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Was bringt eine Revisionshauptverhandlung beim BGH?

Gemeint ist mit der Frage:  Welche Gebühren bringt die Revisionshauptverhandlung: Antwort: Wie immer: Es kommt darauf an. Ein Beispiel ist der BGH, Beschl. v. 19.11.2011 – 4 StR 474/09. Das gibt es für die Wahlanwältin gem. § 42 RVG für die Wahrnehmung und Vorbereitung der Hauptverhandlung eine Pauschgebühr in Höhe 600 €.

„In Übereinstimmung mit dem Vertreter der Bundeskasse hält der Senat eine Pauschvergütung in Höhe von 600 Euro für gerechtfertigt und angemessen. Zur Vorbereitung und Wahrnehmung der Hauptverhandlung vor dem Se-nat, die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft umfasste, hatte sich die Antragstellerin nicht nur mit mehreren umfangreichen Verfahrensrügen, sondern auch mit schwierigen sachlich-rechtlichen Fragen zu befassen. Es war daher eine besonders umfangreiche Vorbereitung für die Revisionshauptverhandlung erforderlich.“

Und wieder: Kein Wort des BGH zur Zumutbarkeit i.S. von § 42 Abs. 1 S. 1 RVG.

Vorschuss auf die Pauschvergütung – argumentiert das OLG Dresden zynisch?

Die Antwort lautet m.E. ja, wenn man den Beschl. des BVerfG v. 01.06.2011 – 1 BvR 3171/10 gelesen hat, über den gestern auch der Kollege Mayer schon berichtet hat (vgl. hier). Ich habe nach der Lektüre das Gelesene erst mal sacken lassen müssen, bevor ich mich dann zu einem Blogbeitrag entschlossen habe. Es ist schon kaum nachvollziehbar, was da gelaufen ist.

Da wird der Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger in zwei Verfahren beigeordnet, bei denen man schon von Umfangsverfahren sprechen kann. Denn:

  • In dem einen immerhin 124 Seite Anklage, rund 25.000 Seiten Akte,
  • in dem zweiten 65 Leitzordner und wohl auch rund 25.000 Seite Akte.

Der Pflichtverteidiger erbringt umfangreiche Einarbeitungstätigkeiten, die dazu führen, dass das Betriebsergebnis seiner Kanzlei zurückgeht, weil er keine anderen Mandate mehr annehmen bzw. diese nicht mehr ordentlich nebenher bearbeiten kann.  Den Rückgang kann er nicht auffangen. Sein Arbeitsaufwand? Erheblich; in dem einen Verfahren allein für das Durcharbeiten der Akte rund 200 Stunden. Von seinen 50 Stunden Arbeitszeit wöchentlich geht etwa die Hälfte für die beiden o.a. Verfahren drauf.

Im Hinblick auf den Rückgang des Betriebsergebnisses denkt er: Alles nicht so schlimm, ich kann ja nach § 51 Abs. 1 Satz 5 RVG einen Vorschuss auf eine mir demnächst zustehende Pauschgebühr beantragen. Und das tut er, und zwar beantragt er einmal 8.000 € und einmal 16.000 €. Aber er gerät an die Falschen:. Denn nun geht es los:

  • Die Bezirksrevisorin meint: Nicht 16.000 €, sondern allenfalls 396 € sind angemessen.
  • Das OLG schreibt in dem ablehnenden Beschluss: Der Aktenumfang sei mit 24.00 Blatt „außerordentlich umfangreich“, aber es sei zur „besonderen Schwierigkeit nicht ausreichend vorgetragen“. Es sei noch nichts Verfahrensförderndes passiert. Das Entstehen einer Pauschgebühr sei noch nicht absehbar.
  • Und: Der Rechtsanwalt könne sich ja, da das eine Verfahren derzeit nicht betrieben werde, um neue Mandate bemühen und dadurch wieder Einnahmen erzielen.

Zu letzterem vorab: Das halte ich für zynisch und für neben der Sache. Denn – darauf weist auch das BVerfG hin: Der Vorschuss ist ein Ausgleich für in der Zeit des Pflichtmandats erzielte geringere Einkünfte. Ihm kann nicht entgegen gehalten werden: Kannst ja mehr tun, dann sind die Verluste nicht so groß.

Im Übrigen: N. Schneider hat neulich in Zusammenhang mit einer Entscheidung des AG Leipzig vom „Tal der Ahnungslosen“ geschrieben. Das greife ich gern auf und meine: Der OLG-Senat scheint sich dort (auch) zu befinden. Anders kann man den Beschluss nicht verstehen. Allein schon die Argumentation, dass nicht sicher sei, ob überhaupt eine Pauschgebühr anfallen wird. Ja, wenn nicht in den Verfahren, wann denn dann noch? 24.000 Seite Akten beim AG: Der Amstrichter wird sicherlich wegen des Umfangs von anderen Tätigkeiten frei gestellt worden sein, aber ob der Pflichtverteidiger mehr als die entstandenen 396 € (offenbar [?] Nr. 4100, 4104, 4106 und 2 x 7002 VV RVG) erhält, wissen wir noch nicht. Und das alles unter dem Deckmantel der Inanspruchnahme des Rechtsanwalts/Verteidigers für die öffentliche Hand. Existenzgefährdung: Wissen wir noch nicht, vielleicht ja, aber: Du kannst ja jetzt mehr tun.

