Im Forum auf meiner Homepage www.burhoff.de hat in den vergangenen Tagen ein Kollege unter der Überschrift: „153 a StPO, verjährte Straftat, Kosten“ nachgefragt und folgenden Sachverhalt zur Diskussion gestellt:
„Hallo Forum,
folgendes Problem:
Mein Mandant bekommt ein Schrieb der StA mit der Bitte um Zustimmung zu einer Einstellung gemäß § 153 a gegen Zahlung und kann damit schlicht gar nichts anfangen. Tatvorwurf ist Betrug.
Ich fordere also die Akte an und stelle fest, dass sich der Betrug 2005 ereignet haben soll und daraufhin 2011 eine Strafanzeige erstattet wurde.
Es liegt also Verfolgungsverjährung vor, was ich – freundlich wie ich bin – der StA mit der Bitte um Einstellung nach 170 II auch mitteile.
Nun frage ich mich, ob es irgendeinen Weg gibt, der Staatskasse die Kosten überzuhelfen, weil ich es eine Frechheit finde, dem Mandanten eine Geldauflage „anzubieten“ trotzdem offensichtlich Verjährung eingetreten ist. Z.B. nach dem StrEG?? Und ggf. wie das genau geht.
Also: Mir fällt dazu nichts ein. Auslagenerstattung im Ermittlungsverfahren, gibt es nur in Sonderfällen und davon liegt keiner vor. Und StrEG: Welche zu entschädigende Maßnahme liegt denn vor, die zu entschädigen wäre? Was mir eingefallen ist, ist allenfalls ein Anspruch nach § 839 BGB, was ich aber auch nicht durchgeprüft habe.
Daher: Hat jemand noch eine andere, ggf. zündende Idee?
Mir fällt nur ein (ziemlich aussichtloser) Beiordnungsantrag ein:
„wird die Staatsanwaltschaft angeregt,
beim zuständigen Gericht die Beiordnung des Unterzeichners als Pflichtverteidiger zu beantragen.
Begründung:
Der vorgeschlagenen Einstellung nach § 153a StPO wird nicht zugestimmt.
Es liegt ein Fall notwendiger Verteidigung vor, denn (…) [zB: Sprachunkundigkeit? Etwaiges Beweisverwertungsverbot? Aussage-gegen-Aussage, OLG Celle NStZ 2009, 175?]
Hier tritt das Problem hinzu, dass – wie das Angebot, nach § 153a StPO zu verfahren, zeigt – nach Auffassung der Staatsanwaltschaft eine Verfolgungsverjährung nicht vorliegt. Insoweit ist eine unterschiedliche Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch Gericht und Staatsanwaltschaft zu erwarten (vgl. Meyer-Goßner, § 140 Rn. 26a).
Die Notwendigkeit der Verteidigung im gerichtlichen Verfahren führt in der Regel zur Notwendigkeit auch im Ermittlungsverfahren (Meyer-Goßner, § 141 Rn. 5). Ein Ausnahmefall ist nicht ersichtlich.“
Wenn man auf die Betriebsblindheit der StA vertrauen kann:
Zustimmung verweigern und hoffen, dass angeklagt wird. Nach Anklageerhebung Antrag auf Nichteröffnung des Hauptverfahrens oder – wenn man auf die Betriebsblindheit des Amtsrichters vertrauen kann – Eröffnung des Hauptverfahrens abwarten und dann Antrag nach § 206a StPO wegen Verfahrenshindernis stellen.
Merkt es der Amtsrichter und wird die Anklage zurückgenommen und das Verfahren eingestellt, kann man über § 467a StPO gehen.
Eine kuriose Anfrage. Die Verjährung wurde angeblich gleich erkannt („Betrug 2005 ereignet“ , muss aber nicht heißen, daß die Tat da schon beendet war. Und nur darauf kommt es an), aber dann die etwas unbeholfene Frage „Und ggf. wie das genau geht“.
Mal NJW 2000, 2672 oder 1989,96 konsultieren. Dort gibt es z.B. Ausführungen zu Amtspflichten der Staatsanwaltschaft. Und RA-Kosten sind nach der einschlägigen Kommentarliteratur grundsätzlich ein ersatzfähiger Schaden.
Ein Ehrenmann beruft sich nicht auf Verjährung 😉
Hoppla, das galt glaube ich ausschließlich fürs Handelsrecht und das auch nur in Hamburg.
Der von Ben vorgeschlagene Weg wäre der richtige gewesen – wenn der Kollege nicht schon vorgeprescht wäre.
839 BGB dürfte letztlich nicht helfen.
Auf den ersten Blick:
§ 839 BGB hilft da kaum weiter. Verschuldenshaftung ist schon problematisch (Verschulden?).
Außerdem ist der Zurechnungszusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden (RA – Kosten) nicht gegeben. Der hypothetische Kausalverlauf bei rechtmäßigem Alternativverhalten ist bei § 839 BGB immer zu prüfen.
Wenn man dann mal zu dem Ergebnis kommen mag, dass die Einstellungsmitteilung bzw. das Angebot trotz Verjährung die schuldhafte Handlung darstellen soll, dann fragt sich doch, was der Beschuldigte getan hätte, wenn er die Einstellungsmitteilung vor der Verjährung gekriegt hätte (hypot. Kausalv.). Pflichtgemäße Handlung heißt dann meines Erachtens nicht, sofort einstellen, sondern, wenn in der Sache vor Verjährung ermittelt wurde (das unterstelle ich mal angesichts der Zeiträume), dann heißt das: Einstellung anbieten vor Verjährung statt nach Verjährung.
