Der Kollege Glienke hat mir das von ihm erstrittene Urteil des AG Prenzlau v. 31.05.2010 – 21 OWi 383 Js-OWi 41493/09 (504/09) überlassen; herzlichen Dank. Das Verfahren endete mit einem Freispruch des Mandanten vom Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung, die mit einer Messung mit Leivtec XV2 festgestellt worden sein sollte. Das AG verneint einen Anfangsverdacht, und zwar u.a. wie folgt:
„Nach dem Inhalt des eingesehenen Teils der Videoaufzeichnung steht für das Gericht allerdings nicht mit der erforderlichen Sicherheit fest, dass der Messbeamte die Aufzeichnungen auf Grund von konkreten Tatsachen auslöste, dass der Fahrzeugführer möglicherweise eine Geschwindigkeitsüberschreitung begeht. Vielmehr drängte sich auf, dass er zu großen Teilen Aufzeichnungen nur wegen eines bloßen Verdachts ohne erforderliche Anhaltspunkte anfertigte.“
Ein schönes Beispiel dafür, wie man nach der Entscheidung des BVerfG v. 05.07.2010 (vgl. hier und hier) – das Urteil des AG Prenzlau stammt aus der Zeit vorher – sich mit dem Anfangsverdacht auseinandersetzen kann/muss
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Zur Frage der Anfangsverdachtsbildung bei der LEIVTEX XV2 und der VKS 3.0 hatte ich bereits Ende 2009 bei juris(R) ein Urteil bzw. einen Beschluss veröffentlicht. Ich denke, es ist auch für einen erfahrenen Messbeamten ausgeschlossen, allein aus der visuellen Wahrnehmung die Geschwindigkeit halbwegs richtig zu schätzen, und bei der VKS 3.0 zusätzlich noch den Abstand! Wo wird denn letztere zumeist eingesetzt? Auf mehrspurigen Autobahnen bei hohen Geschwindigkeiten. Die sind – so sagten es mir die Messbeamten – noch schwerer einschätzbar, als geringe Geschwindigkeiten. Um eine Abstandsunterschreitung nachweisen zu können, brauche ich einen Mess- und Aufzeichnungsbereich von 300m, dh. spätestens 300m vor der Kamera muss diese schon laufen. Damit sie läuft, braucht sie Zuschaltzeit (die Technik ist nicht die jüngste bei der 3.0) und dann gibts ja noch die berühmte Reaktionszeit des Messbeamten, die nicht wegzudiskutieren ist, selbst wenn der den Finger am Anschaltknopf (der Fernbedienung) hat. Innerhalb dieser Zeiten wird ja durchaus eine gehörige Wegstrecke zurückgelegt. Ergo müsste sich der Messbeamte aus einer Entfernung von bestimmt einen halben Kilometer einen konkret-individuellen Anfangsverdacht bilden und dann noch sicherstellen, dass er auch wirklich das richtige Fahrzeug auf der Identkamera hat. Der Messbeamte könnte das m.E. schon mit dem Feldstecher nicht, erst recht aber nicht mit dem Minimonitor, den er im Fahrzeug zur Verfügung hat. Sobald da ein Fahrzeug in der winzigen oberen rechten Ecke auftaucht, müsste er sofort Geschwindigkeit und Abstand im Kopf berechnen, sein eben dort eingebauter Grenzwert müsste „Achtung“ rufen und das Signal an den Finger, der auf der Fernbedienung liegt, weitergeben, damit noch rechtzeitig aufgezeichnet werden kann. Bei der VKS select macht das ein Hochleistungsrechner, wie ich in einem anderen Thread gelernt habe, bei der VKS 3.0 macht´s der Messbeamte im Kopf?
Wenn ich gleich mein Urteil zur VKS 3.0 fertig habe, schicke ich es Ihnen. Die StA hat Rechtsbeschwerde eingelegt – mal sehen was unser OLG damit macht…
Freundliche Grüße
gerne unc schon mal besten Dank.