Archiv für den Monat: August 2012

Hilfe von Privaten – Beweisverwertungsverbot für Messergebnisse im Straßenverkehr

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Wann wird im Straf-/Bußgeldverfahren schon mal ein Beweisverwertungsverbot angenommen? Das ist mehr als selten. Daher überrascht das OLG Naumburg schon ein wenig mit seiner Entscheidung, wonach in der Regel ein Beweisverwertungsverbot begründet ist, wenn die die Ordnungsbehörde im Bußgeldverfahren entgegen einem Runderlass des Innenministeriums eine private Firma mit der Auswertung von Messergebnissen beauftragt hat (s. der OLG Naumburg, Beschl. v.07.05.2012 – 2 Ss Bz 25/12).

Im Fall hatte die Ordnugsbehörde hat die Auswertung der Messdaten, insbesondere die Filmentwicklung und -auswertung, der privaten Firma überlassen, die das Messgerät hergestellt hat, Dies widersprach dem Runderlass des Ministeriums des Innern des Landes Sachsen-Anhalt vom 18. Juni 1998, in dem es  unter Ziffer 4.1.  wörtlich lautet: „Die Filmentwicklung und -auswertung ist Aufgabe der Kommunen. Im Rahmen vorhandener Kapazitäten können Teilaufgaben oder auch die Gesamtaufgabe gegen Kostenerstattung durch die ZBS (Anmerkung des Senats: Zentrale Bußgeldstelle) wahrgenommen werden; …“.

Das OLG sieht auf der Grundlage ein Beweisverwertungsverbot:

Gegen diese ihn bindende Vorschrift hat der Landkreis H. durch die Beauftragung der Firma V. GmbH mit der Auswertung verstoßen. Das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. hat entschieden, dass ein Beweisverwertungsverbot entsteht, wenn die Ordnungsbehörde bewusst und willkürlich die Auswertung der Messergebnisse von Privaten vornehmen lässt, obwohl ein Erlass des zuständigen Innenministeriums dies untersagt (NStZ-RR 2003, 342 f. [OLG Frankfurt am Main 21.07.2003 – 2 Ss Owi 388/02]) . Dem stimmt der Senat zu. Die Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft, ein Verwertungsverbot werde nicht anzunehmen sein, weil das Interesse des Staates an der Tataufklärung zum Schutze der Allgemeinheit und zur Gewährleistung der Verkehrssicherung das Individualinteresse des Betroffenen überwiege, folgt er nicht. Der Senat geht davon aus, dass die beweiserheblichen Unterlagen (Film) nicht – was schlimm wäre – bereits vor Rechtskraft des Verfahrens vernichtet worden sind und somit für eine Auswertung durch Befugte zur Verfügung stehen.

Für die Annahme eines Beweisverwertungsverbotes bedarf es auch nicht der Klärung der Frage, ob den zuständigen Beamten des Landkreises H. der einschlägige Runderlass des Innenministeriums bekannt war und sie bewusst dagegen verstoßen haben. Soweit ihnen zum Zeitpunkt der Auswertung die seit fast dreizehn Jahren unverändert geltende einschlägige Vorschrift unbekannt gewesen sein sollte, würde dies eine völlige Gleichgültigkeit gegenüber den einschlägigen bindenden Normen dokumentieren, die ebenfalls ein Beweisverwertungsverbot nach sich zieht.“

In der Hauptverhandlung sollte/muss m.E. der Verteidiger der Verwertung dieser Messergebnisse widersprchen.

 

Kuhglockenkonflikt – oder Heavy Metal auf der Alm

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Aus der Ecke „Gemischtes“ kommt die Nachricht über einen Rechtsstreit in der Steiermark, auf die die ich bei LTO gestoßen bin (vgl. hier: „Kuhglocken-Konflikt in Österreich„). In der Sache geht es um den Streit zwsichen einem Bauern und seinen Nachbarn in der Steiermark. Dazu heißt es bei LTO, dass ein Richter aus der Steiermark Milchkühen und deren Glocken Bimmelverbot erteilt hat. Und weiter: Mitte Juli schlug die Nachricht in Österreich ein wie eine Bombe: Erich Kundergraber, seines Zeichens Richter am Unabhängigen Verwaltungssenat der Steiermark, brach mit einer Jahrhundert alten Tradition: Die Kühe auf einer Weide in der Gemeinde Stallhof, so sein Urteil, sollten zukünftig ohne Glockenschmuck am Hals grasen. Angefangen hatte die Auseinandersetzung, wie so oft, mit einer Anzeige bei der Polizei. Genervte Nachbarn wollten nicht mehr hinnehmen, dass ein örtlicher Landwirt seine mit Glocken versehene Kuhherde direkt neben ihren Wohnhäusern weiden ließ. Der Bauer erhielt eine Geldstrafe, gegen die er postwendend vor Gericht zog.“

