Archiv für den Monat: August 2013

Ein „Klopper“ kann nicht Polizeibeamter sein..

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Ein „Klopper“ kann nicht Polizeibeamter sein…. Das ist das Fazit auf dem VG Berlin, Urt. v. 26.03.2013 – 80 K 36.12 OL. Denn es ist mit den Aufgaben eines Polizeibeamten, unvereinbar, selbst Straftaten zu begehen. Dies gilt nach Ansicht des VG Berlin  insbesondere auch für Straftaten, die sich  gegen die körperliche Unversehrtheit eines anderen richten. Wird ein Polizeibeamter insoweit straffällig, rechtfertigt das seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.

Der Sachverhalt:

Der Beklagte ist/war seit September 1990 Polizeibeamter. Disziplinarisch ist er nicht vorbelastet. Seit November 2006 richteten sich strafrechtliche Ermittlungen gegen ihn Beklagten u.a. wegen des Verdachts der Körperverletzung, Beleidigung und Nötigung seiner damaligen (zweiten) Ehefrau, die er am 01.05. 2006 geheiratet hatte. Durch Urt. v. 02.07.2008 – verurteilte das AG Tiergarten den Beklagten wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt und Nötigung sowie einfacher Körperverletzung in sechs Fällen – in einem Fall in Tateinheit mit Beleidigung – zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Auf die Berufung des Beklagten hob das LG Berlin das Urteil auf und verurteilte den Beklagten durch – seit 18. 03.2011 rechtskräftiges – Urteil v. 02.08.2010 wegen vorsätzlicher Körperverletzung in sechs Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beleidigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Im November 2006 hat der Dienstvorgesetzte das Disziplinarverfahren gegen den Beklagten eingeleitet, das dann in eine Disziplinarklage eingemündet ist. Mit der u wirft der Kläger dem Beklagten als Dienstvergehen u.a. die Körperverletzungsdelikte vor. Das VG hat ihm Recht gegeben, und zwar:

„Ein Verhalten eines Beamten – wie hier – außerhalb des Dienstes ist ein Dienstvergehen allerdings nur dann, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maß geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (§ 40 Abs. 1 Satz 2 LBG a. F.). Beides ist vorliegend der Fall.

Mit den Aufgaben eines Polizeibeamten, der Straftaten verhindern, verfolgen und aufklären soll, ist es unvereinbar, selbst Straftaten zu begehen. Dies gilt insbesondere auch für Straftaten, die sich – wie hier – gegen die körperliche Unversehrtheit eines anderen richten. Derartige durch Polizeibeamte begangene Straftaten begegnen in der Bevölkerung mit Recht großem Unverständnis und schaden nicht nur dem Ansehen und der Vertrauensstellung des betroffenen Beamten, sondern der gesamten Berliner Polizei.

