Wir hatten vor einigen Tagen – ebenso wie andere Blogs – über das Urteil des AG Elmshorn berichtet, das der dortigen RiAG eine Einladung zur einer Nachfahrt mit der Polizei und dem Innenminister einen Rüffel seines Kollegen Justizminister eingebracht hat.
Nun liegt das vollständige begründete schriftliche Urteil des AG Elmshorn vor. Liest sich gut, Herr Innenminister. Da hat sich die Amtsrichterin viel Mühe gemacht (was aber auch zu erwarten war). Ich will die Diskussion jetzt auch gar nicht wieder anheizen, sondern nur der Vollständigkeit halber auf das Urteil hinweisen. Von Bedeutung sicherlich die Passage
„Dabei wollte der Angeklagte auf diese Art und Weise eine etwaige körperliche Auseinadersetzung mit dem Zeugen … an sich abwenden, bzw. einer solchen vorbeugen. Der Angeklagt wusste um die Wirkung des Reizstoffes, der erheblichen Schmerzen in den Augen und den Atemwegen hervorruft.“
Alles in allem, schön abgewogen, Nun ja, und nun?
Nicht ganz so schön ist allerdings in den Strafzumessungserwägungen die Passage:
„Zu Lasten des Angeklagten muss jedoch auch beachtet werden, dass der überraschende Einsatz eines RSG III in das Gesicht des Geschädigten starke Schmerzen und eine länger anhaltende Reizung der Augen und Atemwege hervorruft und somit eine nicht unerhebliche Schädigung des Zeugen … herbeigeführt hat.„
Da würde man in der Revision die Doppelverwertung – Urteil wegen gefährlicher Körperverletzung – diskutieren müssen. Aber es ist ja wohl nur Berufung eingelegt.
Für den übereifrigen Herrn Innenminister dürfte besonders diese Passage lesenswert sein:
„Vorliegend weist das Gericht nochmals daraufhin, dass in der konkreten Situation durch den Angeklagten gerade keine Entscheidung innerhalb von Sekunden getroffen werden musste. Der Geschädigte saß auf dem Sofa in seiner Wohnung und drehte sich eine Zigarette. Er war nicht im Begriff die Beamten anzugreifen.“
Ist eigentlich etwas über ein Verfahren gegen den Zeugen PM X bekannt? Rn. 23 legt eine Falschaussage nahe.
Da das AG nur die Mindeststrafe verhängt hat werden die Passagen zu Strafzumessung eine Revision nicht begründen können.
Sollte es nicht heißen „amtierender Innenminister“?
Oder bleibt so etwas etwa Minister. Ts
Der Fall ist ein schönes Beispiel dafür, dass es auch im Strafprozess vor dem Amtsgericht Sinn machen kann, einen eigenen Verkündungstermin anzuberaumen, in dem das Urteil dann komplett verlesen wird (§ 268 Abs. 3 S. 2 StPO). Gerade bei so sensiblen Fällen kann es zur Beruhigung der Gemüter hilfreich sein, gleich ein vollständig abgefassten Urteil parat zu haben.
Zur Strafzumessung: M. E. liegt hier kein Fall der unzulässigen Doppelverwertung vor. „Starke Schmerzen“ bzw. „eine länger anhaltende Reizung der Augen“ sind nur mögliche, keine zwangsläufigen Folgen eines Einsatzes von Reizgas, wenn man die Betonung auf „stark“ bzw. „länger anhaltend“ legt. Bekommt das Opfer nicht „die volle Ladung“ ab, weil etwa aus größerer Entfernung gesprüht wird oder weil es sich rechtzeitig abwendet, mag zwar der Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung ebenfalls erfüllt sein, die Tat hat aber womöglich nur einen Schmerz von kurzer Dauer und eine vorübergehenden Reizung zur Folge. Die gravierendere Folge darf daher wohl strafschärfend berücksichtigt werden.