Archiv für den Monat: Februar 2014

Auch eine Hauptverhandlung ohne den Angeklagten ist eine Hauptverhandlung

© sss78 – Fotolia.com

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Ich komme dann noch einmal auf das heute Morgen schon wegen der materiellen Komponente vorgestellte BGH, Urt. v. 16.01.2014 – 4 StR 370/13  zurück (vgl. dazu hier: Nochmals: “auch Posieren in sexual-betonter Körperhaltung ist Pornographie” und greife eins der vom BGH behandelten verfahrensrechtlichen Probleme auf. Es ist (mal wieder) § 229 StPO und die Frage der Abgrenzung von Sachverhandlung und „Scheinverhandlung“, auch ein Thema, das den BGH immer wieder beschäftigt. Hier war es so, dass das LG am 07.12.2012 die Hauptverhandlung, die noch nicht 10 Tage gedauert hatte, unterbrochen hat und Termin zur Fortsetzung auf den 28. 12. 2012 bestimmt hatte. Zu diesem Termin erschien der Angeklagte nicht. Stattdessen übermittelte sein Verteidiger dem Gericht per Telefax ein „ärztliches Attest“ vom  27. 12. 2012, wonach der Angeklagte an diesem Tag in der Praxis vorstellig geworden sei und erklärt habe, sich die neunstündige Reise zum Gerichtstermin am Folgetag nicht zuzutrauen, was „ärztlicherseits nachvollziehbar“ sei. In der Fortsetzungsverhandlung am 28. 12. 2012 verlas das Gericht das Fax und erörterte mit den Verfahrensbeteiligten „die Möglichkeiten der Anwendung des §§ 230, 231 StPO“ und wies auf „bestehende Zweifel hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 230 Abs. 2, 231 Abs. 2 StPO“ hin. Nachdem das Gericht von der „beabsichtigte Verlesung von Urkunden in diesem Termin“ abgesehen hatte, unterbrach es die Hauptverhandlung und bestimmte Termin zur Fortsetzung auf den 10. 1. 2013.

Frage: Sachverhandlung oder nur Scheinverhandlung?

  • Der BGH sagt: Sachverhandlung, also mit „Fortsetzungswirkung“,. Dass der Angeklagte zu diesem Termin nicht erschienen war, „stellt die Annahme einer Hauptverhandlung nicht in Frage. Soweit in § 230 Abs. 1 StPO davon die Rede ist, dass gegen einen ausgebliebenen Angeklagten eine Hauptverhandlung nicht stattfindet, wird keine begriffliche Voraussetzung der „Hauptverhandlung“, sondern nur eine notwendige Bedingung für deren recht-mäßige Durchführung benannt, deren Fehlen – von bestimmten Ausnahmefäl-len (vgl. § 231 Abs. 2; § 329 Abs. 1 und 2 StPO) abgesehen – nach § 338 Nr. 5 StPO zu einem absoluten Revisionsgrund führt (BGH, Urteil vom 9. August 2007 – 3 StR 96/07, BGHSt 52, 24 Rn. 6).“

Das Letzte kann man auch anders sehen. Der BGH vergleicht seinen Fall mit dem BGH, Urt. v. 14.03.1990 – 3 StR 109/89, wo die Verhandlungsfähigkeit des erschienenen Angeklagten zweifelhaft war und nur dazu verhandelt wurde. Aber ist das wirklich dasselbe? Oder wollte der BGH hier nur – großzügig – ein Urteil „halten?

