Neues vom „Rebellensenat“ des BGH: Eine Vorsitzendenverfügung mit (Pflichtverteidiger)Folgen

© G.G. Lattek - Fotolia.com

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Der BGH hatte ja schon mit seiner PM Nr. 140/14 vom 06.10.2014 über eine Verfügung des Vorsitzenden des 2. Strafsenats des BGH – des „Rebellensenats“ (?) 🙂 (vgl. hier: 2. Strafsenat des BGH – “Rebellensenat”? – nee, nur “Unruhestifter”v. 25.09.2014 – 2 StR 163/14) -) berichtet, die dann ja auch schon Gegenstand der Berichterstattung in anderen Blogs gewesen ist (vgl. u.a. hier: Revisionshauptverhandlung nicht ohne Verteidiger). Nun liegt seit gestern der Volltext vor, so dass ich auch auf diese Entscheidung hinweisen will. Vorab: Die Entscheidung hat erhebliche Bedeutung, was sich beim BGH u.a. daran zeigt, dass der BGH eine PM zu einer Vorsitzenden Verfügung herausgibt und diese dann auch zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen ist.

In der Sache geht es um eine auf den 07.01.2015 terminierte Hauptverhandlung beim 2. Strafsenat. Der hatte bereits am 20.08.2014 schon einmal über die Revision der Staatsanwaltschaft verhandeln wollen. Da war aber für einen der Angeklagten dessen Verteidiger nicht erschienen. Der 2. Strafsenat hat deshalb die Hauptverhandlung ausgesetzt. Jetzt ist neu terminiert worden und der bisherige Wahlanwalt des Angeklagten, der in der Hauptverhandlung nicht anwesend war, zum Pflichtverteidiger bestellt worden. Nun muss er kommen, wenn er nicht nach § 145 Abs. 4 StPO die Kosten des neuen Termins auferlegt bekommen will. Zur Begründung schreibt der Vorsitzende des Senats – es erübrigt sich an sich, aber dennoch – „Prof. Dr. Fischer“:

Nach dem Wortlaut des § 350 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 StPO ist die Anwesenheit eines gewählten Verteidigers in der Revisionshauptverhandlung grundsätzlich nicht erforderlich. Nach der bisherigen Rechtsprechung und Übung ist ein Pflichtverteidiger für die Revisionshauptverhandlung nur dann zu bestellen, wenn ein „schwerwiegender Fall“ vorliegt (BVerfGE 46, 202) oder die Rechtslage besonders schwierig ist (vgl. BGHSt 19, 258; Meyer-Goßner/ Schmitt StPO 57. Aufl. § 350 Rn. 7 f. mit weiteren Nachweisen).

Nach Auffassung des 2. Strafsenats genügt die bisherige Praxis, wonach zahlreiche Revisionshauptverhandlungen ohne Anwesenheit der Angeklagten und ihrer gewählten Verteidiger durchgeführt werden, den Anforderungen des Art. 6 Abs. 3 Buchstabe c MRK nicht. In Anbetracht des Umstands, dass die Revision zum Bundesgerichtshof das einzige Rechtsmittel gegen Urteile der großen Strafkammer der Landgerichte und der erstinstanzlichen Senate der Oberlandesgerichte ist, erscheint es nicht vertretbar, den Angeklagten in Hauptverhandlungen, an deren Ende eine ihn beschwerende Entscheidung er-gehen kann, ohne jegliche Vertretung und – bei regelmäßiger Abwesenheit des Angeklagten selbst – jedenfalls faktisch ohne rechtliches Gehör zu lassen. Das gilt vor allem bei Hauptverhandlungen über Revisionen der Staatsanwaltschaft oder von Nebenklägern, muss aber gleichermaßen für solche über Revisionen des Angeklagten gelten.

Dem steht nicht entgegen, dass es dem Angeklagten freigestellt ist, sich in der Hauptverhandlung durch einen Wahlverteidiger vertreten zu lassen (§ 350 Abs. 2 Satz 1 StPO) und dass dem Nichterscheinen eines Verteidigers auch ein Kosteninteresse des Angeklagten zugrunde liegen kann.


Die Gründe, aus welchen ein Wahlverteidiger nicht zur Revisionshauptverhandlung erscheint, können vielfältig sein und müssen mit den Interessen des Angeklagten nicht übereinstimmen. Auf das mögliche Interesse des Angeklagten, nicht mit Pflichtverteidigerkosten als Verfahrenskosten belastet zu wer-den, kommt es nach der gesetzlichen Wertung des § 140 StPO nicht an.

Teilt ein Wahlverteidiger mit, dass er zur Hauptverhandlung vor dem Revisionsgericht nicht erscheinen werde, ist er daher in der Regel zum Pflichtverteidiger für die Revisionshauptverhandlung zu bestellen, um die Durchführung des Verfahrens zu sichern.

Das hierin möglicherweise liegende berufstypische Sonderopfer hat er hinzunehmen.

Eine Entscheidung, die m.E. von weit tragender Bedeutung im Recht der Pflichtverteidigung sein dürfte, denn:

  1. Bedeutung hat sie m.E. nicht nur für die Revisionshauptverhandlungen beim BGH, sondern auch bei den OLG. Zwar ist da die Revision i.d.R. nicht das einzige Rechtsmittel (gewesen), aber das letzte, das Verfahren abschließende.
  2. Ein Pflichtverteidiger dürfte jedenfalls bei Sprungrevisionen und Revisionen der Staatsanwaltschaft oder des Nebenklägers zu bestellen sein.
  3. Und: M.E. bietet die Entscheidung Argumentationshilfe im Berufungsverfahren, wenn es um Berufungen der Staatsanwaltschaft oder des Nebenklägers geht.
  4. Für den (Pflicht)Verteidiger wegen des „Sonderopfers“: Das relativiert sich m.E. dadurch, dass der BGH mit der Gewährung von Pauschgebühren für die Revisionshauptverhandlung verhältnismäßig großzügig ist.

2 Gedanken zu „Neues vom „Rebellensenat“ des BGH: Eine Vorsitzendenverfügung mit (Pflichtverteidiger)Folgen

  1. Detlef Burhoff

    Ich wage zu bezweifeln, dass das KG schon am 16.09.2014 wusste, was der 2. Strafsenat des BGH am 25.09.2014 verfügt. Lässt sich sicherlich nicht ohne Kenntnis der Einzelheiten der KG-Verfahrens beurteilen. Es hat ja auch schon nach „altem Recht“ Beiordnungen gegeben :-).

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