Zwar ist seit dem 1. April 2009 die für Landesbeamte geltende Neuregelung des außerdienstlichen Dienstvergehens in §§ 34 Satz 3, 47 Abs. 1 Satz 2 Beamtenstatusgesetz (vom 17. Juni 2008, BGBl I S. 1010, – BeamtStG -) in Kraft. Für die Frage, ob der Beamte im angeschuldigten Tatzeitraum seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat, ist aber die damalige Sach- und Rechtslage maßgebend, soweit nicht im Hinblick auf den Rechtsgedanken des § 2 Abs. 3 StGB für den Beamten materiellrechtlich günstigeres neues Recht gilt (vgl. dazu Urteil des BVerwG vom 25. August 2008 – 1 D 1/08 – Rn. 33 nach Juris m.w.N.). Letzteres ist hier nicht der Fall. Auch bei Anwendung der §§ 34 Satz 3, 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG hätte sich im Ergebnis an der Beurteilung der Sach- und Rechtslage nichts geändert. Nach § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG erfüllt ein Verhalten außerhalb des Dienstes nur dann den objektiven Tatbestand eines außerdienstlichen Dienstvergehens, wenn die Pflichtverletzung nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für das Amt des Beamten bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Auch wenn die Neufassung nach ihrem Wortlaut demnach nicht mehr auf die „Achtung“, sondern nur noch auf das „Vertrauen“ abstellt, so hat sich dadurch nichts zugunsten des Beamten geändert, betrifft „Vertrauen“ doch die Erwartung, dass sich der Beamte nicht nur aus der Sicht der Bürger (Allgemeinheit) – wie man der amtlichen Begründung (BT-Drs. 16/4027, S. 34 zu § 48 des Entwurfs) entnehmen könnte -, sondern auch aus der Sicht seines Dienstherrn außerdienstlich so verhält, wie es von ihm im Hinblick auf seine Dienstpflichten als berufserforderlich erwartet wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. August 2009 – 1 D 1/08 –, Rn. 53 nach Juris zur entsprechenden und insoweit gleichen Neuregelung im Bundesbeamtengesetz). Es kann offen bleiben, ob und wie es sich für die Beurteilung eines außerdienstlichen Verhaltens eines Landesbeamten als Dienstvergehen auswirkt, dass sich die Vertrauensbeeinträchtigung nicht mehr wie in der landesrechtlichen Vorgängerregelung des § 40 Abs. 1 Satz 2 LBG oder der für Bundesbeamte geltenden Regelung des § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG alternativ entweder auf das Amt des Beamten (im konkret-funktionellen Sinne – Dienstposten –, vgl. BVerwG a.a.O, Rn. 52) oder das Ansehen des Berufsbeamtentums, sondern nur noch auf das Amt beziehen muss. Im vorliegenden Fall bezog sich die durch die Körperverletzungen begründete, bedeutsame Vertrauensbeeinträchtigung auf das „Amt“ des Beklagten im konkret-funktionalen Sinn, d.h. seine damaligen konkreten Dienstaufgaben als selbst mit der Verhinderung und Verfolgung von Straftaten betrauter Polizeibeamter.“

Aufpassen beim Ausparken – Beweis des ersten Anscheins gilt 30 m

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Eine Fahrzeugführerin ist in Münchnerin beim Ausparken ihres Pkw mit einem Taxi zusammengestoßen. Sie macht gegenüber dem Taxifahrer Schadensersatz geltend. Begründung: Sie habe sich mit ihrem Fahrzeug bereits auf der Straße befunden, als der Taxifahrer sie überholt und ihren Wagen dabei gestreift habe. Der Taxifahrer hat demgegenüber geltend gemacht, die Fahrzeugführerin habe ihren Wagen so plötzlich aus der Parklücke zurückgesetzt, dass ein Zusammenstoß nicht mehr zu vermeiden gewesen sei.

Das AG hat im AG München, Urt. v. 25.01.2013 – 344 C 8222/11 dem Taxifahrer Recht gegeben und auf § 10 StVO hingewiesen. Danach müsse jeder, der vom Fahrbahnrand anfahren wolle, sich so verhalten, dass er andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährde. Der Auspark-Vorgang als solcher sei erst nach einer Fahrt von mindestens 30 Metern vollständig abgeschlossen. Geschehe vorher ein Unfall, spreche der erste Anschein für ein Verschulden des Ausparkenden. Diesen ersten Anschein habe die Autofahrerin im konkreten Fall nicht erschüttern können (zur PM v. 19.08.2013 – 36/13 des AG München geht es hier).

Der „Regenbogenzebrastreifen“ in Köln muss wieder weg …

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Der regenbogenbunte Kölner Zebrastreifen kommt wieder weg. Er war von einem „Straßenkünstler“ als Protest gegen Kriminalisierung derdie russischen Schwulen- und Lesbenbewegung in den vergangenen Tagen auf einen „stinknormalen“ Zebrastreifen übermalt worden (vgl. hier das Interview im Kölner Express). Solche Aktionen hatte es ja auch schon in anderen Städten gegeben, wie z.B. in Stockholm und Sydney (vgl. hier). Aber das rettet den Kölner Regenbogen nicht. Ein Zebrastreifen muss, wie es wohl aus Zeichen 293 und 350 der StVO folgt, „weiß“ sein. Deshalb – so die Stadt Köln – „werden wir den ordnungsgemäßen Zustand wieder herstellen.“

Schade (?). Hätte sicherlich ein wenig Farbe in die Städte gebracht. Nur, was macht man, wenn nun im Bundestagswahlkampf alle Parteien (noch mehr) Farbe auf die Straßen bringen. SPD, Grüne, Linke und FDP hätten es mit Rot, Grün und Blau/Gelb nicht schwer, nur was macht die CDU mit Schwarz. Das fällt ja nun gar nicht auf. 🙂 🙂