Nochmals: „auch Posieren in sexual-betonter Körperhaltung ist Pornographie“

© Dan Race - Fotolia.com

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Häufig sind BGH-Entscheidungen entweder wegen einer verfahrensrechtlichen Problematik oder wegen eines materiellen Problems interessant. Nur wenige Beschlüsse „fahren zweigleisig“ und sind wegen Fragestellungen aus beiden Bereichen von Interesse. Zu denen gehört das BGH, Urt. v. 16.01.2014 – 4 StR 370/13, das ich hier – aus aktuellem Anlass – zunächst wegen der materiellen Problematik vorstellen möchte. Auf den Verfahrensteil komme ich dann noch einmal zurück.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften zu einer Freiheitsstrafe  verurteilt. Ferner wurde die Einziehung einer externen Festplatte und verschiedener optischer Datenträger angeordnet. Nach den Feststellungen besaß der Angeklagte in seinem Patientenzimmer in der Maßregelvollzugseinrichtung des Landeskrankenhauses U. insgesamt 44 auf einer externen Festplatte gespeicherte Bilddateien, die Mädchen unter 14 Jahren beim Einführen von Gegenständen in die Vagina oder beim aufreizenden Präsentieren ihrer Geschlechtsorgane zeigten. Zu diesem Zeitpunkt war der Angeklagte in der Maßregelvollzugseinrichtung aufgrund eines Urteils des Landgerichts H. vom 05. 12..2001 wegen Verbreitung pornographischer Schriften nach § 63 StGB untergebracht.

Der BGH hat die Revision gegen den Schuldspruch verworfen, die Entscheidung über die Einziehung hatte dagegen keinen Bestand.

„1. Die Feststellungen tragen den Schuldspruch auch soweit auf den Bilddateien Mädchen unter 14 Jahren beim aufreizenden Präsentieren ihrer Geschlechtsorgane gezeigt wurden.

Auf den festgestellten Sachverhalt ist § 184b StGB in der seit dem 5. November 2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie vom 31. Oktober 2008 (BGBl. I 2008, 2149) anzuwenden. Danach ist auch ein Posieren in sexual-betonter Körperhaltung Pornographie im Sinne des § 184b Abs. 1 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 2013 – 2 StR 459/13, Rn. 6; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 184b Rn. 4; Röder, NStZ 2010, 113 ff.).

2. Die auf § 184b Abs. 6 Satz 2 StGB gestützte Einziehung der externen Festplatte und der optischen Speichermedien begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a) Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die von dem Angeklagten als Speichermedium für die kinderpornographischen Bilddateien verwendete externe Festplatte F. nach § 184b Abs. 6 Satz 2 StGB der Einziehung unterliegt. Es hat jedoch übersehen, dass aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auch bei einer auf § 184b Abs. 6 Satz 2 StGB gestützten Einziehung von den Möglichkeiten des § 74b Abs. 2 StGB Gebrauch zu machen ist (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2012 – 4 StR 657/11, NStZ 2012, 319; Beschluss vom 11. Januar 2012 – 4 StR 612/11, Rn. 5; Beschluss vom 28. November 2008 – 2 StR 501/08, BGHSt 53, 69 Rn. 3). Danach hat der Tatrichter anzuordnen, dass die Einziehung zunächst vorbehalten bleibt und weniger einschneidende Maßnahmen zu treffen sind, wenn auch auf diese Weise der Einziehungszweck erreicht werden kann. Dies könnte hier durch eine endgültige Löschung der inkriminierten Bilddateien geschehen (vgl. BGH, Be-schluss vom 11. Januar 2012 – 4 StR 612/11, Rn. 5; Laufhütte/Roggenbuck in LK-StGB, 12. Aufl., § 184b Rn. 20). Feststellungen dazu, ob es technisch möglich ist, diese Dateien in einer Weise von der Festplatte zu löschen, dass ihre Wiederherstellung ausgeschlossen ist, hat das Landgericht nicht getroffen, sodass der Senat nicht selbst eine Anordnung nach § 74b Abs. 2 StGB treffen kann.“

Das sind/waren dann Fotos der Kategorie 2. Zum erwähnten BGH, Beschl. 21.11.2013 – 2 StR 459/13 – vgl. hier: Fotografien, die „den nackten Genitalbereich des Kindes” betreffen, wann Pornografie?

Quasi-Lex Edathy

Jetzt schreibe ich dann auch zum Fall Edathy, obwohl ich mir fest vorgenommen hatte, es nicht zu tun. Denn es wird so viel von so vielen geschrieben, fast jedes Blog äußert sich. Was soll man da noch schreiben, was man nicht schon gelesen hat bzw. was nicht schon an anderer Stelle geschrieben worden ist. Ich greife aber nur einen Nebenaspekt auf, der – so meine ich – zu erwarten war. Nämlich die Frage der Strafbarkeit der Erstellung und des Vertriebs von Posing-Fotos.

