Archiv für den Monat: Juni 2015

„Holzlatte“, oder: Dann wird es ein besonders schwerer Raub

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Gestern hatte ich mit meinem Beitrag Anfängerfehler?, oder: Wie sah das “Messer” denn nun aus? zum BGH, Beschl. v. 21.04.2015 – 4 StR 94/15 gepostet. Der BGH hatte da die landgerichtliche Entscheidung aufgehoben, weil die Strafkammer keiner ausreichenden Feststellungen zu dem bei einem Raub verwendeten Messer getroffen hatte und somit die Voraussetzungen des § 250 Abs. 2 Nr. 2 StGB nicht genügend belegt waren. Zu der Entscheidung passt ganz gut der BGH, Beschl. v. 12.03.2015 – 4 StR 538/14. Da geht es auch um einen Raubvorwurf. Das LG hatte nur wegen „schweren Raubes“ verurteilt. Die Staatsanwaltschaft sah im Tatgeschehen aber einen „besonders schweren Raub“ und hat daher Revision eingelegt. In der Sache geht es dann um „eine Holzlatte in der Art, wie sie bei dem Transport von Küchenschränken benutzt wird; sie war ca. 60 cm lang, 5 cm breit und 2 cm hoch, eckig und bestand aus Kiefernholz.“ Die wird als „gefährliches Werkzeug“ im Sinne von  § 224 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 StGB ein geordnet und damit ist dann auch der „besonders schwere Raub i.S. von § 250 Abs. 2 Nr. 2 StGB gegeben:

„a) Allerdings hat das Landgericht die vom Angeklagten M. verabredungsgemäß mitgeführte und eingesetzte Holzlatte – wie auch die Revision des Angeklagten P. nicht in Abrede nimmt – mit Recht als gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 StGB eingeordnet. Ein gefährliches Werkzeug im Sinne dieser Vorschrift ist jeder Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen (vgl. BGH, Be-schluss vom 7. Januar 1999, NStZ-RR 2000, 43; Urteil vom 27. September 2001 – 4 StR 245/01, NStZ 2002, 86). Das ist nicht nur dann der Fall, wenn der Täter ein generell gefährliches Tatmittel einsetzt, sondern auch, wenn sich die objektive Gefährlichkeit des eingesetzten Gegenstandes erst aus der konkreten Art seiner Verwendung ergibt, welche geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen. Die Gefährlichkeit des Tatmittels kann sich gerade daraus ergeben, dass ein Gegenstand bestimmungswidrig gebraucht wird (BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 – 4 StR 487/10, StV 2011, 366; vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 20. Mai 1999 – 4 StR 168/99, NStZ-RR 1999, 355 [abgesägter Besenstiel]; Urteile vom 21. Januar 2004 – 1 StR 364/03 [zum Fesseln benutzte Paket-schnur], vom 13. Januar 2006 – 2 StR 463/05 [„festes Schlauchstück“] und vom 5. August 2010 – 3 StR 190/10, NStZ 2011, 211, 212 [60 Zentimeter langes, stabiles Kunststoffband]; Beschluss vom 13. November 2012 – 3 StR 400/12 [Staubsaugerrohr]).

Unabhängig davon, dass eine Platzwunde in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als eine solche nicht unerhebliche Verletzung angesehen worden ist (BGH, Urteil vom 23. Mai 2001 – 3 StR 62/01, StV 2002, 80), ist für die Tatbestandserfüllung maßgebend nicht (allein) die eingetretene Verletzungsfolge, sondern die potentielle Gefährlichkeit der konkreten Benutzung des Werkzeugs (vgl. BGH, Urteil vom 4. September 2001 – 1 StR 232/01, StV 2002, 21). Die vom Angeklagten M. – dem gemeinsamen Tatplan folgend – als Schlagwerkzeug eingesetzte Holzlatte war insbesondere angesichts der für den Transport von Küchenmöbeln erforderlichen Stabilität, ihrer Beschaffenheit so-wie ihrer Länge und der damit verbundenen Hebelwirkung ohne weiteres geeignet, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen. Der eine Platzwunde verursachende Schlag war auf die Knieregion des Geschädigten gerichtet; dass es bei derartigen Schlägen zu erheblichen Verletzungen kommen kann, liegt auf der Hand. In dem dynamischen Geschehen, in dem M. die Holzlatte einsetzte, lag es zudem nahe, dass auch andere, möglicherweise empfindlichere Kör-perteile getroffen werden konnten (vgl. zu diesem Gesichtspunkt noch BGH, Urteil vom 13. Januar 2006 – 2 StR 463/05; MüKo-StGB/Hardtung, 2. Aufl., § 224 Rn. 24).