Die Farben des Zebra-Streifens wäre im Übrigen vielleicht auch das erste Projekt, das sich ein neuer/alter)  Bundesverkehrsminister für die 18. Legislaturperiode vornehmen könnte? Slogan: „Farbe in die Stadt“. Aber, es wir wohl weiter so aussehen 🙂 (für potentielle Kommentatoren: Es geht um den Zebrastreifen/Fußgängerüberweg, nicht um die Seniorin):

oooRENAooo – Fotolia.com (Symbolbild)

Amphetamin drin, Fahrerlaubnis weg

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Das VG Augsburg, Urt. v. 06.06.2013 – AU 7 K 13.465 – schreibt noch einmal fest, was einhellige Meinung in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ist: Bereits der einmalige Konsum eines Betäubungsmittels – mit Ausnahme von Cannabis – hat im Regelfall den Verlust der Fahreignung zur Folge, und zwar erst Recht dann, wenn unter Drogeneinfluss ein Kraftfahrzeug geführt wird. Hier ging es um Amphetamin:

„Es entspricht allgemeiner Überzeugung in der Rechtsprechung (vgl. BayVGH, B.v. 14.2.2006 – 11 ZB 05.1406 – m.w.N. zahlreicher anderer Oberverwaltungsgerichte, juris), dass bereits der einmalige Konsum eines Betäubungsmittels (mit Ausnahme von Cannabis) im Regelfall den Verlust der Fahreignung nach sich zieht. Ein Zusammenhang zwischen dem Drogenkonsum und dem Führen von Kraftfahrzeugen ist dabei nicht erforderlich. Irrelevant ist auch, ob konkrete Ausfallerscheinungen im Sinne einer Fahruntüchtigkeit beim Betroffenen festzustellen waren oder ob der Betroffene deshalb strafrechtlich geahndet wurde (BayVGH, B.v. 23.4.2008 – 11 CS 07.2671- juris).

….
Der Kläger hat am 18. November 2012 unter dem Einfluss von Amphetamin ein Kraftfahrzeug geführt. Insoweit ergibt sich aus dem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin im Universitätsklinikum … vom 10. Dezember 2012, dass im Blut des Klägers eine Amphetamin-Konzentration von 58,0 ng/ml festgestellt wurde. Der Kläger hat zudem einen Konsum von Amphetamin auch bereits vor diesem Vorfall eingeräumt.
b) Von der Einschätzung als fahrungeeignet war auch nicht gemäß der Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur FeV eine Ausnahme zu machen.
….
Die von der Klägerseite hierzu vorgetragenen Umstände (s. Schriftsatz vom 2.April 2013, Punkt 2 a) bis e)) können jedoch einen Ausnahmefall im Sinne der oben genannten Voraussetzungen nicht belegen, sondern zeigen vielmehr, dass beim Kläger von einem Regelfall auszugehen ist. Gerade der Sachverhalt, dass der Kläger bereits mehrfach Amphetamin konsumiert hat und dann auch unter dem Einfluss dieser Droge ein Kraftfahrzeug geführt hat, belegt seine mangelnde Fähigkeit, sein Verhalten verantwortungsbewusst zu steuern. Auch der Vortrag, dass der Kläger bei der Drogenfahrt keine Ausfallerscheinungen zeigte und dass es sich um einen einmaligen Vorfall gehandelt habe, rechtfertigt nicht die Annahme einer besonderen Steuerungsfähigkeit, mit der der Mangel an Willensstärke und der Kontrollverlust beim Konsum „harter“ Drogen als kompensiert gelten könnte (vgl. Bay VGH, B.v. 21.12.2006 – 11 CS 06.1264 – juris).“

 

Der während der Hauptverhandlung kurzfristig bestellte, unvorbereitete Urteilsbegleiter – unzulässig!!

