(Unerwünschte) Graffitis sind ärgerlich, schon allein deshalb, weil es meist viel Mühe und Geld kostet, sie wieder zu entfernen. Von daher kann man verstehen, wenn Strafanzeigen wegen Sachbeschädigungen gestellt und Verfahren eingeleitet werden, in denen es dann i.d.R. zu einer Verurteilung wegen Sachbeschädigung nach § 303 StGB kommt. Eine solche durch das AG Berlin-Tiergarten lag dem KG, Beschl. v. 23. 11. 2012 – (4) 161 Ss 249/12 (311/12) – zugrunde. Da hatte es sich das AG aber ein wenig einfach gemacht, denn es hatte – so das KG – nur ausgeführt:
„Nach der Sachverhaltsdarstellung des Amtsgerichts „besprühte“ der Angeklagte am 21. Mai 2011 in der R Straße 83 in Berlin gegen 2.00 Uhr „die Wand einer Hofzufahrt mit einem ca. zwei Mal zwei Meter großen Graffiti“.
Das war dem KG zu knapp. Denn nicht jedes (neue/weitere) Graffiti ist Sachbeschädigung i.S. des § 303 Abs. 2 StGB. Es scheiden vielmehr die sog. „unerheblichen Veränderungen“ aus. Dazu der Leitsatz 1 des KG, Beschlusses:
1. Eine unerhebliche, von § 303 Abs. 2 StGB nicht erfasste Veränderung liegt vor, wenn sie völlig unauffällig bleibt, was etwa der Fall sein kann, wenn eine neue Farbauftragung sich auf einer infolge bereits vorangegangener Schmierereien bereits großflächig verunstalteten Fläche nicht mehr ausnimmt.
Und deshalb muss die tatrichterliche Verurteilung besondere Anforderungen erfüllen. Dazu der Leitsatz 2 der KG-Enscheidung:
2. Das Urteil muss daher sowohl Feststellungen zur Größe und Gestalt der Farbauftragungen – nicht nur zu deren äußeren Ausmaßen, sondern auch zu der für die rechtliche Bewertung ggf. bedeutsamen Ausgestaltung in der Fläche – als auch zu der dadurch bewirkten optischen Veränderung der betroffenen Fläche enthalten.
Also muss das Graffiti beschrieben werden, wenn das Amtsgericht nicht ggf. auf ein Lichtbild Bezug nimmt. Dann gilt aber die vor allem aus dem Bußgeldverfahren bekannte Rechtsprechung zu § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO. Es muss „prozessordnungsgemäß“ Bezug genommen werden. Allein die Mitteilung, das Lichtbild sei in Augenschein genommen worden reicht nicht.
Das KG beweist Realitätssinn. In Berlin besteht offenbar eine tatsächliche Vermutung, dass ein Graffito nicht zu einer nachteiligen Veränderung führt, weil sowieso alle Häuserfronten mit tags und Graffiti zugesprüht sind.
Also wird sich der Berliner Amts- und Landrichter den Textbaustein „brachte der Angeklagte auf der bis zu seiner Tat von Schmierereien unbesudelten Hauswand folgendes Graffito an: “ zulegen müssen.
Muss man in Berlin dann auch bei häuslicher Gewalt als Richter formulieren „Schlug er seine bis dahin unlädierte Ehefrau grün und blau“, damit das KG vorhergehende körperliche Defekte ausschließen kann?
@meine5cent:
denken sie eigentlich immer in textbausteinen? 😉
@n.n.
Nein, aber manche Revisionsgerichte scheinen besonderen Wert auf ganz bestimmte Formulierungen zu legen, weil sie sonst etwas „nicht ausschließen “ können. So soll es OLG-Senate geben, die bei Freiheitsstrafen < 6 Monate Schnappatmung bekommen, wenn das Untergericht statt "unerlässlich" die Wörter geboten, erforderlich, oder notwendig verwenden. Und damit man die Formulierung nicht vergisst, empfehlen sich solche Textbausteine.
So wie Herr Burhoff ja auch schöne Antragsvorlagen in seinen Handbüchern liefert ;).