Beweisantrag mal wieder zu schnell abgelehnt, oder: Auch im Bußgeldverfahren gilt zunächst mal die Amtsaufklärungspflicht

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Die Amtsrichter greifen im Bußgeldverfahren, wenn es um die Ablehnung von Beweisanträgen geht, gern zum scharfen Schwert des§ 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG. Man ist immer wieder erstaunt,  was alles zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich sein soll. Und das, obwohl die OLG immer wieder daran erinnern, dass das Tatgericht nur dann befugt ist, unter Befreiung von dem Verbot der Beweisantizipation Beweisanträge nach § 77 Abs. 2 Nr, 1 OWiG zurückzuweisen, wenn es seine nach § 77 Abs. 1 Satz 1 OWiG prinzipiell fortbestehende Aufklärungspflicht nicht verletzt. Verletzt ist die Aufklärungspflicht aber dann, wenn sich dem Gericht eine Beweiserhebung aufdrängen musste oder diese nahe lag. So jetzt in einem das OLG Brandenburg im OLG Brandenburg, Beschl. v. 21.06.2012 –  53 Ss-OWi 237/12 (155/12:

Es muss bereits eine Beweisaufnahme stattgefunden haben, aufgrund der Beweisaufnahme muss der Richter zu der Überzeugung gelangt sein, der Sachverhalt sei geklärt und die Wahrheit gefunden und die beantragte Beweiserhebung muss nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur weiteren Erforschung der Wahrheit nicht mehr erforderlich sein.

Damit ist das Gericht unter Befreiung von dem Verbot der Beweisantizipation befugt, Beweisanträge nach § 77 Abs. 2 Nr, 1 OWiG zurückzuweisen, wenn es seine nach § 77 Abs. 1 Satz 1 OWiG prinzipiell fortbestehende Aufklärungspflicht nicht verletzt. Verletzt ist die Aufklärungspflicht dann, wenn sich dem Gericht eine Beweiserhebung aufdrängen musste oder diese nahe lag (vgl. OLG Köln VRs 88, 376; OLG Düsseldorf NStZ 1991, 542 f.; Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 77 Rdn, 11, 12),

Bei der Verwendung eines so genannten standardisierten Messverfahrens zum Beleg einer Geschwindigkeitsüberschreitung, zu denen auch das hier verwendete Lasermessgerät Riegl VG 21- T zählt, ist einzubeziehen, dass in diesem Fall nur eingeschränkte tatsächliche Feststellungen erforderlich sind (vgl. BGHSt 39, 221; 43, 277, 283 f.). Indes wird anerkannt, dass sich eine weitere Aufnahme zur Aufklärung auf ein standardisiertes Messverfahren gestützten Beweisführung aufdrängt oder diese doch nahe liegt, wenn konkrete Anhaltspunkte für technische Fehl-funktionen des Messgerätes (vgl. OLG Köln VRs 88, 376 ff.; OLG Hamm NZV 2007, 155 f.; Göhler a.a.O. § 77 Rdn. 14) behauptet werden.

 Gleiches muss gelten, wenn – wie hier – unter anderem die fehlerhafte Durchführung der in der Gebrauchs- bzw. Bedienungsanleitung des Herstellers vorgeschriebenen Funktionstests behauptet werden. Denn die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze für so genannte standardisierte Messverfahren gelten nur dann, wenn das jeweilige Messgerät vom Bedienungspersonal auch standardmäßig, das heißt, im geeichten Zustand, seiner Bauartzulassung entsprechend und gemäß der vom Hersteller mitgegebenen Bedienungs- bzw. Gebrauchsanweisung verwendet worden ist, und zwar nicht nur beim eigentlichen Messvorgang, sondern auch und gerade bei dem ihm vorausgegangenen Gerätetest (vgl. OLG Hamm NZV 2009, 248 f).

 Nur durch diesen Test kann mit der für eine spätere Verurteilung ausreichenden Sicherheit festgestellt werden, ob das Gerät in seiner konkreten Aufstellsituation tatsächlich mit der vom Richter bei standardisierten Messverfahren vorausgesetzten Präzision arbeitet und so eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage zur Verfügung stellt (vgl. OLG Koblenz DAR 2006, 101 f.; OLG Celle NZV 2010,414-415).

 Der Verteidiger hat in seinen Beweisanträgen, die er in der Begründung der Rechtsbeschwerde wiedergegeben hat, konkret und substantiiert dargelegt, dass die Messbeamtin den vorgeschriebenen Display- bzw. Visiertest nicht entsprechend den Herstellerangaben in der Bedienungs- bzw. Gebrauchsanweisung durchgeführt hat. Das Amtsgericht hat die Beweisanträge mit der Begrün-dung zurückgewiesen, dass die Funktionsweise des Messgeräts und die durchzuführenden Tests bei dem vorliegenden verwendeten Messgerät dem Gericht aus unzähligen Verfahren gerichtsbekannt sei. Zudem habe die Messbeamtin M., die als Zeugin vernommen worden sei, ausführliche Angaben zu der durch sie durchgeführten Messungen nebst den durch sie durchgeführten Tests gemacht. Danach seien die Tests und auch die Messung einwandfrei durchgeführt worden. Es bedürfe daher weder der Einsicht in die Bedienungsanleitung, noch der Verlesung des Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Y. oder auch der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens.

 Das Amtsgericht hat in seinen Urteilsgründen jedoch keine Feststellungen getroffen, welche konkreten Anforderungen der Hersteller an die Durchführung des Funktionstest stellt, wie sie vom Bedienungspersonal ordnungsgemäß durchzuführen sind und ob insbesondere die Messbeamtin die entsprechenden Herstellervorgaben tatsächlich eingehalten hat. Auch hat es keine Feststellungen getroffen, ob die vorgeschriebenen Tests nach jedem Anhaltevorgang bzw. Standortwechsel vorgenommen worden sind.

 Es hat auch nicht hinreichend dargelegt, dass der Amtsrichter aus eigener Sachkunde in der Lage ist zu beurteilen, dass die Funktionstests einwandfrei durchgeführt worden sind. Hierzu lassen die Urteilsgründe vermissen, ob dem Tatgericht tatsächlich die Bedienungsanleitung für das vorliegende Gerät bekannt war. Das Amtsgericht hat zudem keine Feststellungen getroffen, ob insbesondere für die Durchführung des Tests der Visiereinrichtung die Entfernungsvorgaben des Her-stellers eingehalten worden sind.

 Wegen der konkreten und substantiierten Behauptungen des Verteidigers des Betroffenen zur Fehlerhaftigkeit des Display- und Visiertests durch die Messbeamtin sowie der nicht hinreichend belegten eigenen Sachkunde des Tatrichters hat es jedenfalls nahe gelegen, der beantragten Beweiserhebung nachzugehen oder aber weitere Feststellungen zur ordnungsgemäßen Durchführung des Funktionstests zu treffen, etwa durch Beiziehung der Gebrauchs- und Bedienungsanleitung für das verwendete Laser-Messgerät.

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