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Für BGHSt vorgesehen ist das BGH, Urt. v. 20.06.2013 – 2 StR 113/13, das m.E. zur Folge haben müsste, dass sich die Praxis einiger Gerichte, bei Ausbleiben/Verhinderung des Pflichtverteidigers kurzfristig einen anderen Rechtsanwalt beizuordnen, der sich dann „der Sache annimmt“  – häufig ohne ausreichende Vorbereitung. Wie wichtig dem BGH seine Entscheidung ist, zeigt sich in dem Umstand, dass sie für BGHSt vorgesehen ist. Und daher hier dann auch ein „Langtext“

Die Revision des Angeklagten W. hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
1. Dem liegt folgendes Prozessgeschehen zugrunde:
Zum Beginn des 4. Hauptverhandlungstags am 6. Juli 2012 um 9.10 Uhr erschien der Pflichtverteidiger des Angeklagten nicht. Durch sein Büro hatte er über die Geschäftsstelle mitteilen lassen, sich wegen Herzrhythmusstörungen in ärztliche Behandlung begeben zu müssen, aber davon auszugehen, ab 11.00 Uhr an der Hauptverhandlung teilnehmen zu können. Daraufhin wurde die Hauptverhandlung um 9.12 Uhr unterbrochen und schließlich um 11.10 Uhr fortgesetzt. Zwischenzeitlich hatte das Büro des Pflichtverteidigers des Angeklagten mitgeteilt, dass dessen Einlieferung in eine Klinik notwendig geworden sei und er am heutigen Tag nicht mehr erscheinen werde.

Für die Hauptverhandlung am 6. Juli 2012 war – als Folge eines Beweisermittlungsantrages des Verteidigers des Angeklagten – die Vernehmung des belgischen Polizeibeamten C. vorgesehen. Um ihm eine erneute Anreise an einem der folgenden Hauptverhandlungstermine zu ersparen, bemühte sich die Strafkammer um einen anderen Verteidiger für den Angeklagten, den sie ihm für diesen Hauptverhandlungstag als Pflichtverteidiger beiordnete. Es bestand Gelegenheit zu einem kurzen Gespräch mit dem Angeklagten, der keine Einwände gegen das Vorgehen erhob. Akteneinsicht in die Verfahrensakte nahm der neue Pflichtverteidiger nicht. Sodann wurde der Zeuge C. in Anwesenheit einer Dolmetscherin vernommen, wobei seine Aussage auf Antrag des Verteidigers des Mitangeklagten wörtlich protokolliert worden ist. Fragen an den Zeugen richtete der „neue“ Verteidiger des Angeklagten nicht. Die Hauptverhandlung wurde um 12.05 Uhr geschlossen.

An den folgenden Hauptverhandlungsterminen nahm wieder der „alte“ Pflichtverteidiger des Angeklagten die Verteidigung des Angeklagten wahr. Ein von ihm gestellter Antrag auf erneute Vernehmung des Zeugen C. lehnte die Strafkammer nach Maßgabe des § 244 Abs. 5 StPO ab.

2. Dieses Vorgehen steht nicht in Einklang mit § 145 Abs. 1 Satz 2 StPO und stellt eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung dar, auf der das Urteil auch beruhen kann.

a) Dem Revisionsvorbringen des Angeklagten, „unverteidigt“ gewesen zu sein, ist zugleich die Beanstandung zu entnehmen, das Landgericht habe es unterlassen, anlässlich der Erkrankung des Verteidigers die diesen Verhandlungstag vorgesehene Vernehmung des Zeugen C. nicht auf den nächsten Verhandlungstag verschoben zu haben. Damit zielt die Rüge ihrer Zielrichtung nach jedenfalls auch auf eine Verletzung von § 145 Abs. 1 Satz 2 StPO.

b) § 145 Abs. 1 Satz 2 StPO sieht vor, dass das Gericht auch eine Aussetzung der Verhandlung beschließen kann, wenn der Verteidiger in der Hauptverhandlung ausbleibt. Die Regelung steht in Konkurrenz zu § 145 Abs. 1 Satz 1 StPO, der für diesen Fall anordnet, dass der Vorsitzende sogleich einen anderen Verteidiger bestellt. Das Gericht hat also insoweit nach seinem Ermes-sen zu entscheiden, ob der Vorsitzende einen neuen Verteidiger bestellt oder die Hauptverhandlung ausgesetzt wird. Dabei hat es – über den Wortlaut der Vorschrift hinaus – auch zu prüfen, ob nicht eine Unterbrechung der Hauptverhandlung der entstandenen Konfliktlage – Kontinuität der Verteidigung oder gegebenenfalls Fortführung der Hauptverhandlung mit neuem Verteidiger – angemessen Rechnung trägt (LR-Lüderssen/Jahn, 26. Aufl., § 145 Rn. 20: angesichts des verfassungsrechtlichen Prinzips der Erforderlichkeit im Einzelfall be-stehende Verpflichtung zur Unterbrechung). Prüft das Gericht nicht von Amts wegen, ob eine Verhandlung auszusetzen oder zu unterbrechen ist, kann dies die Revision begründen (LR-Lüderssen/Jahn, aaO, Rn. 41).