b) Daraus ergibt sich zugleich, dass die Angeklagten die Qualifikation in § 250 Abs. 2 Nr. 1 Fall 2 StGB erfüllt haben. Es ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass der Begriff des gefährlichen Werkzeugs in § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB und in § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB identisch auszulegen ist (BGH, Beschlüsse vom 17. Juni 1998 – 2 StR 167/98, BGHSt 44, 103, 105, vom 3. April 2002 – 1 ARs 5/02, NStZ-RR 2002, 265, 266, vom 3. November 2012 – 3 StR 400/12 und vom 12. Dezember 2012 – 5 StR 574/12, StV 2013, 444; vgl. auch Deutscher Bundestag, 13. Wp., Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 13/9064 S. 18). Das Landgericht hätte die Angeklagten daher jeweils wegen besonders schweren Raubes verurteilen müssen.“

Auch das sollte im Grunde auf der Hand liegen…..

„Tischberatung“, oder: Das ist mal Beschleunigung

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In Art. 5, 6 MRK ist der (allgemeiner) Beschleunigungsgrundsatz für die gerichtlichen Verfahren verankert. Während man manchmal den Eindruck hat, dass der doch an dem ein oder anderen Gericht „spurlos“ vorbei geht, gibt es auf der anderen Seite natürlich auch Gerichte, die es mit dem Beschleunigungsgrundsatz sehr genau nehmen. So offenbar eine Strafkammer des LG Flensburg. Da hat man dann so schnell verhandelt/beraten, dass der Verteidiger es scheinbar gar nicht mitbekommen und dann in der Revision das Fehlen der Urteilsberatung gerügt hat. Aber alles gut: .

„Ausweislich der dienstlichen Stellungnahme des Vorsitzenden Richters vom 10. März 2015 (Bl. 188 der Verfahrensakten) hat vor der Urteilsverkündung eine „Tischberatung“ stattgefunden.“

So heißt es dazu dann im BGH, Beschl. v. 28.04.2015 – 5 StR 141/15. Also schnell, aber wohl dann doch nicht zu schnell. Ich frage mich, warum das sein muss und/oder warum man nicht zumindest den Schein wahrt und für die Beratung kurzfristig den Sitzungssaal verlässt. Allerdings räume ich ein: Aus dem kurzen Satz lässt sich nicht ablesen, was denn nun im Einzelnen passiert ist. Jedenfalls war es dem Verteidiger eine Revisionsrüge wert.

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Welcher Rahmen für Grund- und Verfahrensgebühren?

© haru_natsu_kobo Fotolia.com

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Die Frage vom vergangenen Freitag: „Ich habe da mal eine Frage: Welcher Rahmen für Grund- und Verfahrensgebühren?“ war m.E. nun wirklich nicht schwer. Die Lösungen/Kommentare hier oder bei Facebook gehen auch alle in die richtige Richtung. Die Frage ist nämlich wie folgt zu beantworten:

  • Die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG ist unabhängig von der Ordnung des Gerichts, die kann allenfalls über die Bedeutung der Sache eine Rolle spielen. Dürfte hier aber nicht zum Tragen kommen.
  • Für die Nr. 4104 VV RVG gilt dasselbe. Auch die Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren ist „gerichtsordnungsunabhängig“.
  • Die gerichtliche Verfahrengebühr ist aus dem Rahmen der Nr. 4112 VV RVG entstanden, dabei bleibt es auch nach der Abgabe der Sache an das AG  (§ 15 Abs. 4 RVG; LG Bad Kreuznach, Beschl. v. 02.09.2010 – 2 Qs 72/10).
  • Und: Vergessen darf man auch nicht die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG. Die ist dann aber nur aus dem Rahmen der Nr. 4106 VV RVG entstanden, da nur beim AG eine Hauptverhandlung vermieden wurde.

Und das Ganze dann ggf. je dreimal. Denn so lange nicht verbunden worden ist, haben wir es mit drei Angelegenheiten zu tun, in denen nach § 15 Abs. 2 RVG die Gebühren jeweils entstehen können.

Anfängerfehler?, oder: Wie sah das „Messer“ denn nun aus?

