Jetzt hat es mich auch getroffen. Gerade teilt mir mein Büro mit, dass ich mich noch um die Vollmacht des Mandanten kümmern muss, für den wir in einem OWi-Verfahren zunächst mal Akteneinsicht beantragt haben. Der Landkreis verlange unbedingt die Vollmacht. Na ja. Gemach, gemach, mal nicht so schnell denke ich. Jetzt stellt sich also die Gretchenfrage: Fange ich den Disput mit dem Landkreis um die Erforderlichkeit der schriftlichen Vollmacht an oder lasse ich es. Das Interessante: Die Akte hat man (vorsichtshalber) gleich mitgeschickt. Ich glaube, ich mache mir die Mühe und schreibe dem Landkreis mal was zur Rechtslage.
Oder auch – weil die Akte ja da ist – gar nicht ignorieren. 😉
(Ist mir so auch schon öfter passiert)
aber vielleicht hilft es ja in anderen Fällen 🙂
es ist wirklich zeit, in sachen vollmachtvorlagepflicht über das bloggen hinaus bundesweite aufklärungsarbeit zu leisten – vielleicht durch einen aufsatz in der njw oder im strafverteidiger oder (noch besser) indem die vollmachtsfrage inzident bis zum bgh hochgepeitscht wird. sonst bleibt das wohl eine unendliche geschichte (vor allem unendlich nervig).
hallo, was soll man denn noch mehr tun, als überall in Fortbildungen auf diesen Unsinn hinzuweisen. es gibt ja auch genügend (Ober)Gerichte, die das anders sehen. interessiert die Verwaltungsbehörden nur offenbar nicht.
hallo zurück! in fortbildungen (für anwälte?) auf unsinn hinweisen ist wie eulen nach athen tragen 😉 und dass obergerichtliche rechtsprechung der verwaltung oft hintenrum vorbeigeht, ist ja leider nichts neues.
aber könnte man keine höchstgerichtliche rechtsprechung erreichen? inzident die vollmachtsvorlage zur kernfrage machen? würde vielleicht zukünftig den aufwand lohnen…
na ja, desto mehr Anwälte die Vorlage der schriftlichen Vollmacht verweigern, dest eher fällt der Verwaltungsbehörde der Blödsinn vielleicht auf.
Wie wollen Sie es zu einer höchstrichterlichen Rechtsprechung bringen. Das ginge nur, wenn die AE mit der Begründung verweigert würde und dann das Gericht auch keine AE gewährt. spätestens da ist es aber dann Schluss mit Lustig 🙂
Die Rechtsprechung, wonach Rechtsanwälte von der Verpflichtung befreit sind, ihre Vollmacht nachzuweisen, ist aus einer Zeit tradiert, als man es mit den Persönlichkeitsrechten noch nicht so hatte.
Denn natürlich ist es ein offensichtliches Unding, dass jemandem, nur weil er als Anwalt zugelassen ist, auf die bloße Behauptung seiner Legitimation die Einsicht in Akten Dritter zu gewähren ist, die nicht selten Tatsachen aus dem intimsten Lebensbereich des Betroffenen enthalten.
Es wäre deshalb mehr als wünschenswert, wenn dies noch einmal höchstrichterlich geklärt würde, auch wenn in der Tat schwer zu erkennen ist, in welcher praktischen Konstellation es zu dieser Klärung kommen kann.
zu dem Posting erspare ich mir jeden Kommentar. es bringt eh nichts.
Lieber Herr Dr. F.,
Sie schreiben von der Befreiung einer Verpflichtung zum Nachweis einer Vollmacht. Vor einer Befreiung wäre nach guter alter Tradition doch erst die grds. Frage einer Verpflichtung zu prüfen.
Ich will ja nicht besserwisserisch sein; aber schauen Sie doch mal im BGB nach und versuchen dort die Schriftformerfordernis für Vollmachten zu finden. Ich verate es Ihnen zur Arbeitserleichterung. Gibts nicht!.
Ihre letzte Hoffnung könnte nung die bundeseinheitliche StPO sein. Haben Sie dort schon mal reingeschaut? Das rentiert sich manchmal! Aber hier nicht für Sie. Auch die StPO kennt keine Pflicht für eine schriftliche Vollmacht.
Gleiches gilt für eine Vollmachtsvorlage. Was ich nicht haben muss, kann nicht vorzulegen sein.
Es ist doch schon schräg; die Gerichte und die Strafjustiz halten sich nur ungern an normierte Vorgaben und reduzieren diese schnell mal als „Ordnungsvorschrift“. Die Verteidiger sollen sich aber den puren Wünschen/Willen der StA bzw. Gerichte unterweren, die gesetzlich nicht erforderlich sind.
Das riecht ein wenig nach Machtmissbrauch – finden Sie nicht auch.
Sascha Petzold
ich denke man sollte die Aufforderung hier ignorieren. Denn immerhin könnte der Bußgeldbescheid ja noch Ihnen zugestellt werden…
Ich würde den Disput vermeiden. Wenn schon die Akte gekommen ist, kommt vielleicht auch der Bußgeldbescheid. Die Chance auf die Verjährung würde ich nicht vertun.
@ Dr. F. :
BVerfG 1 BvR 1318/07 vom o5.12.2008.
Ist es eigentlich eine bedauerliche, aber unvermeidbare Nebenfolge der Öffnung der Hochschulen für bildungsferne Schichten, dass so viele bloggende Juristen jegliche Kinderstube vermissen lassen?
Und ist es ein Problem der Juristenausbildung, dass sie den Schutz von Persönlichkeitsrechten für etwas halten, was nur im Verhältnis zum bösen Staat von Belang ist?
Manchmal kann man echt nur den Kopf schütteln …
das kann man in der Tat nur. fragt sich nur, über wen.