Im LTO-Bericht wird dann Rechtsvergleichung mit der Schweiz und dem Sauerland betrieben, Dort wurden wurden Kuhglocken schon vor Jahrzehnten gerichtlich schallgedämmt, berichtet Uwe Wolf (vgl. hier)

Revisionen der Staatsanwaltschaft – auch die werden verworfen

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Vor einiger Zeit ist die Diskussion über die „Revisionsverwerfungspraxis“ des BGH geführt und beklagt worden, dass beim BGH (fast) nur Angeklagtenrevisionen verworfen werden. Dass das so nicht stimmt, zeigt der BGH, Beschl. v. 01.08.2012 – 5 StR 176/12, in dem der BGH auch eine Revision der Staatsanwaltschaft verworfen hat. Und mit ebenso harschen Worten, wie er sich bei Angeklagtenrevisionen anwendet, nämlich:

„2. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sind unbegründet.

a) Das Landgericht hat die Voraussetzungen des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 1 BtMG) rechtsfehlerfrei verneint. Es hat – worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist – Tatsachen nicht feststellen können, die eine Bandenabrede der Angeklagten mit weiteren beteiligten Personen hinreichend belegen könnten. Die insoweit gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts gerichteten Angriffe der Beschwerdeführerin dringen nicht durch. Sie beschränken sich mit zum Teil urteilsfremden Erwägungen auf eine eigene Bewertung der Beweise. Verfahrensrügen, die das Beweisergebnis in Frage stellen könnten, sind nicht erhoben worden.“

Auch der GBA hatte im Übrigen von der Revision der Staatsanwaltschaft nicht viel gehalten. Denn er hatte sie nur teilweise vertreten. Das ist ein sicheres Zeichen dafür, dass er ihr nur geringe Chancen eingeräumt hat. Allerdings hatte der GBA mit der Revision auch insoweit keinen Erfolg, wie er sie dann durchgeführt hat. Werden die Behördenleiter nicht gerne lesen…

Nachgeholter Sonntagswitz: Dämliche Diebe XIII

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Unser (Total)Ausfall am vergangenen Wochenende hat mich um den Sonntagswitz gebracht. Den hole ich dann am Dienstag nach :-). Wieder aus dem Bereich „Dämliche Diebe“:

Eine Beute ganz nach seinen Geschmack fand ein Einbrecher, der in Hamburg eine Spedition überfiel.
Die erbeutete Flasche ‚Doppelkorn‘ sagte dem Mann so zu, dass er bei einem Pegel von 4,0 Promille einschlief. Vernehmungsfähig war der Schluckspecht erst Tage danach.
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Mit Blindheit geschlagen war ein Räuber, der mit gezückter Waffe in eine Drogerie stürmte, etwas von einem Überfall rief und sich eilig eine Maske über den Kopf zog.
Doch leider hatte er vergessen, vor dem Überfall die Augenöffnungen aus der Pappmaske auszuschneiden.
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Dazu passt dann dieser:

Nach seiner Festnahme bekam ein amerikanischer Räuber die Gelegenheit, lange darüber nachdenken, warum eine über den Kopf gestülpte durchsichtige Plastiktüte eine äusserst dämliche Verkleidung ist.
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Diese Erfahrung musste ein Räuber machen, der um fünf Uhr morgens eine Filiale der Schnellimbisskette ‚Burger King‘ überfallen wollte. Er betrat das Lokal, zog eine Pistole und forderte von dem Angestellten den Inhalt der Kasse. Dieser jedoch erklärte, die Kasse nicht öffnen zu können, ohne zuvor eine Bestellung eingegeben zu haben. Daraufhin bestellte der Mann Zwiebelringe. Als ihm der Angestellte erwiderte, dass diese nicht zum Frühstück angeboten werden, verliess der Mann gefrustet das Lokal.

Der frühe Vogel fängt eben doch nicht immer den Wurm.

