Schon länger hängt in meinem Blogordner der BGH, Beschl. v. 29.01.2015 – 4 StR 424/14, in dem es um die Frage einer exhibitionistischen Handlung (§ 183 StGB) ging, und zwar auf der Grundlage folgender Sachverhaltsfeststellungen: Der Angeklagte war als Fallmanager der Bundesagentur für Arbeit im Bereich Stellenvermittlung tätig. In dieser Funktion hatte er die „sehr sensible und wenig durchsetzungsfähige Nebenklägerin“ in sein Büro bestellt. Obwohl die Nebenklägerin seine Frage, ob sie bei ihm den Oralverkehr durchführe, verneint hatte, hat der Angeklagte sein erigiertes Geschlechtsteil entblößt und es ihr, ohne dass die Nebenklägerin sich zur Wehr setzte, in den Mund geführt. Nach kurzer Zeit hat er seinen Penis aus ihrem Mund gezogen, sich hinter die Nebenklägerin gestellt und sich selbst befriedigt. Hierbei hat der Angeklagte wiederholt seinen Penis an den Hinterkopf der Nebenklägerin gehalten und sich neben sie gestellt, damit sie ihm zuschaue, wozu er sie auch aufgefordert hat. Die Nebenklägerin, die schockiert gewesen ist, hat ihren Kopf immer wieder vom Angeklagten abgewandt, der schließlich in seine Hand ejakuliert hat. Das LG hatte eine exhibitionistische Handlung, und zwar mit der Begründung, der Angeklagte habe sich nicht entblößt, um sich durch die Reaktion der Nebenklägerin zu erregen, sondern weil er sich erhofft habe, mit ihr den Oralverkehr ausüben zu können. Dass er sich ihr später noch einmal gezeigt habe, sei nicht als neuer Tatentschluss zu werten, denn entblößt habe der Angeklagte sich zur Durchführung des Sexualverkehrs.
Das sieht der BGH anders:
„Eine exhibitionistische Handlung ist dadurch gekennzeichnet, dass der Täter einem anderen ohne dessen Einverständnis sein entblößtes Glied vorweist, um sich dadurch oder zusätzlich durch Beobachten der Reaktion der anderen Person oder durch Masturbieren sexuell zu erregen, seine Erregung zu steigern oder zu befriedigen (BT-Drucks. VI/3521 S. 53; BGH, Urteil vom 5. September 1995 – 1 StR 396/95, BGHR StGB § 183 Abs. 1 Exhibitionistische Handlung 1). Die Tathandlung liegt in dem Vorzeigen des entblößten Gliedes mit dem Ziel des hierdurch bewirkten sexuellen Lustgewinns. Dass der Täter sein Geschlechtsteil bereits zu diesem Zweck entblößt hat, setzt die Vorschrift hingegen nicht voraus (aA BayObLG NJW 1999, 72, 73). Weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus den Gesetzesmaterialien kann eine solche Einschrän-kung hergeleitet werden. Vielmehr kann auch ein Täter, der sein Glied zuvor etwa zum Zwecke des Urinierens frei gemacht hat oder der aus sonstigen Gründen nackt herumläuft, die Tathandlung begehen, wenn er sich in bereits entblößtem Zustand entschließt, einem anderen ohne dessen Einverständnis sein Glied zum Zwecke des sexuellen Lustgewinns zu präsentieren.“
Vielleicht hätte man das Verfahren bezüglich der exhib. Handlung auch einstellen, bzw. den Delinquenten insoweit freisprechen können, und zwar mit der Begründung, es sei nicht erwiesen, daß dem Täter bewußt war, die Zeugin werde sein entblößtes Glied sehen. 🙂 Klingt befremdlich, aber mit genau dieser Begründung stellte die StA Berlin vor Jahren ein Verfahren gegen einen meiner Klienten ein. Dieser hatte sich zu fraglichem Behufe in seine Jeans-Hose an eben der Stelle , wo das männlich Glied an der Lende zu hängen, bzw. zu stehen pflegt, ein großes kreisrundes Loch geschnitten. Unterwäsche trug er zur „Tatzeit“ nicht. Solchermaßen ausgerüstet lustwandelte er in unmittelbarer Nähe des Urinierhäuschens am Wittenbergplatz in Berlin-Schöneberg. Das zwangsläufig folgende Verfahren aufgrund der Anzeige einer sich unsittlich belästigt fühlendenen Frau stellte, der milde lächelnde Staatsanwalt mit jener oben genannten Begründung sanktionslos ein. Das näherliegende Argument, der „Täter“ habe es vielleicht gar nicht auf Weibsvolk, sondern auf Knaben abgesehen, hätte die tiefschürfende Erörterung zur Folge gehabt, ob aberratio oder error, oder wohl sogar ein Wahndelikt vorgelegen haben könnte. All diese interessanten Erwägungen blieben uns aufgrund des stringenten Scharfsinns des Staatsanwaltes vorenthalten.