aa) Die Literatur geht grundsätzlich davon aus, dass dem Beschuldigten der eingearbeitete und vertraute Verteidiger zu erhalten ist und deshalb eine Aussetzung bzw. Unterbrechung grundsätzlich trotz Verfahrensverzögerung der Vorzug vor einer neuen Bestellung zu geben ist (LR-Lüderssen/Jahn, aaO, Rn. 19; Laufhütte in: KK-StPO, 6. Aufl. Rn. 7). So soll ein kurzfristiger Ausfall wegen Erkrankung des Verteidigers in der Regel zu einer Aussetzung führen (Meyer-Goßner, 55. Aufl., § 145 Rn. 9). Dahinter steht – ohne dass dies im Einzelnen ausgeführt wird – die Erwägung, dass § 145 StPO nicht dem Ziel der Verfahrenssicherung dient, sondern das Recht des Beschuldigten zu einer ef-fektiven und angemessenen Verteidigung wahren soll (LR-Lüderssen/Jahn, aaO, Rn. 1).

bb) Der Bundesgerichtshof hat sich bisher nicht weitergehend zur Frage einer Aussetzung bzw. Unterbrechung nach § 145 Abs. 1 Satz 2 StPO geäußert (vgl. aber BGH MDR 1977, 767). Er hatte sich bisher lediglich damit zu befassen, ob nach einem Wechsel des Verteidigers eine im Sinne von § 265 Abs. 4 StPO veränderte Sachlage eingetreten ist, die zur genügenden Vorbereitung der Verteidigung eine Aussetzung angemessen erscheinen lässt. Die dort in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze lassen sich entsprechend auch für die – zeitlich vorangehende – Konstellation des § 145 Abs. 1 StPO nutzen, in der es um die Frage geht, ob bei Ausbleiben eines Verteidigers überhaupt ein neuer Verteidiger beizuordnen ist oder ob nicht stattdessen die Hauptverhandlung auszusetzen bzw. zu unterbrechen ist, um dem Angeklagten die weitere Verteidigung durch den bisherigen Verteidiger zu ermöglichen. In beiden Fällen geht es darum, eine sachgerechte und angemessene Verteidigung des Angeklagten sicherzustellen (so auch knapp BGH MDR 1997, 767, 768 zu § 145 StPO). Da-bei steht diese Entscheidung in Ausübung der prozessualen Fürsorgepflicht im pflichtgemäß auszuübenden Ermessen des Gerichts und hängt von den Um-ständen des Einzelfalles ab (vgl. zuletzt BGH NStZ 2013, 212). Maßgeblich ist zunächst die Erwägung, wie der Strafverteidiger als Organ der Rechtspflege selbst beurteilt, ob er für die Erfüllung seiner Aufgabe hinreichend vorbereitet ist. Hält er die Vorbereitungszeit für ausreichend, ist das Gericht grundsätzlich nicht berufen, dies zu überprüfen. Doch gibt es greifbare Anhaltspunkte dafür, dass dies nicht der Fall sein könnte, gebietet die Fürsorgepflicht des Gerichts die Prüfung einer Aussetzung oder Unterbrechung des Verfahrens. Dies ist etwa der Fall, wenn der Verteidiger objektiv nicht genügend Zeit hatte, sich vor-zubereiten (vgl. BGH NJW 1965, 2164, 2165) oder wenn sich die dem Prozessverhalten des Angeklagten und seines Verteidigers zu entnehmende Einschät-zung der Sach- und Rechtslage als evident interessenwidrig darstellt und eine effektive Verteidigung (Art. 6 Abs. 3c MRK) unter keinem Gesichtspunkt mehr gewährleistet gewesen wäre (vgl. BGH NStZ 2013, 212).
cc) Gemessen an diesen Maßstäben erweist sich hier die Beiordnung eines neuen Verteidigers als evident interessenwidrig. Das Landgericht hätte stattdessen die Hauptverhandlung unterbrechen und in einem der Folgetermine den Auslandszeugen C. vernehmen müssen.