© Martin Fally - Fotolia.com

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M.E. war zu erwarten, dass diese Fotos der sog. Kategorie 1 in den Focus rücken würden. Und es gibt erste Stimmen, die dagegen vorgehen wollen. Dazu verweise ich auf einen Beitrag bei LTO unter: „Experten wollen auch gegen Posing-Fotos vorgehen „Der Fall Edathy zeigt klar, dass es hier eine Gesetzeslücke gibt“. vgl. hier.

Geäußert haben sich dazu bereits der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, der Deutsche Kinderschutzbund und die Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, Renate Künast (Grüne).

Ganz einfach wird das, wie Renate Künast wohl richtig erkannt hat, nicht, denn:

„Familienfotos vom FKK-Strand müssten straffrei bleiben, sagte Künast am Dienstagmorgen im Deutschlandradio Kultur. „Ich weiß noch nicht genau, wie wir das sicherstellen.“ Denkbar wäre es, den gewerblichen Handel außerhalb von Kunst und Kultur zu verbieten. Um Familienfotos auch künftig nicht in den Bereich des Strafrechts zu rücken, könnte in einem möglichen Gesetz von „sexuell aufreizender Darstellung unbedeckter Genitalien“ die Rede sein, so die Grünen-Politikerin.“

Das sieht nach einer „Quasi-Lex Edathy“ aus. Mehr zum Ganzen dann bei LTO.

Akteneinsicht a la AG Chemnitz, a la AG Luckenwalde: Die gute ins Töpfchen, die schlechte ins Kröpfchen

© Avanti/Ralf Poller

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Akteneinsicht im Bußgeldverfahren war bis vor ein paar Monaten sicherlich das das Bußgeldverfahren verfahrensmäßig bestimmende Thema. Seit einiger Zeit ist aber verhältnismäßige Ruhe eingekehrt, was sicherlich auch an den deutlichen Worten von Cierniak in zfs 2012, 662 ff. und DAR 2014, 2 ff. liegt. Es gibt dann aber doch noch immer wieder Entscheidungen, die man vorstellen kann/sollte. Dazu gehören die beiden nachfolgend dargestellten, die man „schön gegeneinander setzen“ kann.

Fangen wir mit der „schlechten“ an. Das ist der AG Chemnitz, Beschl. v. 23.01.2014 – 19 OW 3619/13. Der Verteidiger hatte gegenüber der Bußgeldstelle Akteneinsicht, „vor allem in die Haupt- und Verfahrensakten, sämtliche Beiakten, Beweismittelordner und sonstige Beweisstücke“ beantragt. Daraufhin wurde dem Verteidiger die Verfahrensakte übersandt, welche er dann an die Bußgeldstelle zurückleitete. Dann hat er Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt, weil ihm insbesondere nicht die „Lebensakte“ des Messgeräte übermittelt worden sei. Das AG weist den Antrag als unzulässig zurück:

„Die Nichtvorlage der angeblichen „Lebensakte“ stellt eine solche Maßnahme nicht dar. Der Verteidiger hat nämlich lediglich pauschal Akteneinsicht im vorstehend genannten Umfang beantragt. Ausdrücklich nicht erwähnt war, dass er Einsicht in eine sogenannte „Lebensakte“ begehre.

Eine „Lebensakte“ ist nach Maßgabe der physikalisch-technischen Bundesanstalt nicht zu führen. Sollte im Einzelfall derartiges, wobei es sich um irgendwelche Wartungsnachweise handeln dürfte, geführt werden, so handelt es sich hierbei jedenfalls nicht um notwendige Aktenbestandteile. Der im Bußgeldverfahren gültige formelle Aktenbegriff umfasst die von der Verfolgungsbehörde dem Gericht vorgelegten oder vorzulegenden Akten und Beiakten (vgl. OLG Brandenburg, Senat für Bußgeldsachen, Beschluss vom 15.11.2013 zu Az.: 53 Ss OWi 444/13 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes). Die „Lebensakte“ respektive Wartungsnachweis, gehören dazu nicht. Der Verteidiger hatte also auf seinen Antrag hin umfassende Akteneinsicht erlangt.

