf rechtliches Gehör nicht so ganz überzeugend. Aber: Was will man machen?
„Was will man machen?“ Konsequenterweise Verfassungsbeschwerde einlegen.
ok,, ich bin mir nicht sicher, ob das BVerfG dafür derzeit ein Ohr hat 🙂
Ich führe erstmal die Revision durch 😉
Diese Rechtsprechung ist jedenfalls aus Gründen der Prozessökonomie bedenklich. Revision hin oder her, aber einen ganzen Prozess durchzuziehen, um dann den Gehörsverstoß nach Zurückweisung zu heilen, das mutet allen Beteiligten (zu) viel zu. Zumal der Umgang der Revisionsgerichte mit §344 StPO den Ausgang von Verfahrensrügen zum Glücksspiel werden lässt.
Sie rennen bei mir offene Türen ein 🙂
Was ist mit dem Informationsfreiheitsgesetz?
Sehr geehrter Herr Burhoff, Frage: 1993! Ich wohne nicht in Deutschland. Zivilprozess nennt mich als Beklagten. Urteil ergeht – schuldig. Folge: In 2003 wird ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ausgestellt und an meine alte Hausanschrift VOR meiner Ausreise zugestellt. Ich weiß von alledem nichts da ich ja nicht in Deutschland lebte.
Beantragte Akteneinsicht (nur noch Urteil und ein anderes Schriftstück vorhanden) wird mir verweigert mit dem Hinweis: Es könne theoretisch ja noch einen Menschen geben mit meinem Namen, meinem Geburtsdatum und an meiner Hausanschrift lebend. Was ist zu tun?
Danke für Ihren Kommentar.