Manche Vorschriften führen ein Schattendasein bzw. sind, da man mit ihnen nicht alltäglich zu tun hat, nicht sofort präsent. So z.B. § 302 Abs. 1 Satz 3 StPO, der die Rücknahme eines zugunsten des Angeklagten von der Staatsanwaltschaft eingelegten Rechtsmittels ausschließt, wenn der Angeklagte der Rücknahme nicht zustimmt. Der Hintergrund dieser Regelung ist bei dem zugunsten des Angeklagten vom Gegner 🙂 eingelegten Rechtsmittel klar.
Mit der Vorschrift hatte sich jetzt der BGH im BGH, Beschl. v. 28.05.2013 -3 StR 426/12 – zu befassen, wobei die Frage: Zu Gunsten oder zu Ungunsten eingelegt?, eine Rolle spielte. Das LG hatte den Angeklagten wegen Mordes zur lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Ihre – unbegründet gebliebene -Revision hat die Staatsanwaltschaft dann später zurückgenommen. Das LG hat festgestellt, dass diese Zurücknahme der Revision nicht wirksam und die Strafvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts unzulässig sei. Der BGH sieht es anders und er bezieht sich dabei auf die Ausführungen des GBA:
„Die Rücknahme der von der Staatsanwaltschaft Hannover am 24. April 2012 eingelegten Revision bezüglich des Angeklagten T. war wirksam. Entgegen der Auffassung des Landgerichts und des Angeklagten bedurfte es zur Rücknahme des Rechtsmittels keiner Zustimmung des Angeklagten gemäß § 302 Abs. 1 S. 3 StPO. Die Revision war nicht zu seinen Gunsten eingelegt worden. Zugunsten eines Beschuldigten ist ein Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft nur eingelegt, wenn sich dies aus der Einlegung oder Begründung ergibt (Paul in Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Aufl., § 296 Rn. 5). Ist ein derartiger Wille weder aus der Rechtsmittelschrift noch aus der Begründung zu entnehmen, fehlt es also an jeglicher entsprechenden Erklärung, dass das Rechtsmittel zugunsten des Beschuldigten eingelegt werde, muss regelmäßig ein von der Staatsanwaltschaft eingelegtes Rechtsmittel als zu dessen Ungunsten geltend gemacht angesehen werden (BGHSt 2, 41 ff.; RGSt 65, 231, 235; Frisch in Systematischer Kommentar, StPO, § 296 Rn. 13; Radtke in Radtke/Hohmann, StPO, § 296 Rn. 47; Paul in Karlsruher Kommentar aaO.)
So verhält es sich hier: Die Revisionseinlegung der Staatsanwaltschaft vom 24. April 2012 erschöpft sich in der Benennung der beiden Angeklagten des Verfahrens … im Rubrum und der Erklärung, dass gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 23. April 2012 Rechtsmittel eingelegt werde. In der Revisionsbegründung vom 12. Juli 2012 wurden ausschließlich Ausführungen zur Verurteilung des Angeklagten B. gemacht und die Revision hinsichtlich des Angeklagten T. zurückgenommen. Hinweise, dass die Revision hinsichtlich des Angeklagten T. von der Staatsanwaltschaft zu dessen Gunsten eingelegt worden sein könnte, lassen sich deshalb weder der Rechtsmittelschrift noch deren Begründung entnehmen. Eine Einlegung zu dessen Gunsten ergibt sich entgegen der Auffassung des Landgerichts auch nicht inzident aus dem Umstand, dass der Angeklagte T. vom Schwurgericht des Landgerichts Hannover zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden war, denn auch gegen eine solche Verurteilung kann die Staatsanwaltschaft Revision zuungunsten eines Angeklagten einlegen, soweit – wie hier (vgl. UA S. 59) – eine Feststellung der besonderen Schwere der Schuld verneint worden ist. Schließlich lässt sich entgegen der Auffassung des Angeklagten auch nichts aus dem Umstand folgern, dass die Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung in ihrem Schlussvortrag nicht auf Mord, sondern auf Totschlag plädiert hatte, denn die Frage, ob ein Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft zugunsten eines Beschuldigten eingelegt ist, ist nur nach dem Gesamtinhalt der Rechtsmittelerklärungen zu beantworten, nicht nach Umständen außerhalb dieser Erklärungen (BGHSt 2, 41 ff.).
Mithin hat es damit sein Bewenden, dass im Zweifelsfall von einer Revisionseinlegung der Staatsanwaltschaft zuungunsten eines Beschuldigten auszugehen ist (s.o.). Somit ist vorliegend die Wirksamkeit der Revisionsrücknahme festzustellen. Mit dieser Feststellung erledigt sich zugleich auch der dem Senat vorliegende Antrag des Angeklagten vom 22. Februar 2013.“