Archiv für den Monat: November 2013

Wochenspiegel für die 47. KW, das waren NSU, „Frau Ass D.“, DNA, Fahrverbot und die eingeklemmte Vorhaut

© Aleksandar Jocic – Fotolia.com

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Die 47. KW hat einiges Berichtenswertes gebracht, darunter auch wieder NSU, so dass wir heute berichten können über:

  1. den u.a. duch die Vernehmung der Mutter Böhnhard aus dem (Tief)Schlaf erwachten NSU-Prozess, u.a. mit Reaktion auf “Zeugenstau”: Senat bremst den NSU-Prozess, oder Aussage von Brigitte Böhnhardt hat begonnen, oder Brigitte Böhnhardt, die missverstandene Mutter,
  2. Getrennte Säle für Hoeneß und Zschäpe,
  3. das „gebührenrechtliche Probleme“ Frau Ass. D. bei der ARAG,
  4. über die Folgen von „RTL-Gerichts-Rechtsanwaltssendungen„, vgl. auch hier: Posch, mon amour
  5. über den Überraschungs-Coup der GroKo zum Fahrverbot als Hauptstrafe, mit: Unsinn und Fahrverbot, oder Rechtschreibfehlersuchern den Führerschein entziehen?, oder Koalitionskotze, oder Weg mit dem Führerschein? – Fragwürdige Pläne der GROKO-Politik. Ich bin für ein Handyverbot für Straftäter! oder auch unsere Beiträge: Ja haben wir denn Sommer? Das Fahrverbot als Hauptstrafe – oder “Kehrtwende”. oder Hauptstrafe Fahrverbot? Nein, besser “Bahnzwang ….”
  6. Koalition plant DNA-Rasterfahndung oder DNA-Pläne: Verwandt, verdächtig, verhaftet – oder: Sieht der Koalitionsvertrag Massen-Gentests vor? – wir kommen darauf zurück, wenn es so weit ist,
  7. Gurlitt und die Gemälde, mit: Münchner Kunstfund – Steht Verjährung der Rückgabe von sog. NS-Raubkunst entgegen? oder Der Fall Gurlitt – Der Staat als Erpresser?
  8. Technik in der JVA,
  9. Kachelmann und die Offensive gegen die Ex-Freundin.
  10. und dann war da noch die Frage, ob es Schadensersatz gibt, wenn man sich die Vorhaut einklemmt?  Übrigens: Nein!

Hauptstrafe Fahrverbot? Nein, besser „Bahnzwang ….“

© JiSIGN - Fotolia.com

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Zu meinem Beitrag: Ja haben wir denn Sommer? Das Fahrverbot als Hauptstrafe – oder “Kehrtwende”. hat es Kommentare gegeben. Einer ist sehrschön, so dass ich ihn aufgreifen  möchte. Da heißt es nämlich u.a.:

„Zum Thema Fahrverbot als Hauptstrafe: schon oft sind blöde Ideen in Koalitionsverträge hineingeschrieben und später dann in den Fachausschüssen wieder einkassiert worden. Hoffen wir, dass es diesmal auch so kommt. Die Idee ist doch zurecht schon viele Male als blödsinnig verworfen worden, und diejenigen, für die eine Geldstrafe kein fühlbares Übel darstellen soll (zu was gibt es eigentlich unterschiedliche Tagessatzhöhen?), trifft man mit einem Fahrverbot erst recht nicht. Der stinkreiche Steuerbetrüger wird es sich auch leisten können, für einen oder zwei Monate einen Fahrer anzustellen oder sich ein Taxi zu rufen. Auch erscheint fraglich, ob sich ein Täter aus der Bestverdienerklientel so wirklich sanktioniert fühlt, wenn er anstatt mit dem Auto in der 1. Klasse ICE zum nächsten Meeting anreist. Obwohl, bei der Bahn geht ja so viel schief, dass deren Benutzung auch schon eine Strafe sein kann. Ich hab’s: BAHNZWANG statt Fahrverbot! ;-)“

Da hätte ich auch selber drauf kommen können, aber ich werde gleich mal weiterleiten an die Verhandelnden „Großkoalitionäre“. Zusammen mit einem kleinen Erlebnisbericht von der letzten Fahrt am 21./23.11.2013:

An sich ganz einfach, nämlich nur von Münster HBF nach Hamburg HBF und zurück. Aber das heißt bei der DB ja nichts:

