In dem vom BGH im Beschl. v. 19.01.2010 – 3 StR 530/09 – entschiedenen Fall hat ein „ungeschickter“ Polizeibeamter die Durchsuchung bzw. die Verwertbarkeit der Durchsuchungsergebnisse gerettet. Der BGH führt zu „Gefahr im Verzug“ pp. aus:
„Als die herbeigerufene Zeugin M.… die Wohnung, in der sich das als Bunker für Betäubungsmittel genutzte Zimmer des Angeklagten befand, identifiziert hatte, durften die Polizeibeamten ohne die Anordnung eines Richters oder nachrangig eines Staatsanwalts die Durchsuchung jedenfalls dann durchführen, als die in der Wohnung befindlichen Personen durch die Ungeschicklichkeit einer Polizeibeamtin sogleich aufmerksam geworden waren und sich nach Öffnen der Wohnungstür teils unkooperativ verhielten oder zu fliehen versuchten. Denn spätestens zu diesem Zeitpunkt lagen die engen Voraussetzungen der „Gefahr im Verzug“ vor, weil bis zur Einholung einer Entscheidung durch den Richter oder zumindest den Staatsanwalt der Zweck der Durchsuchung gefährdet gewesen wäre ( BVerfG NJW 2001, 1121, 1123; Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 98 Rdn. 6). Es bestand die nahe liegende Gefahr, dass ohne eine sofortige Durchsuchung Beweismittel vernichtet werden könnten, zumal bereits nach der Durchsuchung der ersten Wohnung die Ermittlungen gegen den Angeklagten bekannt geworden waren. Dass diese Situation durch die Ungeschicklichkeit der Polizeibeamtin ausgelöst worden war, begründet ebenfalls kein Verwertungsverbot; denn dieser Umstand ist nicht annähernd solchen Fallgestaltungen vergleichbar, in denen durch bewusst gesteuertes oder grob nachlässiges polizeiliches Ermittlungsverhalten die „Gefahr im Verzug“ gleichsam heraufbeschworen und damit der Richtervorbehalt gezielt oder leichtfertig umgangen wird.“
Fazit: Je ungeschickter die Polizei vorgeht, desto sicherer ist „Gefahr im Verzug“? Oder umgeht der BGH damit auch seine Rechtsprechung, wonach die Ermittlungsbehörden die Voraussetzungen für die Annahme von „Gefahr im Verzug“ nicht selbst herbeiführen dürfen? Jedenfalls hat der BGH mit dieser Ansicht „geschickt“ die Frage umschifft, ob in Düsseldorf ein nächtlicher richterlicher Eildienst hätte eingerichtet sein müssen, was wohl offensichtlich nicht der Fall ist.
Wann nimmt die Rechtsprechung schon einmal an, daß willkürlich gegen ein Beweiserhebungsverbot oder andere Normen der StPO verstoßen worden ist? Das Ergebnis der „sorgfältigen Abwägung“ fällt fast immer zugunsten des staatlichen Verfolgungsinteresses aus. Die Annahme von „Gefahr in Verzug“ durch Polizeibeamte wird von der fachgerichtlichen Rechtsprechung fast ausnahmslos gebilligt, obwohl deren Voraussetzungen – fast ebenso ausnahmslos – nicht dokumentiert werden, wie das BVerfG es fordert.
Bereitschaftsrichterdienste finden sich auch 9 Jahre nach der maßgeblichen Entscheidung des BVerfG in nur wenigen Gerichtsbezirken, obgleich die meisten Landgerichtsbezirken mehrere hunderttausend Einwohner haben und, wie jeder Verteidiger weiß, Ermittlungsmaßnahmen außerhalb der üblichen Dienststunden der zuständigen Gerichte keinesfalls die Ausnahme sind.
Mit Beweisverwertungsverboten kann man in Deutschland keinen Blumentopf gewinnen. Ein ganz trauriges Kapitel. De facto sind rechtswidrige Beweiserhebungen – von krassen Fällen wie Folter abgesehen – erlaubt, da sie weder verfahrensrechtliche noch zu dienstrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Das Argument der Rechtsprechung, es bedürfe in Deutschland keiner Beweisverwertungsverbote, um die Strafverfolgungsbehörden zu disziplinieren, da dies durch das Dienstrecht gewährleistet sei, geht an der Sache vorbei. Eine Dienstaufsichtsbeschwerde wegen einer rechtswidrigen Beweiserhebung hat keinerlei Konsequenzen.
also ist demnächst eine abgrenzung erforderlich, ob der polizeibeamte fahrlässig (vulgo dämlich) gehandelt hat oder ob nicht doch vorsatz (also planvolles handeln) vorgelegen hat.
das könnte zu interessanten vernehmungen in der HV führen, wenn der vorsitzende in richtung dummheit fragt und anschließend der verteidiger an die ehre und intelligenz der beamten appelliert.