Da ist man doch ziemlich fassungslos, wenn man die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 11.11.2010 liest, die kein Karnevalsscherz ist. Fassungslos nicht über das OLG Düsseldorf (1 Ws 290/10) , sondern über den Pflichtverteidiger, den das OLG in seiner Entscheidung wegen einer „tiefgreifende Erschütterung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Angeklagten und seinem Pflichtverteidiger“ entpflichtet hat. Grund: Dieser hatte sich nach seiner Bestellung (mindestens) zwei Monate nicht beim Angeklagten gemeldet. Da hatte das OLG gar keine andere Wahl als zu entpflichten.
Was dann aber schon ein wenig erstaunt: Ergangen ist der Beschluss auf die Beschwerde des Angeklagten. D.h.: der Vorsitzende der Strafkammer hatte eine Störung des Vertrauensverhältnisses wohl nicht gesehen und die Entpflichtung abgelehnt. Da fragt man sich ja dann doch: Was muss denn noch passieren bzw. was muss denn noch nicht passieren?
Offenbar gab es ja neben dem entpflichteten Pflichtverteidiger einen „seit Juli 2010“ eingearbeiteten Wahlverteidiger, der dann zum Pflichtverteidiger bestellt wurde. Weshalb der zunächst bestellte Pflichtverteidiger 2 Monate lang keinen Kontakt aufgenommen hat, geht aus dem Beschluss leider nicht hervor (manchmal wird das Engagement des Pflichtverteidigers ja auch durch den Wahlverteidiger etwas – vielleicht aus Gründen der abzurechnenden Zeitvergütung hmmm: gebremst). Und offenbar hat der Pflichtverteidiger erst im Oktober (also nach dem LG-Beschluss) auf die Beschwerde erwidert und das Beschwerdevorbringen bestätigt. („Dies ergibt sich aus dem Antragsvorbringen des Angeklagten, dessen Tatsachenschilderung in Bezug auf die wesentlichen Eckdaten durch Rechtsanwalt Dr. E. mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2010 bestätigt worden ist.“).
ME ist der Beschluss hinsichtlich der Tatsachenschilderung zu knapp, um gleich in Fassungslosigkeit auszubrechen 😉
das mag ja alles sein und lässt sich so auch ableiten, ändert m.E. aber nichts an der Tatsache, dass der Pflichtverteidiger zwei Monate offenbar nichts getan hat, oder?
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Vielleicht wollte Herr Dr. E. die Entpflichtung auch provozieren. Schließlich dürfte seine Untätigkeit nicht einmal berufsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Und der Kammervorsitzende hat ihn – wie üblich – ja auch nicht zu einer engagierten Verteidigung angehalten.
In amerikanischen Serien und Spielfilmen mahnen die Strafrichter die Pflichtverteidiger oftmals an, den Angeklagten engagiert zu verteidigen und sich anzustrengen. Ich weiß nicht, ob dies die Realität in amerikanischen Gerichtssälen widerspiegelt oder nur den verfassungsromantischen Vorstellungen der Drehbuchautoren entspricht. Von einem deutschen Strafrichter habe ich jedenfalls noch nie gehört, daß mangelndes Engagement des Pflichtverteidigers gerügt wurde. Im Gegenteil. Hier scheint man froh über jeden „Urteilsbegleiter“ zu sein. Die Untätigkeit eines Pflichtverteidigers wird in der Regel auch nicht durch ein entsprechendes Engagement der Staatsanwaltschaft und des Gerichts kompensiert.
Da häufig darüber geklagt wird, dass so viele Leute in den USA deshalb unschuldig verurteilt werden, weil „nur“ ein Pflichtverteidiger tätig war, meine ich, dass da wieder einmal die Drehbuchschreiber am Werk waren (so wie in Deutschland bei den Anweisungen von Krimi-Polizeibeamten an Beschuldigte: „Sie halten sich zu unserer Verfügung“. oder „Sie verlassen das Stadtgebiet in den nächsten 48 Stunden nicht“. Oder kürzlich im Tatort: Sie sind verdächtig. Wir nehmen Sie 48 Stunden in Polizeigewahrsam“. Und die Richtertische, auf denen die Kommentare und Gesetzestexte mit dem Rücken zum Zuhörerraum und nicht zum Richter stehen…..)
In USA kann ein Strafverfahren bei mangelhafter Verteidigung.wiederaufgenommen werden.
In Deutschland gibt es nichts, oder fast nichts, was ein Urteil nach Rechtskraft erschüttern könnte. Warum Juristen und nur diese meinen, das hätte was mit Gerechtigkeit zu tun und erheben das sogar noch in Verfassungsrang, erschließt sich normalen Menschen allerdings nicht.
Es kann nur damit zu tun haben, dass sich Richter gottähnlich (und bar jeder Verantwortung für gemachte Fehler) fühlen.
@ meine5cent: bei Zuschauen von Fernsehrkrimis sträuben sich die Nackenhaare 🙂
Und die Zehennägel rollen sich auf! 😉
Muss denn wirklich jeder Strafrichter den Pflichtverteidiger anweisen, seine Arbeit ordentlich zu tun und sich anzustrengen? Das sollte doch zum allgemeinen Berufsethos gehören. Mich macht es mehr fassungslos, das das Amtsgericht den nicht entlassen hat, er nicht um Entpflichtung gebeten hat, weil er keine Zeit hatte und die Untätigkeit hier auch noch entschuldigt wird.
@meine5cent:: alles unverwertbar :-), aber nur anch Widerspruch 🙂
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