Mit der Beiordnung eines neuen Verteidigers im Termin vom 6. Juli 2012 sind Verteidigungsrechte des Angeklagten in erheblicher Weise eingeschränkt worden (vgl. § 338 Nr. 8 StPO). Der neue Verteidiger hat zwar mit dem Angeklagten sprechen können; es liegt allerdings angesichts des Verfahrensablaufs (Unterbrechung der Hauptverhandlung um 9.12 Uhr, Fortsetzung um 11.10 Uhr nach zwischenzeitlicher Mitteilung gegen 10.00 Uhr, dass der alte Verteidiger krankheitsbedingt nicht mehr erscheinen wird) und auch des Aktenumfangs auf der Hand, dass eine Information des neuen Verteidigers, die ihn nur annähernd auf den Stand des Verfahrens hätte bringen können, nicht erfolgt sein kann. Nur ein Verteidiger aber, der den Stoff ausreichend beherrscht, kann die Verteidigung mit der Sicherheit führen, die das Gesetz verlangt (BGHSt 13, 337, 344 unter Hinweis auf RGSt 71, 353, 354). Die Absicht, einem „Auslandszeugen“ die erneute Anreise zu ersparen, kann das rechtsstaatlich gebotene Recht auf eine angemessene und effektive Verteidigung (Art. 6 Abs. 3c EMRK) nicht wirksam beschränken, zumal Anhaltspunkte für eine längerfristige Erkrankung des Pflichtverteidigers offenbar nicht gegeben waren und auch nichts dafür sprach, dass der Zeuge nicht erneut an dem bereits sechs Tage später bestimmten  Fortsetzungstermin erschienen wäre. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass es sich um die Vernehmung eines Zeugen handelte, die der Verteidiger beantragt hatte.
Dass der neu beigeordnete Pflichtverteidiger nicht selbst Einwendungen gegen das prozessuale Vorgehen erhoben und einen Antrag nach § 145 Abs. 3 StPO auf Unterbrechung des Verfahrens nicht gestellt hat, kann an diesem Befund nichts ändern. Auf die Einschätzung des neuen Verteidigers, der selbst wohl keine Zweifel gehegt hat, die Verteidigung des Angeklagten sachgerecht führen zu können, kann es bei der besonderen Sachlage nicht ankommen. So war die Suche nach einem neuen Verteidiger hier von vornherein mit dem Zweck verbunden, die Vernehmung des aus dem Ausland angereisten Zeugen auf alle Fälle durchzuführen. Ein Verteidiger, der dies abgelehnt hätte, wäre nicht zur Durchführung des Termins beigeordnet worden; ein Verteidiger, der wie hier ohne weitere Beteiligung in der Sache lediglich formal die Verteidigung übernimmt, ist – was sich auch dem Landgericht aufdrängen musste – erkennbar nicht in der Lage, eine sachgerechte und angemessene Verteidigung des Angeklagten zu übernehmen.

Auch dem Umstand, dass der Angeklagte keine Einwendungen gegen die Fortsetzung der Verhandlung erhoben hat, kann vorliegend keine maßgebliche Bedeutung zukommen. Aus dem Regelungsgefüge des § 145 StPO ergibt sich, dass nach dem Willen des Gesetzgebers dem Angeklagten insoweit keine maßgeblichen Verfahrensrechte eingeräumt worden sind. Ein Antragsrecht nach § 145 Abs. 3 StPO steht lediglich dem Verteidiger zu. Dies ändert zwar nichts daran, dass der Angeklagte gleichwohl eine Erklärung abgeben und evtl. eine Aussetzung nach § 265 Abs. 4 StPO anregen kann. In dem Verzicht auf eine bloße Verfahrensanregung kann allerdings nicht der Schluss gezogen werden, der Angeklagte sei mit dem Vorgehen einverstanden.“

Man wird sehen, wie sich die Rechtsprechung an der Stelle weiterentwickelt. Denn die Grundsätze kann man auch auf den vor der Hauptverhandlung kurzfristig beigeordneten Pflichtverteidiger übertragen.