Leider etwas vorschnell entpflichtet hatte die Berufungskammer den nach § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO vom AG bestellten Pflichtverteidiger in dem dem Beschl. des OLG Celle v. 29.07.2010 – 1 Ws 392/10 zugrunde liegenden Verfahren.
Das LG hatte sich auf § 140 Abs. 3 Satz 1 StPO bezogen und in (!!) der Hauptverhandlung entpflichtet. Das OLG hat auf die Beschwerde hin aufgehoben und darauf hingewiesen, dass bei der Ermessensentscheidung, ob die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach § 140 Abs. 3 Satz 1 StPO aufgehoben wird, weil der Beschuldigte mindestens zwei Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung aus der Anstalt entlassen worden ist, stets sorgfältig zu prüfen sei, ob die frühere, auf der Inhaftierung beruhende Behinderung der Verteidigungsmöglichkeiten es weiter notwendig macht, dass der Angeklagte trotz Aufhebung der Inhaftierung durch einen Pflichtverteidiger unterstützt wird, was in der Regel der Fall sein werde. Wolle das Gericht von dieser Regel abweichen, müsse es insoweit nachvollziehbare Erwägungen anstellen und diese zur Grundlage seiner Entscheidung machen. Auf Grund seiner Fürsorgepflicht sei das Gericht zudem gehalten, dem Angeklagten bei Aufhebung der Bestellung seines Verteidigers genügend Zeit zu lassen, sich ggf. um einen Wahlverteidiger zu bemühen.
So weit, so gut – die Entscheidung entspricht der h.M. in der Rechtsprechung -, nur: Für die Revision bringt sie dem Verteidiger nichts. Denn den Verstoß des AG gegen § 140 StPO kann in der Revision vorliegend nicht geltend gemacht werden. § 338 Nr. 5 StPO setzt nämlich voraus, dass die Hauptverhandlung in Abwesenheit einer Person stattfindet, deren Anwesenheit das Gesetz als notwendig ansieht. Das ist im Fall der notwendigen Verteidigung der Verteidiger. Der war hier aber anwesend (geblieben). Wenn der Verteidiger aus der Entpflichtung für die Revision hätte Gewinn ziehen wollen, hätte er den Mandanten in der Hauptverhandlung verteidigungslos stellen müssen.
komplett verteidigungslos wäre ja noch nicht einmal erforderlich gewesen. es hätte ja schon genügt, einfach eine – natürlich protokollierte – pinkelpause während eines weniger wichtigen hauptverhandlungsteils zu machen.
stimmt, z.B. bei Verlesung der Anklage 🙂
stimmt. ich hatte jetzt eigentlich ans bzr gedacht, aber die verlesungsgeschichten in der berufungsverhandlung sind ja noch langweiliger – sofern man die akten kennt. 😀
noch „interessanter“ sind in Abrechnungsbetrugsverfahren von Ärzten „gefälschte Krankenscheine“ 🙂