Wenn er darüber hinaus Einsicht in die sogenannte „Lebensakte“ begehrt, so kann erwartet werden, dass er dies zusätzlich zu seinem Antrag auf Akteneinsicht ausdrücklich mitteilt, damit die Behörde in die Lage versetzt wird, auch hierüber zu entscheiden. Es kann nämlich nicht von der Behörde erwartet werden, dass sie ergründet, ob der Verteidiger über seinen Akteneinsichtsantrag hinaus auch Einsicht in sonstige Unterlagen begehrt, welche nicht zu den Akten gehören.

Beides nicht so schön. Beim Verteidiger fragt man sich, warum er nicht von vornherein seinen Antrag ausdrücklich auch auf die „Lebensakte“ erstreckt. Beim AG fragt man sich – unabhängig, ob die Ausführungen zur Lebensakte richtig sind: Warum fasst man „sonstige Beweisstücke“ nicht so auf, dass man darunter auch die Lebensakte erfasst? Muss man den Antrag gleich als „unzulässig“ zurückweisen. Das AG hat doch sicherlich auch schon mal was von Auslegung gehört.

Der zweite -„schöne – Beschluss, den ich vorstellen möchte, ist der AG Luckenwalde, Beschl. v. o7.10.2013 – 28 OWi 122/13. Da hatte der Verteidiger Einsicht in den kompletten Datensatz einer Messung mit ES 3.0 beantragt, aber nur die Falldaten mit den Fotolinien erhalten. Reicht nicht,sagt das AG:

„Bei den Datenaufzeichnungen zu der dem Betroffenen vorgeworfenen Geschwindigkeitsüberschreitung handelt es sich um ein amtlich verwahrtes Beweisstück. Für den Beweiswert der Messung kommt es auf deren Richtigkeit an. Da bei einer gewissen Fehlerhäufigkeit innerhalb einer Messserie Zweifel an der Richtigkeit sämtlicher Messungen der Messserie entstehen können, ist Beweisstück die gesamte Messserie.

Das Recht des Verteidigers auf Einsicht betrifft alle Unterlagen und Beweistücke, die regelmäßig einem – gerichtlich bestellten – Sachverständigen vorgelegt werden. Bei Geschwindigkeitsmessungen überprüft der Sachverständige regelmäßig den Film unter anderem hinsichtlich der Vollständigkeit, eventueller zwischenzeitlicher Standortsveränderungen, Besonderheiten der Ablichtung der Messung des Betroffenen aber auch der sonstigen Messungen etc. Gegebenenfalls auf dem übrigen Film erkennbare Besonderheiten sind bei der Bewertung der gesamten Messreihe von Bedeutung und somit auch für die Beurteilung der Erfolgsaussicht der Verteidigung von Bedeutung. Deswegen hat der Verteidiger ein Recht auf Einsicht in den gesamten Messfilm (AG Cottbus, 17.06.2008, 67 OWi 174/08; AG Ulm, 21.02.2013, 5 OWi 45/13; AG Senftenberg, 26.04.2011, 59 OWi 93/11; AG Stuttgart, 29.12.2011, 16 OWi, 3433/11).

Aufgrund der Komplexität der Überprüfung einer Messreihe muss sich der Verteidiger auch nicht auf eine Einsichtnahme des Messfilms in den Räumen der Behörde verweisen lassen, sondern kann Einsicht durch Gewährung einer Kopie auf einem von ihm bereit gestellten Datenträger verlangen….“

Na bitte, geht doch :-). Und: Schön zu sehen, dass das AG Entscheidungen zitiert, die hier auch schon gestanden haben (vgl. AG Stuttgart : Messfilm – auch darin ist Akteneinsicht zu gewähren – und zwar in den ganzen Film, und AG Ulm: Akteneinsicht im Bußgeldverfahren – Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen.

Klassischer Fehler IV: Schon wieder Augenscheinseinnahme ohne den Angeklagten – mit Textbaustein?