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Das LG Essen hat einen Angeklagten u.a wegen besonders schweren Raubes in sechs Fällen verurteilt. Zwei Fälle haben beim BGH „nicht gehalten“. Der 4. Strafsenat moniert zu knappe Feststellungen und hat im BGH, Beschl. v. 21.04.2015 – 4 StR 94/15 – aufgehoben und zurückverwiesen. Er sieht nach den landgerichtlichen Feststellungen die Voraussetzungen des  § 250 Abs. 2 Nr. 2 StGB nicht ausreichend dargelegt. Die Rede war im Urteil wohl nur von einem „Messer“, ohne dass das näher beschrieben worden ist. Das reicht dem BGH nicht:

b) Die Annahme eines besonders schweren Raubes in der Begehungsform des § 250 Abs. 2 Nr. 2 StGB begegnet in beiden Fällen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

aa) Nach § 250 Abs. 2 Nr. 2 StGB ist ein unter den Bedingungen des § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB (bandenmäßig) begangener Raub als besonders schwerer Raub zu bewerten, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub eine Waffe bei sich führt. Dabei ist der auch für § 250 Abs. 2 Nr. 1 und § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB geltende Begriff der Waffe im technischen Sinn zugrunde zu legen (Eser/Bosch in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 250 Rn. 31; SSW-StGB/Kudlich, 2. Aufl., § 250 Rn. 26; Kindhäuser in: Kindhäuser/ Neumann/Paeffgen, StGB, 4. Aufl., § 250 Rn. 22). Danach ist eine Waffe ein körperlicher Gegenstand, der nach seiner Art für Angriffs- oder Verteidigungszwecke bestimmt und zur Verursachung erheblicher Verletzungen generell geeignet ist (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juni 2008 – 3 StR 246/07, BGHSt 52, 257 Rn. 13; Urteil vom 11. Mai 1999 – 4 StR 380/98, BGHSt 45, 92, 93; Eser/ Bosch in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 250 Rn. 31; Kindhäuser in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 4. Aufl., § 250 Rn. 22 und § 244 Rn. 4). Die Begriffsbestimmungen des Waffengesetzes – im konkreten Fall vornehmlich die Regelungen zu den verbotenen Messern (vgl. Anlage 2 Abschnitt 1 Nrn. 1.4.1 bis 1.4.3 zu § 2 Abs. 2 bis 4 WaffG) – können hierbei eine Orientierungshilfe bieten (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2003 – GSSt 2/02, BGHSt 48, 197, 203; Kindhäuser in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 4. Aufl., § 244 Rn. 5; SSW-StGB/Kudlich, 2. Aufl., § 244 Rn. 6 mwN). Das Landgericht hat weder im Fall II. 2 noch im Fall II. 8 der Urteilsgründe nähere Feststellungen dazu getroffen, was für ein Messer Verwendung gefunden hat. Es bleibt daher offen, ob bei den jeweils bandenmäßig begangenen Raubtaten tatsächlich eine Waffe im technischen Sinn mitgeführt worden ist.

Auch so eine Sache, die eine „ausgewachsene“ Strafkammer kennen/wissen sollte. An der Stelle ist der BGh nun mal streng, egal, ob es einem passt oder nicht. Also: Anfängerfehler?

Der „kommunikative Prozess“ beim TOA

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Der sog. Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) spielt in der Praxis der Sttrafzumessung zunehmend eine Rolle und kann für den (verurteilten) Angeklagten hinsichtlich der Strafhöhe erhebliche Bedeutung erlangen. Das zeigt sich noch einmal im BGH, Beschl. v. 28.04.2015 – 3 StR 647/14. Da hatte der Angeklagte sich nach einer räuberischen Erpressung beim Opfer brieflich entschuldigt und 500 € zur Wiedergutmachung gezahlt. Das LG hatte dennoch die Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB und damit das Vorliegen eines sog. vertypten Strafmilderungsgrundes verneint. Der BGH hat das anders gesehen und aufgehoben:

„Das Landgericht hat die Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs nach § 46a Nr. 1 StGB für nicht gegeben erachtet, weil es an „umfassenden Ausgleichsbemühungen“ und einem „kommunikativen Prozess“ zwischen Täter und Opfer fehle. Dies wird dem festgestellten Nachtatverhalten des Angeklagten nicht gerecht. Danach hat dessen Familie vor der Verhandlung 500 € an die Geschädigte gezahlt. Weitere Zahlungen sind beabsichtigt. Der  Angeklagte selbst hat sich aus der Untersuchungshaft brieflich und sodann in der Hauptverhandlung persönlich bei der Geschädigten entschuldigt. Diese hat die Entschuldigung angenommen. Damit hat der erforderliche, vom Bestreben nach Wiedergutmachung getragene kommunikative Prozess stattgefunden. Dass die Zahlung von der Familie des in Untersuchungshaft befindlichen, zur Tatzeit 23 Jahre alten Angeklagten erbracht wurde, steht der Anwendung der Vorschrift nicht entgegen, da diese – anders als § 46a Nr. 2 StGB – keine erheb-liche persönliche Leistung oder erheblichen persönlichen Verzicht voraussetzt (BGH, Beschluss vom 17. Juni 1998 – 1 StR 249/98, BGHR StGB § 46a Nr. 1 Ausgleich 2).“