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Die sog. zweite Vernehmung des Zeugen, oder: Ausschluss der Öffentlichkeit

entnommen wikimedia.org
Urhber: Hichhich – Eigenes Werk

Und als drittes Posting heute dann noch der BGH, Beschl. v. 09.05.2018 – 2 StR 543/17 – zur Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit (§ 169 GVG). Es geht um die sog. „zweite Vernehmung“ der Nebenklägering in einem Verfahren wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung. Die Vertreterin der Nebenklägerin hatte am 1. Verhandlungstag beantragt, für die Dauer der Vernehmung der Nebenklägering die Öffentlichkeit auszuschließen. Aufgrund eines daraufhin gefassten Beschlusses der Strafkammer wurde die Nebenklägerin sodann unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen und noch am selben Tag entlassen. Am darauffolgenden Verhandlungstag setzte das LG die Beweisaufnahme durch weitere Beweiserhebungen fort, bevor die Nebenklägerin „nochmals in den Zeugenstand gebeten wurde“. Sie wurde wiederum unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen, ein erneuter Beschluss zum Ausschluss der Öffentlichkeit erging jedoch nicht. Am 4. und letzten Verhandlungstag stellte das LG auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren hinsichtlich zweier Tatvorwürfe zum Nachteil der Nebenklägerin vorläufig ein. Die Rüge des Angeklagten, die zweite Zeugenvernehmung der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung sei entgegen §§ 169, 174 Abs. 1 GVG unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt worden, ohne dass zuvor ein Gerichtsbeschluss gefasst und verkündet worden sei, hatte Erfolg.

„Die zweite Zeugenvernehmung der Nebenklägerin ist entgegen §§ 169, 174 Abs. 1 GVG unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt worden, ohne dass hierüber – wie sich dem Protokoll entnehmen lässt (§ 274 StPO) – ein Gerichtsbeschluss gefasst und verkündet worden ist. Der vor Beginn der Erstvernehmung am 9. August 2017 gefasste Beschluss über den Ausschluss der Öffentlichkeit entfaltete für den Öffentlichkeitsausschluss bei der weiteren Vernehmung am nächsten Verhandlungstag keine Wirkung mehr, da er nur bis zur Beendigung der Vernehmung galt. Ist wie hier eine Vernehmung abgeschlossen und die Zeugin entlassen worden, so ist dann, wenn sie nach zwischenzeitlich durchgeführter weiterer Beweisaufnahme nochmals vernommen werden soll, für den Ausschluss der Öffentlichkeit grundsätzlich ein neuer Beschluss erforderlich (vgl. BGH StV 2008, 126, 127; NStZ 1992, 447).

Der Verstoß gegen die Regeln über die Öffentlichkeit führt grundsätzlich zur Aufhebung des Urteils. Ein Ausnahmefall, in dem nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Einfluss eines Verfahrensfehlers auf das Urteil denkgesetzlich ausgeschlossen werden kann (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH NStZ-RR 2014, 391 mwN), liegt nicht vor. Selbst wenn Gegenstand der zweiten Zeugenvernehmung der Nebenklägerin lediglich die später eingestellten Tatvorwürfe gewesen sein sollten, ergibt sich – wie oben bereits ausgeführt – gleichwohl aus den Urteilsgründen, dass der Tatrichter seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten auch aus Angaben der Nebenklägerin zu nicht zur Verurteilung gelangten Tatvorwürfen gebildet hat. Insoweit sah sich der Senat auch nicht veranlasst, dienstliche Erklärungen zum Gegenstand der zweiten Vernehmung der Nebenklägerin einzuholen.

Schließlich ist ein Beruhen des Urteils auf dem fehlenden Gerichtsbeschluss über den Öffentlichkeitsausschluss auch nicht deshalb denkgesetzlich ausgeschlossen, weil sich aus den Urteilsgründen und dem Protokoll das Vorliegen der Voraussetzungen eines zwingend vorgeschriebenen Ausschlusses der Öffentlichkeit gemäß § 171b Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 3 Satz 1 GVG ergibt und damit das Fehlen eines gerichtlichen Beschlusses eine bloße Förmlichkeit wäre, die den Bestand des Urteils nicht gefährden könnte. Dies setzte nämlich voraus, dass sich der in der Hauptverhandlung am 9. August 2017 erst- und einmalig angebrachte Antrag der Nebenklägerin auf Ausschließung der Öffentlichkeit nicht nur auf die unmittelbar bevorstehende, sondern auch – ohne Kenntnis des dann bestehenden Vernehmungsgegenstandes – auf etwaige weitere Zeugenvernehmungen der Nebenklägerin bezogen hätte. Davon aber ist vorliegend bei einer zweiten, hier an eine weitere Beweiserhebung anknüpfenden Zeugenvernehmung nicht ohne Weiteres auszugehen. Es versteht sich auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Anlass für die erneute Zeugenvernehmung nicht mit den herkömmlichen Mitteln des Revisionsrechts rekonstruierbar ist, jedenfalls nicht von selbst, dass auch in einer weiteren, auf bestimmte Themenkomplexe ausgerichteten Vernehmung wieder Umstände zur Sprache kommen, deren Erörterung schutzwürdige Interessen der Zeugin verletzen könnten. Insoweit ist – entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts – nicht davon auszugehen, dass ein einmalig angebrachter Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit weitere mögliche Zeugenvernehmungen erfasst.“

Interessant/lesenswert ist der Beschluss auch wegen der Ausführungen des BGH zur Zulässigkeit der Verfahrensrüge. Die hatte der Verteidiger hier zulässig/ausreichend begründet…..