© Dan Race - Fotolia.com

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„Mit steter Regelmäßigkeit haben die Revisionsgerichte es mit § 247 S. 1, 2 StPO zu tun“, so beginnt die Anmerkung des Kollegen VorRiKG Arnoldi zum BGH, Beschl. v. . 14.01. 2014 – 4 StR 529/13, der mal wieder eine § 247-er-StPO-Problematik zum Inhalt hat. Und er hat Recht, wozu man nur auf unsere Postings Klassischer Fehler: Warum merkt denn keiner, dass der Angeklagte nicht da ist? und Klassischer Fehler II – klassischer geht es nicht – dem BGH fehlen die Worte? verweisen muss.

Hier also wieder die „klassische“ Fallgestaltung mit dem „klassischen Fehler“: Das LG vernimmt die Geschädigte und ordnet für die Dauer der Vernehmung die Entfernung des Angeklagten gemäß § 247 StPO an. Während der Vernehmung werden dann mehrere Lichtbilder in Augenschein genommen. Nachdem der Angeklagte wieder in den Sitzungssaal gerufen worden ist, wird er zwar vom Vorsitzenden über den Verlauf und das Ergebnis der Zeugenvernehmung informiert, eine (nochmalige) förmliche Augenscheinseinnahme in Bezug auf die Lichtbilder wird aber nicht durchgeführt.

Das war es dann: Der BGH hebt auf – und kann zur Begründung wahrscheinlich auf einen Textbaustein zurückgreifen, den er sicherlich für die Fälle inzwischen hat:

„a) Die beiden Wahllichtbildvorlagen (Bl. 58 und 61 Bd. II d. A.) wurden förmlich in Augenschein genommen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die gegenständlichen Lichtbilder lediglich – was als Teil der Vernehmung zulässig gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2001 – 1 StR 367/01, Rn. 17 ; Urteil vom 23. Oktober 2002 – 1 StR 234/02, NJW 2003, 597) – als Vernehmungsbehelf herangezogen wurden. Das Vorhalten von Urkunden und die Verwendung von Augenscheinsobjekten als Vernehmungsbehelfe im Verlauf einer Zeugenvernehmung hätten keiner Aufnahme in die Sitzungsniederschrift bedurft (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2000 – 1 StR 488/00, NStZ 2001, 262, 263; Urteil vom 5. Mai 2004 – 2 StR 492/03, NStZ-RR 2004, 237 f.). Hier wird durch die Niederschrift über die Hauptverhandlung jedoch bewiesen (§ 274 StPO), dass eine förmliche Beweisaufnahme stattgefunden hat. Die hier gewählte Formulierung enthält keine Unklarheiten und lässt Zweifel daran nicht aufkommen, dass ein förmlicher Augenschein durchgeführt worden ist.

b) Welche Verfahrensvorgänge vom Begriff der Vernehmung im Sinne des § 247 Satz 1 und 2 StPO erfasst werden, wird vom Gesetz nicht näher bestimmt. Dieser Begriff ist im Regelungszusammenhang der §§ 247 und 248 StPO auf Grund der hohen Bedeutung der Anwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung, die als Anspruch auf rechtliches Gehör und angemessener Verteidigung in Art. 103 Abs. 1 GG sowie durch Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK garan-tiert wird, restriktiv auszulegen (BGH, Beschluss des Großen Senats für Straf-sachen vom 21. April 2010 – GSSt 1/09, BGHSt 55, 87, 90 mwN). Die Erhe-bung eines Sachbeweises kann demnach, auch wenn er eng mit der Vernehmung verbunden ist, nicht als Teil der Vernehmung im Sinne des § 247 StPO angesehen werden, sondern ist ein Vorgang mit einer selbständigen verfahrensrechtlichen Bedeutung (BGH, Beschluss vom 19. November 2013 – 2 StR 379/13). Die Inaugenscheinnahme der beiden Wahllichtbildvorlagen in Abwesenheit des Angeklagten war daher vom Beschluss über seine Ausschlie-ßung nicht gedeckt. Somit fand ein Teil der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten statt, dessen Anwesenheit das Gesetz vorschreibt (§§ 230, 247 StPO). Dies begründet den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO.“

Ich frage mich bei diesen Fällen immer wieder: Warum merkt es eigentlich keiner?