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Strafzumessung im Jugendrecht: Ist das denn so schwer? „Unschön“ für die Jugendkammer…

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Wenn man die Rechtsprechung des BGH verfolgt, stellt man fest, dass Strafzumessungsfehler vom BGH häufig gerügt werden – ob sie immer zum Erfolg der Revision führen, ist dann eine andere Frage. Im Bereich der Strafzumessungsfehler spielen dann die JGG-Verfahren eine besondere Rolle. Dort scheint es für die Landgerichte besonders schwer zu sein, eine einwandfreie Strafzumessung hinzubekommen. Jedenfalls habe ich den Eindruck, was um so mehr verwundert, weil es sich um Spezialkammern handelt, für die diese Fragen an sich „tägliches Brot“ sein sollten. Den Beweis liefert mal wieder der BGH, Beschl. v. 17.07.2012 – 3 StR 238/12. Das LG hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Dem BGH passt die gesamte Strafzumessung nicht:

 Jedoch halten weder die Begründung schädlicher Neigungen des Angeklagten noch die Ausführungen der Jugendkammer zur Strafhöhe sachlichrechtlicher Überprüfung stand.

1. Schädliche Neigungen im Sinne des § 17 Abs. 2 JGG sind erhebliche Anlage- oder Erziehungsmängel, die ohne längere Gesamterziehung des Täters die Gefahr weiterer Straftaten begründen. Sie können in der Regel nur bejaht werden, wenn erhebliche Persönlichkeitsmängel schon vor der Tat, wenn auch unter Umständen verborgen, angelegt waren. Sie müssen schließlich auch noch zum Urteilszeitpunkt bestehen und weitere Straftaten des Angeklagten befürchten lassen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 10. März 1992 – 1 StR 105/92, BGHR JGG § 17 Abs. 2 schädliche Neigungen 5).

Diese Voraussetzungen werden durch die Feststellungen nicht belegt. Soweit das Landgericht auf die von ihm für bestimmend erachteten konkreten Strafzumessungsgesichtspunkte abstellt, betreffen diese überwiegend das objektive Tatunrecht; sie sind deshalb für das Vorliegen schädlicher Neigungen weitgehend unergiebig. Bei den von der Jugendkammer daneben angeführten Vorbelastungen des Angeklagten handelt es sich lediglich um zwei Verfahren wegen Diebstahls bzw. Sachbeschädigung, bei denen gemäß § 45 Abs. 1 bzw. 2 JGG von der Verfolgung abgesehen bzw. das Verfahren nach Zahlung einer Geldbuße eingestellt wurde. In einem dritten Verfahren wurde der Angeklagte wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte schuldig gesprochen, weil er sich im Rahmen einer Identitätsfeststellung gegen einen Polizeibeamten geehrt und ein T-Shirt mit der Aufschrift „Fuck the Police“ gezeigt hatte. Die ihm deswegen auferlegten Arbeitsstunden hat der Angeklagte abgeleistet. Aus diesen Sachverhalten ergeben sich keine tragfähigen Anhaltspunkte für das Vorliegen schädlicher Neigungen; sie belegen vielmehr lediglich vergleichsweise geringfügige, jugendtypische Verfehlungen.

2. Gemäß § 18 Abs. 2 JGG bemisst sich die Höhe der Jugendstrafe vorrangig nach erzieherischen Gesichtspunkten. Die Urteilsgründe müssen des-halb erkennen lassen, dass dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Beachtung geschenkt und bei der Bemessung der Jugendstrafe das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Heranwachsenden abgewogen worden ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2012 – 3 StR 15/12, NStZ-RR 2012, 186, 187 mwN).

Diesen Anforderungen genügen die Strafzumessungserwägungen des angefochtenen Urteils nicht. Das Landgericht hat zunächst auf das weitgehende Geständnis des Angeklagten, dessen Vorbelastungen sowie die objektiven Tatumstände abgestellt. Daneben hat es ausgeführt, die Strafe müsse in ange-messener Relation zu der nach Erwachsenenstrafrecht zugemessenen Strafe eines Mittäters stehen. Der Erziehungsgedanke findet sodann Erwähnung ledig-lich in der nicht näher substantiierten Wendung, die verhängte Strafe sei „erzieherisch geboten“ und eine geringer bemessene Strafe sei nicht geeignet, „dem Nacherziehungsbedarf des Angeklagten wirksam Rechnung zu tragen“. Eine derartige lediglich formelhafte Erwähnung des Erziehungsgedankens reicht grundsätzlich nicht aus (BGH, Beschluss vom 19. November 2009 – 3 StR 400/09, NStZ 2010, 281). Eine Abwägung zwischen dem Tatunrecht und den Folgen der Verbüßung der verhängten Strafe für die weitere Entwicklung des Angeklagten fehlt ebenfalls.“

Liest sich insgesamt „unschön“ für die Jugendkammer.