Der “Urteilsdealer des Vertrauens” – der Kollege Garcia von de legibus – hat mich mal wieder auf zwei interessante Entscheidungen hingewiesen. Ich bin für diese Hinweise immer echt dankbar, weil man nicht alles selbst finden kann.
Hier also die dann die erste Entscheidung, und zwar der BVerfG, Beschl. v. 28.06.2014 – 1 BvR 1837/12, mit einem – vor allem für Verkehrsrechtler – interessanten obiter dictum. Es geht um die Auswirkungen einer Problematik, die uns seit – auf den Tag genau heute acht Jahre (!!!) – beschäftigt, nämlich die mit dem Richtervorbehalt bei § 81a StPO zusammenhängenden Fragen (vgl. dazu zunächst der BVerfG, Beschl. v. 12.02.2007 – 2 BvR 273/06). Im Anschluss an diese Entscheidungen und die daran anschließende Rechtsprechung hatte die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung die Auffassung vertreten: Die Fragen interessieren uns nun weniger. Selbst wenn ggf. ein Verstoß gegen den Richtervorbehalt des § 81a Abs. 2 StPO vorliegt und sich darauf – im Strafverfahren – ein Beweisverwertungsverbot gründen sollte, gilt das nicht für Verwaltungsverfahren, insbesondere nicht für die Entziehung der Fahrerlaubnis. In den Verfahren können die Blutentnahmen etc verwendet werden. Nun, ob das so richtig ist, habe ich bezweifelt, aber: der Zug ist in die andere Richtung gefahren.
Nun aber das BVerfG im Beschluss vom 24.06.2014:
„Mangels zulässiger Rüge besteht daher kein Anlass, der Frage nachzugehen, ob es mit der Verfassung vereinbar ist, dass nicht nur im Einzelfall sondern nach gefestigter Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 28. Januar 2010 – 11 CS 09.1443 -, juris, Rn. 27; Beschluss vom 21. November 2011 – 11 CS 11.2247 -, juris, Rn. 11; Beschluss vom 9. Mai 2012 – 11 ZB 12.614 -, juris, Rn. 4) wie auch anderer Oberverwaltungsgerichte (vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 21. Juni 2010 – 10 S 4/10 -, juris, Rn. 11; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. November 2009 – OVG 1 S 205.09 -, juris, Rn. 3; Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 20. März 2008 – 1 M 12/08 -, juris, Rn. 7; Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 14. August 2008 – 12 ME 183/08 -, juris, Rn. 6; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 3. September 2010 – 16 B 382/10 -, juris, Rn. 2; Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29. Januar 2010 – 10 B 11226/09 -, juris, Rn. 8; Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 1. November 2012 – 3 O 141/12 -, juris, Rn. 7; Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 1. Februar 2010 – 3 B 161/08 -, juris, Rn. 7; Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Beschluss vom 9. Dezember 2009 – 4 MB 121/09 -, juris, Rn. 3 f.) bei der Entziehung von Führerscheinen offenbar generell die Verwertung von Erkenntnissen akzeptiert wird, die auf Blutentnahmen beruhen, welche unter Verstoß gegen den einfachgesetzlichen Richtervorbehalt in § 81a Abs. 2 StPO gewonnen wurden. Auch wenn der in § 81a Abs. 2 StPO gesetzlich angeordnete Richtervorbehalt nicht auf einer zwingenden verfassungsrechtlichen Vorgabe beruhen mag (vgl. BVerfGK 14, 107 <113>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Februar 2011 – 2 BvR 1596/10 -, EuGRZ 2011, S. 183 <185>), bestehen doch aus rechtsstaatlicher (Art. 20 Abs. 3 GG) wie auch grundrechtlicher (Art. 2 Abs. 2 GG) Sicht erhebliche Bedenken gegen eine Praxis, die den gesetzlichen Richtervorbehalt für den Bereich verwaltungsbehördlicher Eingriffsmaßnahmen durch eine großzügige Verwertung rechtswidrig erlangter Beweismittel (vgl. zu Beweisverwertungsverboten BVerfGE 65, 1 <43 ff.>; 106, 28 <48 ff.>; 113, 29 <61>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 16. März 2006 – 2 BvR 954/02 -, NJW 2006, S. 2684 <2686>; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 9. November 2010 – 2 BvR 2101/09 -, NJW 2011, S. 2417 <2419>; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Februar 2011 – 2 BvR 1596/10 und 2 BvR 2346/10 -, juris, Rn. 18) flächendeckend aushebelt.“
Und: Die Mahnung scheint beim BayVGH – um eine Entscheidung von ihm ging es beim BVerfG – angekommen zu sein. Denn im VGH Bayern, Beschl. v. 31.120.2014 – 11 CS 14.1627 – heißt es: „Die Frage eines Verwertungsverbots (vgl. hierzu BVerfG, B.v. 28.6.2014 – 1 BvR 1837/12 – juris) stellt sich insoweit im Fahrerlaubnisverfahren wohl nicht.“ „wohl nicht“ – das ist doch schon mal was 🙂 .
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