Hinfahrt am 21.11.2013 – Beim Einsteigen hebt ein anderer Fahrgast hervor, dass der IC pünktlich ist. Ich habe hin gebeten, es nicht zu verrufen. Und es kommt, wie es kommen muss bzw. nicht anders zu erwarten ist. Zunächst mal 15 Minuten Stillstand wegen einer Signalstörung. In Bremen dann: Verzögerung der Abfahrt wegen technischer Probleme an der Lok – zunächst Weiterfahrt in wenigen Minuten. Dann aber werden es mindestens 30 Minuten, jedoch mit dem Hinweis: Sie erreichen noch den Metronom auf Gleis 8. Also Sachen zusammengeschmissen, raus aus dem Zug, runter von Gleis 10, rauf auf Gleis 8 – natürlich ist der Metronom weg. Also zurück auf Gleis 10 und auf den nächsten Metronom gewartet, der allerdings schon schlappe 10 Minuten Verspätung hatte. Denn aber dann genommen, weil der nachfolgende IC auch schon mit 15 Minuten Verspätung angekündigt ist und man weiß ja nie. Auf der Fahrt nach HH dann gestanden, aber immerhin angekommen. Allerdings mit knapp 90 Minuten Verspätung. :-(.

Rückfahrt am 22.11.2013: Nicht ganz so dramatisch. Nur knapp 40 Minuten Verspätung in Münster, wegen verspäteter Bereitstellung in HH um 30 Minuten (Grund: die Gleisschäden im Ruhrgebiert – das verstehe, wer will) , der Rest ist dann das Normale, was die Bahn immer rausfährt.

Also man kann dem Gedanken an Bahnzwang als Strafe schon näher treten. Allerdings kann/muss man sich fragen, ob das nicht gegen das Übermaßverbot verstoßen würde.

Unfallmanipulation – wann?

© Deyan Georgiev - Fotolia.com

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Ich habe ja schon häufiger über Schadensersatzprozesse nach „getürkten Unfällen“ berichtet (vgl. z.B. Unfallmanipulation, oder: Manchmal haben auch Zivilrichter mit einem “Tatverdacht” zu tun, oder:“Getürkter” Unfall auf der BAB: Abdrängen in die Leitplanke? oder “Pechfamilie” – 25 Verkehrsunfälle in vier Jahren?, sowie: Woran erkennt man einen fingierten/manipulierten Verkehrsunfall?).

Bei der Auswertung von Jurion bin ich jetzt auf das OLG Köln, Urt .v . 12.04.2013 – 19 U 96/12 – gestoßen, das sich auch mit der Frage befasst und die Schadensersatzklage eine Unfallbeteiligten abgewiesen hat., weil von einem „manipulierten Unfall“ auszugehen war:

„Die Klage ist gleichwohl unbegründet, da dem Kläger ein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 StVG, § 823 Abs. 1 BGB, § 3 Nr. 1 PflVG nicht zusteht. Es ist zwar entsprechend dem Vortrag der Parteien und der Auffassung des Landgerichts davon auszugehen, dass am 10.12.2008 gegen 22:35 Uhr in L auf der Q Nr. 1 die Beklagte zu 2) mit ihrem G beim Rückwärtssetzen das geparkte Fahrzeug des Klägers beschädigt hat. Auch die Beklagte zu 1) geht erstinstanzlich wie auch im Berufungsverfahren davon aus, dass nach den Feststellungen des von der Versicherung eingeholten Gutachtens vom 20.04.2009 (Anlage B 9, Bl. 73 GA) die Schäden der beiden Fahrzeuge kompatibel sind und es zu einem Unfall durch Rückwärtssetzen des G unter Unfallbeteiligung der Beklagten zu 2) gekommen ist.

Ein Schadensersatzanspruch besteht dennoch nicht, weil die Beklagte zu 1) den von ihr zu führenden Nachweis (vgl. dazu BGH NJW 1978, 2154) erbracht hat, dass die Rechtsgutsverletzung mit Einwilligung des Verletzten erfolgte und der Verkehrsunfall manipuliert, mithin nur vorgetäuscht war. Der Beweis des ersten Anscheins spricht vorliegend für einen „gestellten Unfall“ (dazu BGH, Urt. v. 06.03.1978 – VI ZR 269/76BeckRS 1978, 00257). Bei Häufung von Anzeichen, die auf eine Manipulation des Unfallgeschehens hindeuten, ist der Anscheinsbeweis geführt. Unerheblich ist dabei, ob diese Indizien bei isolierter Betrachtung jeweils auch als unverdächtig erklärt werden können. Ausschlaggebend ist vielmehr eine Gesamtwürdigung aller Tatsachen und Beweise, bei der aus einer Indizienkette auf eine planmäßige Vorbereitung und Herbeiführung des vermeintlichen Unfalls geschlossen werden kann (OLG Koblenz NJW-RR 2006, 95, 96; OLG Frankfurt NJW-RR 2007, 603; OLG Köln, Urt. v. 28.01.2004 – 11 U 149/01BeckRS 2010, 06359, OLG Köln, Urt. v. 19.07.2011 – 4 U 25/10BeckRS 2011, 19429).

