Dre Angeklagte war während der Strafverfahrens abgeschoben worden. Er legt Berufung ein. Eine aktuelle Anschrift des Angeklagten in seinem Heimatland ist nicht bekannt. Es wird daher durch öffentliche Zustellung geladen. Zur Hauptverhandlung erscheint er nicht (was im Grunde nicht verwunderlich ist).
Das LG Dresden hat mit Urt. v. 05.08.2010 – 10 Ns 422 Js 13356/08 seine Berufung nach § 329 Abs. 1 StPO verworfen. Das Ausbleiben des Angeklagten im Berufungshauptverhandlungstermin sei nicht genügend entschuldigt, wenn der Angeklagte nach erfolgter Abschiebung dem Gericht seine Anschrift in seinem Heimatland nicht mitgeteilt hat, da anderenfalls das Gericht die Möglichkeit gehabt hätte, den Angeklagten unter seinem Aufenthaltsort zu laden und darauf hinzuwirken, dass ihm für die Teilnahme an der Berufungshauptverhandlung eine Betretenserlaubnis für das Bundesgebiet nach § 11 Abs. 2 AufenthG erteilt wird.
Als Verteidiger wird man sich also überlegen müssen, ob man ggf. die neue Anschrift des Angeklagten mitteilt.
Das sieht man im Nachbarland aber offenbar anders. Das OLG Brandenburg vertritt die Auffassung, daß die Ausweisung des Angeklagten einen Anwendungsfall des § 205 StPO darstellt (OLG Brandenburg, NStZ-RR 2005, 49). Eine Verwerfung des Rechtsmittels wegen Nichterreichbarkeit des Angeklagten infolge aufenthaltsbeendender Maßnahmen ist nicht zulässig, da der Angeklagte nicht „untergetraucht“ sei, sondern seine Abwesenheit durch den Staat veranlaßt wurde (vgl. OLG Brandenburg, a.a.O.).
schauen wir mal, was das OLG Dresden dazu sagt.
Im Beschluss steht nicht, dass das Gericht überhaupt etwas unternommen hat, die Adresse aus dem Heimatland zu ermitteln, indem man bei entsprechenden ausländischen Behörden nachgefragt hat. Das hätte man zumindest vor der öffentlichen Zustellung machen sollen.