Frau im Pflegeheim? Egal – das rettet nicht vor einem Fahrverbot

© Spencer - Fotolia.com

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Ein Paradebeispiel dafür, wie streng die OLG mit der Frage des Absehens vom Fahrverbot sind, ist für mich mal wieder der KG, Beschl. v. 22.03.2015 – 3 Ws (B) 132/15 – 122 Ss 38/15. Das AG hatte wegen der vom Betroffenen geltend gemachten besonderen Umstände vom Fahrverbot abgesehen, dem KG reichten die nicht:

„c) Die Begründung, mit der sich das Amtsgericht dazu veranlasst gesehen hat, trotz des Vorliegens einer groben Pflichtverletzung vom Fahrverbot abzusehen, hält rechtlicher Überprüfung aber nicht stand.

aa) Zwar gilt die Vorbewertung des Verordnungsgebers, die in § 4 Abs. 1 BKatV bezeichneten Ordnungswidrigkeiten seien in der Regel durch ein Fahrverbot zu ahnden, nicht uneingeschränkt. Auch wenn nach ständiger Rechtsprechung des Senats ein Kraftfahrzeugführer, der ein Fahrverbot durch mangelnde Verkehrsdisziplin riskiert, nicht geltend machen kann, auf den Führerschein angewiesen zu sein (vgl. zuletzt VRS 127, 74; 117, 197), können sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgebot und dem Übermaßverbot in besonderen Einzelfällen doch Ausnahmen ergeben. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die durch das Fahrverbot bedingte Einschränkung der Mobilität und berufliche oder wirtschaftliche Nachteile als häufige Folgen hinzunehmen sind, ohne dass schon deshalb ein Absehen vom Fahrverbot gerechtfertigt wäre (vgl. Senat VRS 127, 259; 108, 286; 108, 288; OLG Frankfurt NStZ-RR 2001, 344). Vielmehr muss das Fahrverbot zu einer Härte ganz außergewöhnlicher Art führen, wie etwa dem Verlust des Arbeitsplatzes bei einem Arbeitnehmer oder dem Existenzverlust bei einem Selbstständigen, wobei nach der Einführung des § 25 Abs. 2a StVG mit der für einen unvorbelasteten Betroffenen bestehenden Möglichkeit, den Beginn der Wirksamkeit des Verbots in einem Zeitraum von vier Monaten selbst zu bestimmen, ein noch strengerer Maßstab anzulegen ist (vgl. OLG Frankfurt DAR 2002, 82). Hierbei ist auch in Rechnung zu stellen, dass einem Betroffenen zuzumuten ist, durch eine Kombination von verschiedenen Maßnahmen (Einstellung eines Fahrers, Benutzung anderer Verkehrsmittel usw.) die Zeit eines Fahrverbots zu überbrücken und für die finanziellen Belastungen notfalls einen Kredit aufzunehmen (vgl. Senat VRS 127, 259; OLG Frankfurt DAR 2002, 82).

bb) Nach diesen Grundsätzen ergeben die festgestellten Lebensverhältnisse des Betroffenen nicht, dass das Fahrverbot für ihn eine ganz außergewöhnliche Härte darstellen würde. Dies gilt sowohl für jeden einzelnen im Urteil niedergelegten Umstand als auch für eine Gesamtschau aller Umstände. Dass der Betroffene seine Ehefrau, die in einem Pflegeheim in W. wohnt, (zur Zeit) an jedem Wochenende besucht, gibt keinen Anlass, ein einmonatiges Fahrverbot als unzumutbar anzusehen. W. liegt nur etwa 45 km vom Wohnort des Betroffenen, N., entfernt, und ist, was allgemeinkundig ist, mit dem Regionalexpress der Deutschen Bahn in gut 20 Minuten zu erreichen. Dem Betroffenen ist die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln auch dann zuzumuten, wenn das Pflegeheim vom Bahnhof in W., wie festgestellt, nur „schwer“ zu erreichen ist. Denn der Betroffene kann notfalls für die offenbar nicht übermäßig lange Strecke ein Taxi nehmen. Nichts anderes gilt für den ebenfalls im Urteil festgestellten Umstand, dass der Betroffene seine Frau einmal im Monat mit dem Auto nach Hause holt. Wenn er dies unmittelbar vor dem Beginn des Fahrverbots und erneut kurz danach tut, so ergibt sich keine spürbare Veränderung gegenüber der bisherigen Praxis. Auch die Gewohnheit des Betroffenen, seine Frau bei Arztbesuchen zu begleiten, begründet keine besondere Härte. Denn auch hierbei ist es dem Betroffenen für die Dauer eines Monats zuzumuten, für sich und seine Frau ein Taxi zu nehmen. Dass hierbei unzumutbar große Strecken zurückzulegen wären, etwa zu einer weit entfernten Spezialklinik, ist durch das Amtsgericht nicht festgestellt worden. Schließlich lassen auch die Umstände, dass die Eltern des Betroffenen „zunehmend hilfsbedürftig“ seien und der Betroffene sich um sie kümmere und Besorgungen erledige (jeweils UA S. 2), das Fahrverbot nicht als übergroße Härte erscheinen. Das Urteil teilt mit, die Eltern wohnten betreut. Dies legt nahe, dass es der Besorgungen durch den Betroffenen nicht dringend bedarf. Zudem hat das Amtsgericht keine Feststellungen dazu getroffen, wo die Eltern überhaupt leben, so dass sich aus dem Urteil das Erfordernis, ein Auto zu verwenden (und zudem selbst zu steuern), nicht ergeben kann.“

Dazu nur kurz: Es hat mal die Rechtsprechung gegeben, dass die OLG die Entscheidung des Tarichters, vom Fahrverbot abzusehen, „bis zur Grenze des Vertretbaren“ hinzunehmen haben (vgl. OLG Bamberg NJW 2008, 3155, OLG Hamm VA 2005, 213; NZV 2007, 258 = VRR 2007, 350; NZV 2008, 306; 2008, 308; OLG Köln zfs 2007, 173 = VRS 111, 438 = DAR 2007, 159; ähnlich OLG Bamberg DAR 2006, 515). Die scheint – zumindest beim KG – in Vergessneheit geraten zu sein. Ich frage mich nämlich, was eigentlich an der amtsgerichtlichen Entscheidung nicht „vertretbar“ war, wenn man zudem noch berücksichtigt, dass der Betroffene offenbar wegen Urindrang zu schnell gefahren ist. Und: Auch hier wieder der Hinweis auf die Möglichkeit einer Kreditaufnahme – ohne mit einem Wort darauf einzugehen, dass die Kreditaufnahme dem Betroffenen dann aber auch möglich sein muss und dazu m.E. Feststellungen getroffen werden müssten.

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