Dabei bedarf es zum Nachweis einer Kollisionsabsprache allerdings keiner lückenlosen Gewissheit im Sinne einer mathematischen Beweisführung. Es reicht vielmehr die Feststellung von Indizien aus, die in lebensnaher Zusammenschau und praktisch vernünftiger Gewichtung den Schluss auf ein kollusives Zusammenwirken zulassen, das die Rechtswidrigkeit der angeblichen Rechtsverletzung ausschließt (vgl. OLG Hamm Schaden-Praxis 2004, 222; OLG Köln, Urt. v. 19.07.2011 – 4 U 25/10BeckRS 2011, 19429). Auf Grund des Sachvortrag der Parteien und des Ergebnisses der Beweisaufnahme sowie aller sonstigen Umstände liegen in ihrer Gesamtheit so viele gewichtige Anzeichen für einen gestellten Unfall vor, dass der Senat bei lebensnaher Betrachtung von dem Vorliegen eines manipulierten Verkehrsunfalls überzeugt ist.

Abgestellt hat das OLG dann u.a. auf folgende Indizien.:

  • Unfall zur Nachtzeit, somit bei Dunkelheit,
  • vor Ort keine neutralen Zeugen
  • leicht zu steuernde Unfallkonstellation (Kollision beim Ausparken) ohne nennenswerte Verletzungsrisiken
  • Abrechnung auf Reparaturkostenbasis ohne Vorlage einer Reparaturrechnung
  • angebliche Schädiger ist in den vergangenen sieben Monaten in vier Verkehrsunfälle verwickelt war, die er allein verschuldet hat und bei denen werthaltige Luxusfahrzeuge deutscher Hersteller beschädigt wurden.

Ja haben wir denn Sommer? Das Fahrverbot als Hauptstrafe – oder „Kehrtwende“.

© Marcito - Fotolia.com

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Bisher waren die Pläne/Vorhaben/Vorschläge, das Fahrverbot nicht mehr nur als Nebenstrafe vorzusehen (§ 44 StGB), sondern auch als Hauptstrafe, m.E. auf „das Sommerloch“ beschränkt. Das war in vergangenen seligen Zeiten (?) des ehemaligen niedersächsischen Justizministers Busemann ein „Sommerlochfüller“, der immer mal wieder, wenn im Sommer nichts los war, aus der Mottenkiste geholt wurde. Allerdings hatten  sich vor einigen Jahren auch die damalige Justiministerien Brigitte Zypries und das Bundesrat schon mal daran versucht und sind gescheitert.

Nun haben sich – wenn man den Berichten aus der Tagespresse der letzten Tage – ich war unterwegs und kann das Thema daher erst jetzt aufgreifen – Glauben schenken darf (vgl. u.a. hier bei Welt-online„), die (zukünftigen [?]) Koalitionäre der „GroKO“ darauf verständigt, das Fahrverbot als Hauptstrafe einzuführen. In der schriftlich festgehaltenen Vereinbarung soll es nach Welt-online heißen: „Um eine Alternative zur Freiheitsstrafe und eine Sanktion bei Personen zu schaffen, für die eine Geldstrafe kein fühlbares Übel darstellt, werden wir das Fahrverbot als eigenständige Sanktion im Erwachsenen- und Jugendstrafrecht einführen.

Ah ha, „kein fühlbares Übel“, was heißt das? Also bei wem denn nun? Also, wenn es kommt, zunächst also wohl bei allen Straftätern, also z.B. bei Diebstahl, Beförderungserschleichung aber auch bei Steuerhinterziehung.  Aber, was heißt denn: „kein fühlbares Übel“. Also ist bei demjenigen, der „viel hat“ und den eine „Geldstrafe nicht juckt“ die Anordnung eines Fahrverbotes möglich/zulässig ebenso wie bei dem, der „nichts hat“ und den die Geldstrafe daher „nicht juckt“ auch. „Verschont“ bleibt der „Mittelstandsbauch? Den würde ja ggf. eine Geldstrafe treffen. Nun ja, und was ist mit denjenigen, die gar keine Fahrererlaubnis haben? Gegen die wird ein Fahrverbot dann ja auch nicht festgesetzt werden können – und wie ist es da mit der Gleichbehandlung? Und: Zu lesen ist auch immer davon, dass man möglichst früh kriminelle Karrieren stoppen wolle. Was bedeutet das? Das Fahrverbot nur oder vornehmlich bei potentiellen juegendlichen Intensivtätern, nur bis zu einem bestimmten Alter und wie erkenne ich den „Beginn einer kriminellen Karriere“?

