Ist es so arrogant/zynisch gemeint, wie es klingt?

Manchmal frage ich mich, ob Beschlüsse eigentlich, nachdem sie abgesetzt worden sind, von niemandem mehr richtig gelesen werden. Würde das getan, dann würde sicherlich in dem ein oder anderen Fall der Beschlusstext noch umformuliert. Eine solche „Nachlese“ hätte m.E. auch dem LG Aachen, Beschl. v. 01.02.2012, 62 Qs 8/12 gut getan.

In der Sache ging es um Akteneinsicht des Verteidigers im Bußgeldverfahren – Stichwort: Dauerbrenner Messunterlagen. Die war vom AG abgelehnt worden. Dagegen hat der Verteidiger Beschwerde eingelegt, die das LG zurückgewiesen hat. So weit, so gut, darüber kann man streiten und wird ja auch noch gestritten, obwohl m.E. die überwiegende Meinung das anders sieht als das LG. In dem Beschluss dann aber Formulierungen wie:

Insofern hat die Kammer erst jüngst in einem vergleichbaren Fall entschieden, dass die Übersendung der Bedienungsanleitung im Original insbesondere deswegen nicht in Betracht kommt, weil diese fortwährend bei Geschwindigkeitsmessungen benötigt und damit unentbehrlich ist, der Verteidiger zudem keinen Anspruch darauf hat, dass ihm zur Kopien der Bedienungsanleitung zugesandt werden, es ihm jedoch unbenommen bleibt, zur Vermeidung aufwendiger Kopien bei der Verwaltungsbehörde das Akteneinsichtsrecht in den Räumlichkeiten der jeweiligen Polizeidienststelle wahrzunehmen ….“

und:

Wenn der Beschuldigte bzw. dessen Verteidiger die Richtigkeit der Messung anzweifeln will, mag er eine konkrete Behauptung aufstellen und die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragen, im Rahmen dessen dann die dazu erforderlichen Unterlagen bzw. Beweismittel beigezogen werden.“

Beides klingt mir arrogant/zynisch – oder bin ich zu empfindlich? Insbesondere störe ich mich an dem „mag“.

Hinzu kommt: Der Verteidiger befindet sich mit dem Beschluss in einem Teufelskreis: Akteneinsicht in die Bedienungsanleitung gibt es nicht bzw. ggf. nur nach einem Beweisantrag. Wie soll ich aber die dafür erforderliche „konkrete Behauptung aufstellen“, wenn ich die Messung und deren Grundlagen gar nicht kenne?

10 Gedanken zu „Ist es so arrogant/zynisch gemeint, wie es klingt?

  1. Sascha Petzold

    Es ist doch zu fragen, ob das Verfahren nicht konventionswidrig läuft, wenn das Gericht Beweise vereitelt. Nach EGMR müssen alle Unterlagen, die den Ermittlungsbehörden vorliegen auch den Verteidiger zur Verfügung gestellt werden. (Waffengleichheit). M.E. begründet es die Besorgnis der Befangenheit, wenn der Richter den Verteidiger die Prüfung der Messung erschwert. Der einzig denkbare Grund hierfür kann doch nur sein, dass die Messung wohl fehlerhaft ist. Wer nichts zu befürchten hat, muss sich oder die Bedienungsanleitung auch nicht zu verstecken.
    Wenn genug Verteidiger die gebotene prozessuale Gegenwehr entfalten, werden auch die Gerichte vom hohen Roß herunterkommen. Also bitte an alle:
    – Aussetzungsantrag, weil unvollständige Akteneinsicht
    – Befangenheitsantrag
    – Dienstaufsichtsbeschwerde
    – Strafanzeige wegen Rechtsbeugung
    – Ladung des GF des Herstellers, zur Erläuterung der Bedienung des Messgeräts
    – Ladung des Leiters der PTB zur Erläuterung, unter welchen Voraussetzungen das Gerät zugelassen wurde
    – Antrag nach § 21 GKG, dass die (unnötigen) Kosten der langen Verhandlung der Staatskasse auferlegt werden
    – Vernehmung des Polizisten, wie er das Gerät im Detail bedient hat – mit Protokollierungsantrag
    – Beweisantrag, dass die genannte Bedienung nach PTB-Vorgaben ungenügend sind
    – etc
    – Zahlt die RS eigentlich auch die Verfassungsbeschwerde und Menschenrechtsbeschwerde?

    Ich denke, man sollte auch anders miteinander umgehen können und pflege das auch so. Manchen Richtern ist halt die Macht etwas zu Kopf gestiegen.
    Viel Spaß Sascha Petzold

  2. Strenger Richter aller Sünder

    Hintergrund dieses Beschlusses dürfte sein, dass alle Verfahrensbeteiligten (inklusive Verteidiger) genau wissen, dass der Verteidiger mit der Bedienungsanleitung genauso wenig etwas anfangen kann wie Gericht und Staatsanwaltschaft. Vielmehr ist die Beantragung der Beiziehung dieser Unterlagen nichts anderes als ein Versuch, einen Grund für die Rechtsbeschwerde zu schaffen. Wenn es in Deutschland einen Anwalt gibt, der Bedienungsanleitungen für Messgeräte lesen, verstehen und anwenden kann – Respekt. Ich glaube jedoch nicht daran, dass eine solche Person existiert.

    Es wundert mich, dass die Rechtsschutzversicherungen dieses ganze Theater mitmachen.

  3. Ö-Buff

    Ich „mag“ keine grundsätzliche Abweichung von dem sonst üblichen „Gerichtssprech“ erkennen. Wenn ich das mit dem vergleiche, was man sich manchmal als Sachverständiger vom Verteidiger so anhören darf, ist das geradezu höflich. 😉

  4. meine5cent

    @S.petzold: wieder was vom 1. Senat als ou zurückbekommen? Oder woraus resultiert dieser Amoklauf?
    Bemerkenswert ist natürlich Ihre Frage, ob die RS für diesen ganzen Unfug aufkommen würde. Offenbar geht es Ihnen dann doch nicht ganz so ums Prinzip.

  5. Ö-Buff

    Mein Kommentar ist fort. 🙁
    Noch ein Versuch:

    Ich „mag“ keine grundsätzliche Abweichung von dem sonst üblichen „Gerichtssprech“ erkennen. Wenn ich das mit dem vergleiche, was man sich manchmal als Sachverständiger vom Verteidiger so anhören darf, ist das geradezu höflich. 😉

  6. Detlef Burhoff Beitragsautor

    Nein, der ist nicht fort = ggf. zensiert. Das machen wir nicht. Ist ein technisches Problem, mit dem ich kämpfe. Haben wir immer wieder und bekomme ich nicht richtig in Griff. Sorry.

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