Zur Beratung des Mandanten gehört sicherlich der Hinweis, dass aus seinem vollständigen Schweigen keine für ihn nachteiligen Schlüsse gezogen werden dürfen, aus einem Teilschweigen aber ggf. schon.
In seinem Beschl. v. 05.10.2010 – 3 StR 370/10 hat der BGH diese Frage jetzt abgegrenzt von dem Ziehen nachteiliger Schlüsse aus der Wahrnehmung prozessualer Rechte. Sachverhalt und Begründung ergeben sich aus dem nachfolgenden Zitat aus der BGH-Entscheidung, die – was auch nicht so häufig ist – den GBA „einrückt“. In der Entscheidung heißt es:
„Die Beweiswürdigung weist einen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Die Strafkammer hat aus der Weigerung des Angeklagten, seinen damaligen Verteidiger … von der Schweigepflicht zu entbinden, den Schluss gezogen, die Einlassung des Angeklagten, sein damaliger Verteidiger habe die von diesem im Ermittlungsverfahren abgegebene schriftliche Erklärung, es könne sein, dass sein Mandant – der Angeklagte – auch jemanden getreten habe, in seine Äußerungen hineininterpretiert und er habe die schriftliche Stellungnahme seines damaligen Verteidigers nie erhalten und auch nie mit diesem besprochen, sei unwahr (UA S. 11). Damit hat die Strafkammer gegen den Grundsatz, dass aus dem prozessualen Verhalten der Verweigerung an der Mitwirkung an der Sachaufklärung kein belastendes Indiz zum Nachteil des Angeklagten hergeleitet werden darf, und damit gegen ein Beweisverwertungsverbot verstoßen. […]
Schweigt ein Angeklagter nicht umfassend, sondern macht er zu einem bestimmten Sachverhalt eines einheitlichen Geschehens Angaben zur Sache und unterlässt insoweit lediglich die Beantwortung bestimmter Fragen, so kann dieses Schweigen (sog. Teilschweigen) nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von indizieller Bedeutung sein (BGHSt 38, 302, 307). Diese Grundsätze über die Verwertbarkeit des Teilschweigens können aber nicht unbeschränkt auf die Bewertung des sonstigen prozessualen Verhaltens eines Angeklagten, der sich zur Sache einlässt, übertragen werden. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19. Januar 2000 (BGHSt 45, 367, 369) dürfen nachteilige Schlüsse aus der Wahrnehmung prozessualer Rechte durch einen Angeklagten jedenfalls dann nicht gezogen werden, wenn dieses Prozessverhalten nicht in einem engen und einem einer isolierten Bewertung unzugänglichen Sachzusammenhang mit dem Inhalt seiner Einlassung steht. […]
Nach diesen Grundsätzen war die Verwertung der Nichtentbindung von der Schweigepflicht hier unzulässig. Die schriftliche Stellungnahme des ehemaligen Verteidigers im Ermittlungsverfahren hat sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung nicht zu eigen gemacht. Sie ist deshalb nicht als Einlassung des Angeklagten zu werten. Er hat sich auch nicht auf den Inhalt des mit seinem ehemaligen Verteidiger ge-führten Gesprächs und die von dem ehemaligen Verteidiger abgegebene Erklärung als ein Entlastungsmoment berufen, das geeignet gewesen wäre, eine ihm ungünstige Überzeugungsbildung zu erschüttern. Nur in diesem Fall wäre es ihm aber verwehrt gewesen zu verlangen, dass seine Weigerung, den Verteidiger von der Schweigepflicht zu entbinden, unberücksichtigt bleibt. Insoweit liegt der Fall hier anders als in BGHSt 20, 298.
Da das Beweisthema, hinsichtlich dessen der ehemalige Verteidiger von seiner Schweigepflicht entbunden werden sollte, ein vertrauliches, potentiell tatrelevantes Gespräch zwischen ihnen betraf, verstößt die nachteilige Wertung der Weigerung des Angeklagten, seinen Verteidiger von der Schweigepflicht zu entbinden, auch gegen das durch Art. 6 Abs. 3 Buchst. c MRK und das Rechtsstaatsprinzip verfassungs-rechtlich verbürgte Recht des Angeklagten auf Beiziehung eines Verteidigers (BGHSt 45, 367, 370).“
Anders wäre es wohl gelaufen, wenn sich der Angeklagte die Erklärung zu eigen gemacht hätte :-).