Das mit der bildungsfernen Schicht sage ich mal lieber nicht meinem Papi; der würde sich sonst vielleicht ärgern.
Sascha Petzold
Sehr geehrter Herr (Kollege?) Dr. F,
wer auch immer Sie sind (denn zu der von Ihnen bemühten Kinderstube gehört ja zunächst als erstes einmal, dass man sich zu erkennen gibt – es sei denn, man hat was zu verheimlichen?):
Was sind Rechtsanwälte Ihrer Ansicht nach? Welche Position haben Rechtsanwälte wohl im Rechtsstaat oder „in der“ – richtigerweise natürlich „gegenüber der“ – Justiz? Sind sie „überflüssiger Sand im Getriebe ohne den man viel schneller zum selben Ergebnis käme“ (O-ton eines STA, aber Sie sind ja sicherlich keiner? jedenfalls nicht so einer!) oder sind sie vielleicht doch selbständiges Organ der Rechtspflege mit nicht nur Rechten sondern auch (vielen) Pflichten?
Bitte gleuben Sie nicht, dass wir unsere Zulassung wegen eines fingierten Mandates riskieren. Sowas soll zwar vorkommen (Natalie-Mord-Verfahren in Augsburg, wo ein Münchner Kollege im Traum mandatiert wurde), ist aber der absolute Ausnahmefall und führte ja auch (was man so hörte) zu Konsequenzen. Und ganz vereinzelt gibts ja auch schwarze Schafe bei der Justiz…
Mit den besten kollegialen Grüßen und schauen Sie doch einfach mal über den (zu engen?) Tellerrand!
Ihr D. Herrmann, Augsbrug
@ dr.(?) f.:
ach ja, diese sprösslinge des bildungsfernen pöbels die noch nicht einmal eine kinderSTUBE sondern nur ein popeliges kinderZIMMER hatten, warum nur hat man sie auf unsere schönen hochschulen gelassen?!
ps:
warum nur haben sie sich ausgerechnet nach der figur aus „ballmanns leiden“ benannt? dieser oberstaatsanwalt dr. f. passt so gar nicht …
@ Dr. F.:
Verehrter Herr Dr.,
wie mein Vorredner schon sagte, dürfte es zu einer gepflegten Diskussion gehören, nicht anonym herumzutrollen. Im Übrigen habe ich auf einem humanistischen Gymnasium nach 13 Schuljahren Abitur gemacht und das juristische Studium auf einer ordentlichen Universität absolviert. Es folgten das erste Staatsexamen, das Referendariat von 2 ½ Jahren und das zweite Staatsexamen. So viel zu „bildungsfernen Schichten“.
Im Übrigen habe ich vor fast genau drei Jahren, drei Monaten und drei Tagen das Schnüffelblog in’s Leben gerufen. So viel zum Thema „Schutz von Persönlichkeitsrechten“.
In einem hat Dr. F. doch völlig recht. Mit der Akteneinsicht ist ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung einer Vielzahl von Personen verbunden. Der Verteidiger hat zwar einen Anspruch auf umfassende Akteneinsicht. Viel zu häufig wird unter Verstoß gegen die Beschränkungen der §§ 475, 478 StPO aber auch Anwälten, die Zeugen, unbeteiligte Dritte, den mutmaßlich Verletzten usw. umfassende Akteneinsicht auf „Zuruf“ erteilt. Das ist in der Tat bedenklich:
http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20090318_2bvr000808.html
http://www.bundesverfassungsgericht.de/en/decisions/rk20061026_2bvr006706.html
oh nein, das ist ein ganz anderes Problem. einmal geht es um das Akteneinsichtsrecht des Verteidigers bzw. des Beschuldigten, die von Ihnen angesprochenen Fragen betreffen Rechtsanwälte, die für andere Verfahrensbeteiligte tätig sind.
So! Jetzt sind wir doch endlich bei der „richtigen“ Diskussion. Es geht also um die bösen Verteidiger, denen das Verhalten der guten Opferanwälte vorgehalten wird:
Das BVerfG (NJW 2007, 1052, 1053 = StraFo 2007, 23) hat zur Frage der Akteneinsicht der Geschädigten, konkret einer vom Beschuldigten betrogenen Bank, die zivilrechtliche Schadensersatzansprüche durchsetzen wollte, festgestellt, dass bei Entscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht gemäß § 406 e StPO die gegenläufigen Interessen von Verletztem und Beschuldigtem gegeneinander abzuwägen sind:
Es müsse festgestellt werden, welchen Interessen im Einzelfall der Vorrang gebühre.
Ausdrücklich hervorzuheben ist hierbei folgender insbesondere für die Anwaltschaft bedeutsamer Zusatz (Fundstelle siehe oben):
Bei dieser Abwägung sei auch zu berücksichtigen, dass die Akteneinsicht durch einen Rechtsanwalt erfolge Dieser sei als selbständiges Organ der Rechtspflege verpflichtet, seinem Mandanten nur diejenigen Auskünfte zukommen zu lassen, die zur Verfolgung von dessen Ansprüchen dringend erforderlich seien.
Das Bundesverfassungsgericht stellt also ausdrücklich auf die besondere Bedeutung des Rechtsanwaltes als selbständigem Organ der Rechtspflege ab und weist diesem eigene Kontrollpflichten zu. Die Praxis zeichnet hier allerdings ein anderes – trauriges Bild: Viele Kollegen, gerade auch solche die nicht als Strafverteidiger tätig sind, scheinen sich ihrer Verantwortung nicht ansatzweise bewusst.
(vgl. Herrmann, Untersuchungshaft, 2008, Rn. 477)
Beste Grüße
D. Herrmann