Das Thema der erkennungsdienstlichen Behandlung des Betroffenen im Bußgeldverfahren, und zwar unter Zwang, kocht wieder. Wir hatten darüber ja schon 2012 in Zusammenhang mit dem LG Zweibrücken, Beschl. v. 31.05.2012 – Qs 55/12, berichtet (vgl. dazu „So geht`s: Unmittelbarer Zwang in der Sitzung bei Identifizierungsgutachten“ über den LG Zweibrücken, Beschl. v. 31.05.2012 – Qs 55/12). Zu der Problematik gibt es jetzt eine OLG-Entscheidung, nämlich den OLG Stuttgart, Beschl. v. 26.08.2014 – 4 Ss 225/14. Das OLG geht da einen etwas anderen Weg als das LG Zweibrücken.
Vorab: Ich will mich jetzt gar nicht wieder darüber auslassen, ob das OLG unser OWi-Handbuch und meine Ausführungen darin zu dieser Frage richtig zitiert hat. Das habe ich in der anstehenden 4. Aufl. eh geändert bzw. versucht, es zu ändern. Sondern: Richtig ist es, wenn das OLG auf weniger einschneidende Mittel verweist und rügt, dass das AG die nicht angewendet hat:
„Im Bußgeldverfahren, in dem die Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen nur unter engen Voraussetzungen zulässig ist, ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz jedoch in besonderem Maße zu beachten. Aufgrund dessen haben weniger belastende Maßnahmen Vorrang (Burhoff aaO mwN).
Dem Senat ist aus zahlreichen früheren Bußgeldverfahren bekannt, dass andere anthropologische Sachverständige, die ebenso wie der Gutachter im vorliegenden Verfahren der „Arbeitsgruppe Identifikation nach Bildern“ (AGIB) angehören, in der Lage sind, zumindest in Bußgeldsachen ein mündliches Lichtbildvergleichsgutachten zu erstatten, ohne dass die Fertigung eines Vergleichsbildes vor der Hauptverhandlung erforderlich ist. Vielmehr erstellen diese Sachverständigen ein digitales Vergleichsbild des Betroffenen im Rahmen der Hauptverhandlung, das mit dem im Vorfeld bereits ausgewerteten Tatbild abgeglichen wird. Hierfür ist unter normalen Umständen ein Zeitraum von ca. 10 – 20 Minuten erforderlich. Die Erstattung des mündlichen Gutachtens folgt unmittelbar im Anschluss. Eine nennenswerte Verzögerung des Verfahrens entsteht bei dieser Vorgehensweise nicht. Die Fertigung eines Lichtbilds durch den Sachverständigen im Hauptverhandlungstermin stellt für den Betroffenen somit einen geringeren Eingriff dar als die Fertigung von Lichtbildern durch den polizeilichen Erkennungsdienst, die üblicherweise auf einer Polizeidienststelle – mit der Möglichkeit der zwangsweisen Vorführung – an einem zusätzlichen Termin erfolgt (vgl. auch LG Zweibrücken aaO).“
Das OLG verneint dann aber ein Beweisverwertungsverbot – alles andere hätte mich auch erstaunt. Die Argumentation kann ich noch nachvollziehen, ob sie die Auffassung des OLG trägt, ist eine andere Frage. Dazu weiß man zu wenig von den Umständen der Erstellung des Vergleichsbildes. Was mir allerdings fehlt, ist eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob das AG das Vergleichsbild in der Hauptverhandlung überhaupt verwerten konnte/durfte, nachdem der Betroffene vom Erscheinen entbunden war, also ohne ihn verhandelt wurde. Aber auch insoweit kann man ohne die näheren Umstände abschließend nichts sagen.