Während des Studiums war ich in den Semesterferien Briefträger bei der Post. das war ein schöner Job, bei dem man zwar morgens früh anfangen musste – aufstehen war noch nie ein Problem für mich -, aber dafür i.d.R. auch schon mittags fertig war. Und der Job wurde gut bezahlt. Ich weiß noch, dass bei der Einarbeitung durch erfahrene Kollegen der Post, großes Gewicht auf die Fragen der Zustellung gelegt wurde. Warum und wieso, darüber habe ich damals – das räume ich ein – mir nur wenig Gedanken gemacht. Im Laufe des Studiums usw. lernt man dann sehr schnell, dass die Frage der Wirksamkeit einer Zustellung verfahrensentscheidend sein kann. Daher auch immer in allen FA-Kursen mein Rat: Achten Sie auf die Wirksamkeit der Zustellung, häufig entscheidet sich ggf. schon da das Verfahren für den Mandanten.
Deshalb heute dann ein Hinweis auf den OLG Hamm, Beschl. v. 27.03.2013 – III-5 RVs 50/13, der die mit der Wirksamkeit einer Ersatzzustellung zusammenhängenden Fragen zum Gegenstand hat. Das war der Angeklagte zur Berufungshauptverhandlung im Wege der Ersatzzustellung geladen worden. Als er nicht erschien, hat das LG seine Berufung verworfen. Der Angeklagte hat dann die Unwirksamkeit der Ladung geltend gemacht, weil er an der Stelle, an der geladen worden war, nicht tatsächlich wohnhaft sei.Das OLG hat die Zustellung als wirksam angesehen:
„Dem Angeklagten wurde die Ladungsverfügung im Wege der Ersatzzustellung zugestellt. Diese Ersatzzustellung war nicht etwa deswegen unwirksam, weil der Angeklagte unter der Meldeanschrift nach eigenem Vortrag tatsächlich nicht wohnhaft gewesen sein will.
Zwar ist die Wirksamkeit einer Ersatzzustellung gemäß § 181 ZPO stets nur dann gegeben, wenn diese durch Einlegung in einen zur Wohnung gehörenden Briefkasten erfolgt. Grundsätzlich gilt insoweit als Wohnung der räumliche Lebensmittelpunkt des Zustellungsempfängers, wobei maßgeblich ist, ob er hauptsächlich in den Räumen lebt; es ist dann sogar unerheblich, ob es sich hierbei um die Meldeanschrift handelt (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 37 Rdnr. 8).
Jedoch ist die tatsächliche Benutzung einer Wohnung dann nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Ersatzzustellung gemäß § 181 ZPO, wenn sich der Adressat nicht nur für diese Wohnung angemeldet hat, sondern sich als dort wohnend geriert, seinen Schriftwechsel unter dieser Anschrift führt und er seine Post dort abholt (vgl. OLG Hamm, VRS 106, 57, 58; OLG Jena, NStZ-RR 2006, 238; BayObLG VRS 106, 452, 453).
So liegt der Fall hier. Der Angeklagte war während des gesamten erstinstanzlichen Verfahrens unter der Ladungsanschrift A-Straße in B. gemeldet und postalisch jederzeit zu erreichen. Zu allen drei Hauptverhandlungsterminen des erstinstanzlichen Verfahrens konnte er problemlos geladen werden, obwohl er – aus-weislich seines Vorbringens in der Revisionsrechtfertigung – „bereits längere Zeit“ bei seiner Lebensgefährtin gelebt haben will. Indes hat er keinerlei Anstalten unternommen, sich umzumelden, woraufhin noch im November 2012 die Ladung unter der o.g. postalischen Anschrift erfolgt ist. Der Angeklagte muss sich daher die Anschrift A-Straße in B. als Ort im Sinne der gesetzlichen Vorschrift entgegenhalten lassen, an dem Zustellungen an ihn bewirkt werden konnten.
Das Landgericht war auch nicht verpflichtet, weitere Nachforschungen anzustellen. Eine diesbezügliche Verpflichtung hätte nämlich vorausgesetzt, dass der Angeklagte vor der Hauptverhandlung schlüssig einen Sachverhalt vorträgt oder vortragen lässt, der geeignet ist, sein Ausbleiben genügend zu entschuldigen, dem Gericht somit hinreichende Anhaltspunkte für eine genügende Entschuldigung zur Kenntnis gebracht sind (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 16. Mai 2013 – 5 RVs 34/13 -). Vorliegend hat sich zwar aus dem Bericht der Führungsaufsichtsstelle vom 30. Januar 2013 ergeben, dass sich der Angeklagte „fast ausschließlich bei seiner Freundin“ aufhalte, jedoch geht aus dem Bericht unmissverständlich hervor, dass er weiterhin bei seiner Mutter unter der Anschrift A-Straße in B. gemeldet ist. Da unter dieser Adresse erst wenige Wochen zuvor erfolgreich eine Ladung zur Hauptverhandlung durchgeführt werden konnte, war das Landgericht nicht gehalten, diesbezüglich weitere Nachforschungen anzustellen.