Interessant dann auch die Reaktion der Polizei:

Zu dem 2008-er Vorhaben von Frau Zypries hieß es noch (vgl. hier bei Welt.de):

„Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) äußerte Zweifel an der abschreckenden Wirkung des Führerscheinsentzugs für allgemeine Kriminalität. „Fahrverbote als alleinige Hauptstrafen für Steuersünder oder gewaltbereite Volksverhetzer sind weder eine angemessene Bestrafung, noch taugen sie zur Abschreckung“, sagte GdP-Chef Konrad Freiberg. Es ließe sich auch kaum polizeilich überwachen, das Entdeckungsrisiko sei aufgrund massiv ausgedünnter Verkehrspolizeien bei weitem nicht hoch genug.“

Jetzt äußert man sich anders (vgl. hier bei bei Welt-online):

„Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, findet, dass es „höchste Zeit“ wird, dass die Richter diese Sanktionsmöglichkeit bekommen, schließlich hätten sich solche Leute als „charakterlich ungeeignet“ für das Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen.“

Das nennt man dann wohl „Kehrtwendung“. Oder – wie heißt es doch bei Bon Dylan: The Times – they are changing….

Festes Würgen am Hals – nicht immer gefährliche Körperverletzung

© vege - Fotolia.com

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Das AG verurteilt den Angeklagten wegen einer gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB, und zwar auf der Grundlage folgender Feststellungen:

„Das Amtsgericht hat insoweit festgestellt, dass der Angeklagte die Nebenklägerin, die gegen die abgeschlossene Hotelzimmertür trommelte und um Hilfe schrie, wutentbrannt packte und ihr den Hals zudrückte, damit sie still sei.

Weiter hat das Amtsgericht insoweit ausgeführt:  „ (…) Er drückte mit beiden Händen den Hals zu, so dass die Zeugin keine Luft mehr bekam. Die Zeugin erlitt hierdurch Schmerzen und hatte Schluckbeschwerden. An ihrem Hals waren Rötungen vorhanden. (…)“. 

Das reicht nach Auffassung des OLG für eine das Leben gefährdende Behandlung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB nicht aus. dazu der OLG Hamm, Beschl. v. 28.10.2013 – 5 RVs 104/13:

„Zwar muss – wie auch das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat – die Tathandlung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB nicht dazu führen, dass das Opfer der Körperverletzung tatsächlich in Lebensgefahr gerät, sondern die jeweilige Einwirkung muss lediglich abstrakt geeignet sein, eine solche Gefährdung herbeizuführen. Danach kommt festes Würgen am Hals zwar grundsätzlich als geeignete Tathandlung in Betracht. Allerdings ist nicht jeder Angriff auf den Hals des Opfers in der Form des Würgens, der zu würgemalähnlichen Druckmalen oder Hautunterblutungen führt,  eine das Leben gefährdende Behandlung im Sinne dieser Vorschrift. Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit vielmehr Dauer und Stärke der Einwirkung, zu denen sich die Urteilsfeststellungen je nach Lage des Falles verhalten müssen (st. Rspr. des Bundesgerichtshofs, vgl. z.B. BGH, NStZ-RR 2004, 44 m.w.N.; BGH, Urteil vom 25. Oktober 2005 zu 4 StR 185/05, zitiert nach juris Rn. 10 m.w.N.; BGH, Beschluss vom 12. März 2013 zu 4 StR 42/13, zitiert nach juris Rn. 4)

Zu den näheren Umständen der Tatausführung, etwa dazu, ob der Nebenklägerin durch die Einwirkung des Angeklagten die Halsschlagader abgeschnürt wurde, enthalten die Urteilsgründe allerdings keine Feststellungen. Dies gilt gleichfalls für die hier möglicherweise bedeutsame Zeitspanne zwischen dem Eintritt der Atemnot bei der Nebenklägerin und dem Nichtweiterhandeln des Angeklagten.“