Dann wäre der Beschuldigte aber sicher auch zu einem Verteidiger getappt. Er weiß ja in der Regel nicht, wie er die Verfolgungsverjährung berechnen soll. Den „Schaden“ sprich die RA – Kosten hätte er also sowieso – auch bei pflichtgemäßem Handeln gehabt.
Und wenn er sich darauf berufen wird, er habe um die Verjährung gewusst, dann trifft ihn ein Mitverschulden wegen der Anwaltskosten, denn dann bräuchte er keinen Anwalt. Darauf hätte er die StA auch alleine bringen können. Im § 839 schließt jegliches Mitverschulden den Anspruch komplett aus.
Der bleibt auf seinen Kosten sitzen, wie das eben leider immer so ist.
Ben hat den meines Erachtens einzig richtigen Weg aufgezeigt.
Ich könnte mir eine Amtshaftung allenfalls in folgender Konstellation vorstellen:
1. StA verfolgt einen offensichtlichen Schwachsinn (natürlich unüblich :-)), z.B.: offensichtliche Namensverwechselung beim Beschuldigten bei so nem dämlichen EBay – Betrug.
2. Der Beschuldigte zeigt der StA an, dass er das nicht gewesen sein kann und weist das so eindeutig nach, dass Jeder mit gesundem Menschenverstand … begreifen muss, dass der Beschuldigte offensichtlich unschuldig ist.
3. Er kriegt daraufhin trotzdem mutwillig ein § 153 a – Angebot.
Ich meine, dass er dann zum Verteidiger gehen darf und eventuell auch mit § 839 BGB durchkommen könnte. Ich fürchte nur, dass das die Zivilkammer am LG etwas anders sehen könnte.
@Dominik Weiser: Der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens verfängt hier mE nicht. Die Frage des Verhaltens vor Verjährung ist auch keine des rechtmäßigen Alternativverhaltens, sondern das Hinzudenken hypothetischer Tatsachen. Würde man hier den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens einbringen, so könnte nur geprüft werden, ob der Schaden auch dann eingetreten wäre, wenn sich die StA rechtmäßig verhalten hätte, also statt dem Einstellungsangebot eine Mitteilung über die Einstellung nach § 170 II StPO versandt hätte. In dieser Konstellation hätte der Mandant wahrscheinlich keinen Anwalt aufgesucht.
Rechtsverteidigungskosten sind i.Ü. jedenfalls dann vom SE erfasst, wenn sie notwendig waren. Dass dies der Fall war, sollte man schon daran sehen, dass hier ein Kavalleriereiter mit immerhin wohl zwei Prädikaten nicht erkannt hat, dass er wegen Verjährung einzustellen hat.
@geschätze Kollegen,
der Fall stammt ursprünglich von mir, aber ein Kollege war so freundlich, ihn für mich einzustellen, da ich noch immer keine Zugangsdaten für das Burhoff-Forum bekommen habe . Insofern war die „unbeholfene Schlussfrage“ eigentlich nur für den Kollegen gedacht und ich bitte insofern um Nachsicht (@meine5cent).
Zunächst möchte ich mich für die interessanten Beiträge bedanken und den Sachverhalt noch mal kurz konkretisieren. Der angebliche Betrug soll sich an einem nicht näher bestimmbaren Tag 2005 ereignet haben und nach dem Akteninhalt auch unstreitig 2005 voll- und beendet gewesen sein.
Die Anzeigenerstattung erfolgte erst im Januar 2011 (skurrilerweise von einer verwandten Anwältin der Geschädigten). Es lag somit bereits zum Anzeigenzeitpunkt offensichtlich Verfolgungsverjährung vor. Andere eventuelle Straftatbestände mit längerer Verjährungsfrist waren ausgeschlossen. Trotzdem hat sie StA die Ermittlungen aufgenommen und auch recht umfangreich durchgeführt. Das ganze gipfelte dann in dem besagten 153a-Angebot, Zahlung 100,00 €. Der Mandant kannte die Verfolgungsverjährung natürlich nicht, sondern bestritt den Betrug ansich, der im Übrigen auch mit Sicherheit nie mit einer Verurteilung geendet hätte, da alles viel zu „dünn“ war.
Ich habe dann zunächst die gleichen Erwägungen angestrengt wie der Kollege Ben, allerdings verworfen, weil ich das Risiko zu hoch fand, dass die StA vielleicht einfach nach 153 einstellt, was angesichts der auch nur geringen geplanten Geldauflage nicht abwegig war und dann nicht mehr angegriffen hätte werden können. Zudem hatte ich erklärtermaßen wenig Vertrauen in die Kenntnisse der bearbeitenden StAin. Im Interesse des Mandanten habe ich mich dann also entschieden, die StA freundlich auf die Verjährung hinzuweisen und gestern ereilte mich dann die Einstellungsverfügung nach 170 II.
Die Idee mit 839 BGB finde ich insofern recht gut und @ DomenikWeiser, gab es in meiner Konstellation kein rechtmäßig Alternativverhalten, außer der Einstellung nach § 170 II, da eine Einstellung nach 153 a vor Verjährung gar nicht möglich gewesen ist, da erst nach Verjährung überhaupt Anzeige erstattet wurde. Der Mandant hätte somit bei rechtmäßigem Alternativverhalten nie einen Anwalt aufsuchen müssen.
Insofern nehme ich gern noch weitere Anregungen/Meinungen entgegen und werde mich mal mit 839 BGB eingehend befassen. Das Ergebnis teile ich dann gern hier wieder mit.
Einstweilen vielen Dank!
RAin Hellbach