Ich bin – gelinde gesagt – erstaunt, dass es solche Beschlüsse noch gibt, nachdem der Anspruch auf den Vorschuss auf eine Pauschgebühr ja gerade deshalb im RVG gesetzlich verankert worden ist, um solche Auswüchse zu vermeiden. Das kann man in jedem Kommentar und auch in der Gesetzesbegründung nachlesen. Das sollte ein OLG-Senat auch mal tun. Dann bräuchte man nicht das BVerfG, das die Sache dann erst richten muss. Dort war man – wenn man sich die Terminologie anschaut – sicherlich „not amused“.

Und: Nach Rz. 12 des Beschlusses hat das Sächsische Staatsministerium (der Justiz) keine Stellung genommen. Warum eigentlich nicht? Warum eigentlich nicht mal so viel Größe, dass man vielleicht dem Beschwerdeführer auch Recht gibt? Oder fehlten da die Worte?

Der Kollege Mayer schließt seinen Beitrag mit

Es bleibt zu hoffen, dass sich mit dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Rechtsprechung ein verständnisvollerer Umgang mit den Ansprüchen von Pflichtverteidigern auf Pauschgebühren durchsetzen wird.“

Mit Verlaub: Ich habe da wenig Hoffnung. Die Tendenz in der gebührenrechtlichen Rechtsprechung zur Pauschgebühr spricht m.E. eher dagegen.

Pauschgebühr: Das „Gesamtgepräge“ des Verfahrens ist von Bedeutung

Wann gibt es nach dem Inkrafttreten des RVG noch eine Entscheidung eines OLG zur Pauschgebühr, über die sich ein Bericht lohnt? Sehr selten, denn Pauschgebühren sind selten geworden.

Daher ist der Beschl. des OLG Celle v. 02.03.2011 – 1 ARs 84/10 P um so erfreulicher, in dem das OLG zur Gewährung einer Pauschgebühr in einem sog. Großverfahren Stellung genommen hat. Zutreffend stellt das OLG auf den vom OLG Hamm geprägten Begriff des „Gesamtgepräge“ des Verfahrens ab und kommt zu einer Pauschgebühr. Und zwar bekommt der Verteidiger mehr als er beantragt hatte. Ist auch selten.

Pauschgebührenantrag rechtzeitig – sonst wars das

Verjährung spielt im Strafverfahren nicht nur im materiellen Bereich eine Rolle, sondern ggf. auch im Gebührenrecht, wenn es ums Geld geht. Das wird einem bewusst, wenn man den Beschl. des KG v. 03.08.2010 – 1 ARs 32/09, den mir ein dortige Kollege hat zukommen lassen, liest.

Das KG hat nämlich einen Pauschvergütungsantrag (§ 51 RVG) des Pflichtverteidigers wegen Eintritt der Verjährung zurückgewiesen. Entscheidend wäre – für die Unterbrechung der dreijährigen Verjährung gewesen, dass der Antrag rechtzeitig vor Ablauf beim OLG eingegangen war. Ds konnte der Pflichtverteidiger aber nicht nachweisen. da er – so das KG – die Beweislast trägt – war es das. Und: Auch der Rettungsversuch „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die Stellung eines Pausch­vergütung­s­antrags, hat nicht geklappt. Das KG sagt zutreffend: Nach Ablauf der Verjährungsfrist ist dies nicht statthaft.

Immerhin… 1.500 € für zwei Hauptverhandlungstage

Der BGH hat jetzt im Verfahren 3 StR 552/08 mit Beschl. v. 14.09.2010 eine Pauschgebühr für die Hauptverhandlungstage bewilligt. Es gibt 1.500 € mit der Begründung:

Die für seine Tätigkeit anfallenden gesetzlichen Gebühren von 550 € (VV Nr. 4133 für zwei Hauptverhandlungstage) sind wegen des besonderen Umfangs und der Schwierigkeit der Sache, in der grundlegende Fragen sowohl des Strafverfahrensrechts (Verwendbarkeit von Daten im Strafverfahren, die durch eine akustische Wohnraumüberwachung auf der Grundlage einer polizeirechtlichen Ermächtigung zur Gefahrenabwehr gewonnen worden sind) als auch des materiellen Strafrechts (Begründung der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung; Betrug durch Abschluss von Lebensversicherungsverträgen) zu klären waren, nicht zumutbar (§ 51 Abs. 1 Satz 1 RVG). Dies gilt auch in Ansehung des Umstandes, dass sich der Verteidiger mit diesen Fragen bereits im Rahmen der Hauptverhandlung vor dem Tatrichter und der von ihm mitverantworteten Revisionsbegründungsschrift auseinandersetzen musste. Der Senat hält vielmehr den vom Antragsteller begehrten Betrag von 1.500 € für angemessen.“

Was dann wohl vom OLG als angemessen angesehen wird für das Revisionsverfahren mit einer Revisionsbegründung von über 5.000 Seiten?