Dem Urt. des BGH v. 28.10.2010 – 4 StR 285/10 ist es m.E. deutlich anzumerken, dass der BGH mit dem Freispruch durch das LG nicht so recht zufrieden ist. Denn: Es wird formuliert:
„1. Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. […]“
Und dann weiter:
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (BGHSt 21, 149, 151). Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (BGHSt 29, 18, 20). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechts-fehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16 m.w.N.). Bei einem Freispruch unterliegt der Überprüfung auch, ob der Tatrichter überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat. Schließlich kann ein Rechtsfehler in einem solchen Fall auch darin liegen, dass das Tatgericht nach den Feststellungen nicht nahe liegende Schlussfolgerungen gezogen hat, ohne tragfähige Gründe anzuführen, die dieses Ergebnis stützen können. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten eines Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte vorhanden sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 24. Januar 2008 – 5 StR 253/07, NStZ 2008, 575 m.w.N.). Erkennt der Tatrichter auf Freispruch, obwohl nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten ein ganz erheblicher Tatverdacht besteht, muss er in seine Beweiswürdigung und deren Darlegung die ersichtlich möglicherweise wesentlichen gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen und in einer Gesamtwürdigung betrachten (BGHSt 25, 285, 286; BGH, Urteil vom 24. Januar 2008 aaO).
2. Dem wird die Beweiswürdigung im vorliegenden Fall noch gerecht.“
Allerdings: So schwer waren die „Fehler“/Bauchschmerzen des BGH dann doch nicht. Er hat die Revision der StA verworfen.
Mußte der BGH jemals eine Verurteilung so wehklagend „hinnehmen“. Das Thema hatten wir ja schon einmal: Freispruch scheint weh zu tun. Das schlägt sich auch in den Formulierungen nieder.
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ME ist hier kein „Wehklagen“ zu sehen. Der Senat schreibt lediglich das, was immer standardmäßig in derartigen Revisionsverwerfungen steht (und übrigens auch bei Angriffen eines Verurteilten gegen die Strafzumessung, die vom Revisionsgericht ebenfalls, wenn die zumessungsrelevanten Feststellungen rechtsfehlerfrei getroffen und abgewogen sind, „hingenommen werden muss“). Die Ausführungen zur Beweiswürdigung des LG, insbesondere zu den rechtsmedizinischen Befunden, zeigen eher, dass die Entscheidung dem Senat wenig Bauchschmerzen bereitet hat.